Straßburg | Griechenland hat nach den Worten von Premierminister Alexis Tsipras einen neuen Antrag auf Hilfszahlungen beim Euro-Rettungsschirm ESM gestellt. „Wir haben dem ESM heute eine Mitteilung vorgelegt“, sagte Tsipras am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Reformvorschläge werde die griechische Regierung in den kommenden Tagen vorlegen, so Tsipras weiter.

Der Athener Regierungschef forderte erneut eine Vereinbarung mit den Gläubigern Griechenlands, die ein Überwinden der Krise signalisieren solle. Zudem forderte Tsipras vor dem EU-Parlament, dass eine derartige Vereinbarung auch die griechischen Staatsschulden tragfähig machen müsse. Es sei nicht die Absicht Athens, die europäischen Steuerzahler zu belasten, betonte der griechische Regierungschef.

Allerdings sollten die europäischen Bürger wissen, dass die Hilfsgelder nicht der griechischen Bevölkerung zugute gekommen, sondern in die Banken geflossen seien, sagte Tsipras vor den EU-Parlamentariern.

Griechischer Oppositionspolitiker: „Grexit“ wäre Abstieg in Dritte Welt

Der griechische Oppositionspolitiker und Chef der Mitte-Links-Partei Potami, Stavros Theodorakis, fürchtet bei einem Ausscheiden seines Landes aus dem Euro den „Abstieg in die Dritte Welt“. Die jetzt von der Regierung in Brüssel geführten Verhandlungen über ein neues Hilfspaket seien „wirklich der allerletzte Versuch“, einen „Grexit“ abzuwenden, sagte Theodorakis in einem Interview des „Handelsblatts“. Theodorakis, der mit seiner Anfang 2014 gegründeten Bürgerbewegung bei den Wahlen vom Januar auf gut sechs Prozent kam, warf in dem Interview dem Links-Premier Alexis Tsipras vor, er habe die Griechen vor der Volksabstimmung vom vergangenen Sonntag mit „Lügen“ getäuscht.

Den Ausgang des Referendums, in dem 61 Prozent der Wähler gegen weitere Spar- und Reformauflagen stimmen, nannte Theodorakis einen Sieg „der Demagogie und des Populismus“ Scharf ging der frühere Star-Journalist Theodorakis im „Handelsblatt“ auch mit der politischen Klasse seines Landes ins Gericht: Die griechischen Politiker scheuten schwierige Entscheidungen und neigten dazu, die Ausländer für alle Widrigkeiten verantwortlich zu machen. „Wir werden von Politikern regiert, die in ihrem Leben gescheitert sind“, sagte Theodorakis.

Griechenland-Krise: Grünen-Fraktionschef für Umschuldung bis 2020

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat zur Lösung der Griechenland-Krise eine Umschuldung bis 2020 ins Gespräch gebracht: „Aus unserer Sicht sollte das nächste Hilfsprogramm bis 2020 gehen. Bis dahin sollte man der griechischen Regierung den Schuldendienst abnehmen“, sagte Hofreiter im Interview mit dem „Tagesspiegel“ (Donnerstagsausgabe). Im Gegenzug solle sich die griechische Regierung „zu echten Reformen verpflichten und dazu, keine neuen Schulden aufzunehmen, sondern die laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen zu decken“, sagte Hofreiter weiter.

Es bestehe immer noch die Möglichkeit, einen „Grexit“ abzuwenden. „Aber dazu müssen sich beide Seiten bewegen. Für weitere Zockereien ist die Situation viel zu dramatisch“, forderte Hofreiter.

Im Falle einer Umschuldung sehe er zumindest die Chance, dass ein erheblicher Teil der Kredite gerettet werden könne. „Ein `Grexit` würde faktisch einen Schuldenschnitt von 100 Prozent bedeuten, die Gläubiger bekämen nichts von ihrem Geld zurück“, sagte der Grünen-Politiker. Hofreiter stellte eine Zustimmung seiner Fraktion zu einem dritten Hilfspaket in Aussicht. „Wenn ein `Grexit` verhindert werden kann, sich beide Seiten kompromissbereit zeigen und wir eine langfristige Lösung bekommen, werden wir einem weiteren Hilfspaket zustimmen“, kündigte er an.

Führende Unions-Politiker gegen Schuldenschnitt für Griechenland

Kurz bevor die griechische Regierung am Donnerstag ihren Gläubigern in der Eurozone neue Reformvorschläge und Sparmaßnahmen vorlegen möchte, lehnen führende Unions-Politiker einen Schuldenerlass für Athen vehement ab. „Ein Schuldenerlass ist der direkte Griff der Griechen in die Taschen der europäischen Steuerzahler“, sagte Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) der „Bild“ (Donnerstag). „Das kommt nicht in Frage.“ Ähnlich argumentiert auch Peter Ramsauer (CSU), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestages: „Ein Schuldenschnitt für Griechenland kommt nicht in Frage. Dafür gibt es weder wirtschaftliche noch politische Argumente.“ Gegen einen Schuldenerlass für Athen spricht sich auch Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages, aus. „Zugunsten von Griechenland und zu Lasten privater Gläubiger hat es bereits einen Schuldenschnitt in Höhe von rund 100 Milliarden Euro gegeben. Darüber hinaus gab es noch einen verdeckten Schuldenschnitt auf Kosten der öffentlichen Gläubiger. Mit einem nochmaligen Schuldenschnitt würden die Probleme Griechenlands nicht dauerhaft gelöst, sondern die unendliche Geschichte lediglich um ein neues Kapitel ergänzt werden.“ Auch die Europa-Expertin der CSU, Katrin Albsteiger, ist gegen einen Schuldenerlass.

„Eins muss klar sein: Schulden kann man nicht abwählen! Ein Schuldenschnitt unmittelbar nach dem Referendum wäre deshalb genau das falsche Signal – nicht nur an Griechenland, sondern vor allem an die Länder, die sich angestrengt haben und es aus der Krise rausgeschafft haben“, so Albsteiger in „Bild“. „Und: Ein derartiger Schritt wäre an Vertrauen gekoppelt. Die Syriza-Regierung hat vertrauensbildende Maßnahmen mutwillig vermieden. Solange dies so bleibt, kommt ein Schuldenerlass nicht in Frage. Das sind wir den Gläubigern schuldig.“ Ähnlich argumentiert Arbeitsmarkt-Experte Mark Helfrich (CDU). „Es sind nicht die Tilgung der Altschulden oder die Zinslast, die Griechenland erdrücken. Es ist vielmehr das nicht funktionierende politische und staatliche System das zum Problem für Griechenland geworden sind. Ein Schuldenschnitt ist seit dem Referendum noch weniger denkbar als vorher. Er würde nur ein Weiter-Wursteln von Tsipras und Co. ermöglichen.“ Kritisch sieht einen Schuldenschnitt auch Innenexperte Marian Wendt (CDU). „Ein Schuldenschnitt wäre falsch. Über eine Stundung der Rückzahlung, die ab 2022 beginnt lässt, sich aber bei beschlossenen und umgesetzten Reformen reden.“

Autor: dts