Köln | 30 Jahren Grüne im Kölner Rat. Es gibt eine kleine Feier im Bürgerhaus Stollwerck. Auf dem Weg dorthin summt man unweigerlich den Fehlfarben-Hit „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“. Irgendwie kann man nicht anders. Auf der Feier gibt es einen Talk mit grünen Kölner Urgesteinen. Die jauchzten aber nicht Stakkato über ihre Erfolge, sondern reflektieren nachdenklich über ihre persönliche und parteipolitische Arbeit in dreißig Jahren und die zukünftige Rolle grüner Politik. Eine Feier in kleinem Rahmen unter sich, mit Fingerfood, afrikanischen Musikern und Musik vom Humbamacher Jan Ü.
1984 ging es los im Rat
1984 brachten die Kölner Grünen 10 Kandidaten in den Kölner Rat. In der ersten Ratssitzung sprach man sich gegen die Namensgebung der „Fregatte Köln’“ aus. In der zweiten Sitzung am 30.10.1984 ging es dann schon um den Kölnpass. Jörg Frank, Barbara Moritz, Anne Lütkes, Alexandra Landsberg, Ralf Fücks, Dieter Göbel und Manfred Waddey Kölner Urgesteine der grünen Politik talkten über 30 Jahre grüne Politik in Köln an einem für sie geschichtsträchtigen Ort. Denn die Besetzung und Räumung des Stollwerck-Geländes war für nicht Wenige der Anwesenden Initialzündung in der Politik aktiv zu werden, auch wenn es am Anfang gar nicht danach aussah. Göbel, der lange Jahre stellvertretender Fraktionsvorsitzender war, erinnerte daran, dass man sich zu Beginn nicht mit der Stadtgesellschaft identifiziert habe, sondern als Fundamentalopposition und Sprachrohr sozialer Bewegungen verstand. Aber man sei in der Politik damit auch schnell an die Grenzen gestoßen, wenn es etwa zum gleichen Thema zwei Bürgerinitiativen gab. Man habe sich damals geweigert den Haushalt zu lesen, weil man ihn sowieso ablehnte.
Stollwerckbesetzung war prägend
Auch Barbara Moritz ist Teil der Stollwerckbewegung, auch wenn sie wenn es „Alarm“ gab, stiften ging, denn sie hatte zwei Kinder. Aber auf dem Gelände hatte sie einen Kinderladen gegründet. Nach der Räumung habe man sich etwa am Bauspielplatz engagiert oder mit den Verkehrsproblemen auseinandergesetzt. Moritz startete in der BV und tritt jetzt nach 20 Jahren Rat und 14 Jahren Fraktionsvorsitz bei der kommenden Kommunalwahl nicht mehr an. Jörg Frank, heute Fraktionsgeschäftsführer war schon im ASTA engagiert, bevor er zu den Grünen kam. Er verwies auf Erfolge wie die Neubauten des Walraff-Richartz- und des Rautenstrauch-Joest-Museums oder das Kunsthaus Rhenania, die man damals mit der CDU umgesetzt habe. Auch die Kölnbäder GmbH sei eine grüne Erfolgsstory oder die Alte Feuerwache. Zudem habe man es geschafft die Strukturen der Selbstverwaltung in freier Trägerschaft auszubauen und zu stärken, an den Stellen, wo die SPD immer nur auf Stadt und Staat setze. Dadurch sei es gelungen Kreativität und Eigenverantwortlichkeit in der Stadt zu etablieren.
„Petting statt Parking“
Anne Lütkes, bei ihrem Eintritt bei den Grünen, bereits erfolgreiche Strafanwältin und Mitgründerin des ersten autonomen Frauenhauses in Köln, kam mitten im Streit zwischen Frauen- und gemeinsamer Liste zur Partei. Sie war später Oberbürgermeisterkandidatin und im Rat als Göbel der König der Zwischenrufe war. Allerdings habe man damals begonnen die Vorlagen der Verwaltung zu lesen und nachzufragen. Zur OB-Wahl im nächsten Jahr erklärte Lütkes, dass die Grünen die Wahl gewinnen wollten. Manfred Waddey warf ein, dass es die Grünen schon länger in der Bezirksvertretung gebe, denn im Herbst 79 sei man in die BV I mit der Kölner Alternative eingezogen. Waddey räumte auch augenzwinkernd mit einem Vorurteil auf. Schon 84 und 89 sei die Ratsliste basisdemokratisch ausgekungelt worden, was man natürlich heute nicht mehr machen würde. Alexandra Landsberg erinnerte an Aktionen wie „Petting statt Parking“ auf der Ehrenstraße, mit der man es sogar in die „Bild“-Zeitung geschafft habe. Man sei mit Matratzen und Fernsehsesseln auf die Straße gezogen, habe gemeinsam mit Martin Stankowski Stadtutopien entwickelt oder den Einzug von Volker Beck in den Bundestag in einer schwulen Sauna gefeiert.
Viel Fachkompetenz – zu wenig Leidenschaft?
Ralf Fücks analysierte die heutige Situation der Grünen. Man verfüge über sehr viel Fachkompetenz, aber es fehle die Leidenschaft, die große Erzählung, die Begeisterung für die große Veränderung. Dazu müsse man Allianzen schmieden, auch mit der Industrie. Heute seien die großen Themen der Grünen in der Mehrheitsgesellschaft angekommen, wie etwa Atomausstieg, kulturelle Vielfalt oder Selbstbestimmung. Die Grünen, so Fücks, müssten die Rolle des politischen Gestalters annehmen, um die eigenen Projekte umzusetzen und voranzubringen. Die Freiheitsbewegung in der Ukraine hätte die Partei elektrisieren müssen. Die Grünen sollten sich als Europapartei positionieren, sozial, einig und frei, gab Fücks mit auf den Weg. Er forderte Ideen für die Stadt in 20 Jahren zu entwickeln und die Zukunft erzählen. Auch Jörg Frank sieht, dass man Themen, wie etwa Verkehr und Mobilität der Zukunft zuspitzen müsse.
Ob Jan Ü. Krauthäuser den Fehlfarben Song in seiner DJ Maschine auflegte wissen wir nicht. Dieter Göbel, der Zwischenruferkönig, brachte in seinem Schlusssatz den Stolz der grünen Kommunalpolitiker, die mittlerweile auch den Haushalt lesen, auf den Punkt: „Wir Grüne haben auf die dringenden Fragen in der Stadt die besseren Antworten.“ So war die kleine Jubelfeier auch eine Feier der Selbstreflexion und Vergewisserung über die eigene Arbeit. Typisch Grün.
Autor: Andi Goral