Köln | aktualisiert | Über 3.000 Gewerkschafter kamen zur großen Kundgebung auf den Kölner Heumarkt. Kölns DGB Chef Kossiski kritisierte die Lufthansa, erinnerte an die Verfolgung der Gewerkschaften durch die Nazidiktatur und verurteilte die Polizeieinsätze in Istanbul. Er selbst und auch Gastredner Oberbürgermeister Roters mussten sich aus den Reihen der Demonstranten Kritik anhören und sehen. Christian Lindner, der Landesvorsitzende der NRW-FDP fordert die Gewerkschaften auf Stellung gegen die arbeitnehmerfeindliche Politik der Regierung Kraft zu beziehen.

Der 1. Mai auf dem Heumarkt in Fotos >

So harmonisch wie sonst verlief die Kundgebung auf dem Heumarkt zum 1. Mai des DGB nicht. Andreas Kossiski der Vorsitzende der DGB Region Köln steht in der Kritik durch seine Doppelfunktion als Gewerkschaftsboss für Köln und Landtagsabgeordneter der SPD für den Kölner Norden. Denn die rot-grüne Landesrregierung in NRW will die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst 2013 nicht wie sonst üblich, eins zu eins für die Beamten übernehmen. Und die sind sauer. Kritisch sieht die Rolle auch die Initiative gegen die massive Verschlechterung neu eingestellter Lehrer in NRW, die sich 2006 nach Einführung des TV-L (Tarifvertrags der Länder) gegründet hat. Auch nach drei Tarifverhandlungen seit 2006 gebe es noch eine Lohnkluft von rund 30 Prozent zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern, die teilweise 550 Euro netto weniger Gehalt erhielten, sagte ein Mitglied der Initiative am Rande der 1. Mai-Kundgebung des DGB. Kossiski riefen einzelne Demonstranten immer wieder „Arbeitnehmerverräter“, „Verrat“, „Wieviel verdienst Du?“ zu oder geißelten die Diätenerhöhung für Landtagsabgeordnete. Auch Kölns Oberbürgermeister Roters wurde für die Kürzungen im städtischen Haushalt nicht von allen auf dem Platz freundlich begrüßt. Roters forderte, dass starke Schultern, also die Wohlhabenden der Gesellschaft, mehr tragen müssten und an den staatlichen Aufgaben stärker beteiligt werden sollten.

Kossiski verurteilte die Entscheidung der Lufthansa, den seit 1926 ununterbrochen in Köln ansässigen Unternehmenssitz zu verlegen: „So geht man nicht mit einem Traditionsstandort um“. 80 Jahre nach Auflösung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten am 2.5.1933 erinnerte Kossiski an die Zerschlagung und Verfolgung von Gewerkschaftlern, während der Hitlerdiktatur. Selbstkritisch analysierte der Kölner DGB Vorsitzende aber auch, dass die Spaltung innerhalb der Gewerkschaften damals, es hatte 44 unterschiedliche Gewerkschaften alleine im öffentlichen Dienst gegeben, die organisierte Arbeitnehmervertretung entscheidend geschwächt habe.

Die Hauptrede hielt in Köln in diesem Jahr Reiner Hofmann, der Landesbezirksleiter der IG Bergbau, Chemie und Energie Nordrhein, der einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, klare Spielregeln für Leiharbeit, einen Stopp der Befristung und Lohndumping durch Werkverträge forderte. Daneben will der DGB erreichen, dass es einen Kündigungsschutz für Mitarbeiter geben soll, die einen Betriebsrat gründen wollen und das Betriebsverfassungsgesetz modernisiert und unter anderem um die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter bei Leiharbeit und Werkverträgen erweitert wird. Zur Bundestagswahl am 22. September sieht Hofmann die Gewerkschafter in der Pflicht zur Wahl zu gehen und einen Politikwechsel herbeizuführen. Unter anderem sprach sich Hofmann in seinem europapolitischen Redeteil für mehr Steuergerechtigkeit, die Austrocknung von Steueroasen und eine Verbesserung der Einnahmen auf der Staatsseite aus.

Zum Tag der Arbeit erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christian Lindner: „So viele Menschen wie niemals zuvor haben einen Arbeitsplatz. Die Löhne steigen. Und nirgendwo in Europa haben Jugendliche bessere Chancen auf den Berufseinstieg. Diese Ergebnisse entschlossener Reformpolitik und gewachsener Wettbewerbsfähigkeit sind sozialer als alle roten Fahnen am heutigen Tag. Für Rot-Grün ist der 1. Mai kein Feiertag. Hannelore Kraft verweigert vielen Beamtinnen und Beamten ein Gehaltsplus. Mit der Inflation lässt sie ihre Beschäftigten allein. Die Landesregierung spaltet damit den Öffentlichen Dienst. Weil Rot-Grün als Arbeitgeber an den eigenen Maßstäben scheitert, sind die Reden zum heutigen Tag nichts weiter als soziale Rhetorik. Auch Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verweigert Rot-Grün ihren fairen Anteil am Aufschwung. Die guten Tarifabschlüsse der Gewerkschaften fallen der kalten Progression zum Opfer, weil SPD und Grüne im Bundesrat die Anpassung des Steuersystems an steigende Preise blockieren. Ich fordere die Gewerkschaften auf, heute die wirklichen Interessen der Beschäftigten zu vertreten und klar Stellung gegen die arbeitnehmerfeindliche Politik der Regierung Kraft zu beziehen. Die Gewerkschaften müssen auch in der gegen qualifizierte Arbeitnehmer gerichteten Steuerpolitik Druck auf Rot-Grün machen.“

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Autor: Andi Goral
Foto: Proteste am 1. Mai gegen die Nichtübernahme der Tarifeinigung von Verdi für Beamte durch die Landesregierung NRW bei der Rede des DGB Vorsitzenden Region Köln Andreas Kossiski, der auch in Doppelfunktion Landtagsabgeordneter ist. Die Demonstranten wurden von der Security der Bühne verwiesen und dabei ihr Transparent beschädigt.