Berlin | Das türkische Verfassungsreferendum hat nach Einschätzung des offiziellen deutschen Wahlbeobachters Andrej Hunko in den Kurdengebieten in einer „Atmosphäre massiver Bedrohung“ stattgefunden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Türkei zu einer schnellen Klärung der Vorwürfe zum Verfassungsreferendum aufgerufen

„Ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot mit Gewehren, Maschinenpistolen und einem gepanzerten Wagen mit laufendem Motor“ habe den Weg zu einem Wahllokal versperrt, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Zwar seien in den Wahlvorständen sowohl Regierungs- als auch Oppositionsseite vertreten gewesen. „Allerdings wurde uns auch berichtet, dass in den Tagen zuvor massiv potenzielle Erdogan-Gegner in Gewahrsam genommen worden waren und sie dadurch nicht an der Abstimmung teilnehmen konnten“, erläuterte Hunko. Die „Turnhallen“ seien „voll von ihnen gewesen“. Angesichts der „massiven Einschränkungen“ des Nein-Lagers und den Bedingungen des Ausnahmezustandes könne „weder von freien noch von fairen Wahlen gesprochen werden“, lautete die Gesamtbilanz des Abgeordneten, der für den Europarat als Wahlbeobachter in Diyarbakir und Mardin in der Südosttürkei das Referendum verfolgte.

De Maizière: Türkei soll Vorwürfe zum Referendum rasch aufklären

Die Bundesregierung hat die Türkei zu einer schnellen Klärung der Vorwürfe zum Verfassungsreferendum aufgerufen: „Jetzt muss rasch Klärung darüber hergestellt werden, ob die Abstimmung fair und sauber abgelaufen ist, soweit man unter den derzeitigen Umständen in der Türkei überhaupt davon sprechen kann“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Der CDU-Politiker sprach die Hoffnung aus, dass die türkische Regierung „vernünftig mit dem Ergebnis des Referendums umgeht und nicht weiter eskaliert“. Folgen sieht der Innenminister auch aus den hohen Zustimmungswerten in deutschen Wahllokalen. „Ich erwarte, dass sich gerade die Türken und die Deutsch-Türken in Deutschland an einer Debatte zu einer konstruktiven gemeinsamen Zukunft beteiligen“, erklärte de Maizière. Ein „weiteres Auseinanderdriften unserer Kulturkreise“ könne und dürfe es jedenfalls nicht geben.

Autor: dts