Köln | Der Intendant der Kölner Philharmonie spricht im Interview über seine Eindrücke aus Köln in Corona-Zeiten und über die Folgen die Krise für sein Haus.

Wie erleben Sie Köln in Zeiten von Corona?

Louwrens Langevoort: Leer, würde ich sagen. Auch bei uns im Betrieb arbeiten jetzt viele von zu Hause. Ich komme immer noch ins Büro, da ich nicht weit weg von der Philharmonie wohne. Wenn ich dorthin gehe, erlebe ich leere Straße, das ist schon etwas geisterhaft. Aber ich habe auch Kontakt zu Venedig, da hat das Ganze noch einmal eine ganz andere Dimension.

Was sind für Sie als Intendant der Philharmonie jetzt die größten Herausforderungen?

Langevoort: Zum einen geht es um den Spirit in der Belegschaft. Wir können jetzt einen Monat oder länger nichts machen und müssen jetzt unsere ganze Energie auf eine weiter entfernte Zeit richten. Die brauchen wir auch dann, wenn wieder alles vorbei ist und es wieder losgeht. Mir ist wichtig, dass sich jeder Mitarbeiter wohlfühlt und entscheiden kann, ob er im Büro oder von zu Hause arbeiten möchte. Beim Publikum funktioniert jetzt alles nur über das Netz. Wir bieten Streamings von alten Konzerten an, die auch rege genutzt werden. Bei der Johannespassion vom vorletzten Sonntag haben sich das in der ersten Woche mehr 230.000 Leute angeschaut, solche Zahlen gab es noch nie. Direkt am Sonntag sahen es 180.000 Menschen live. Das zeigt das Bedürfnis der Menschen nach Musik. Sie gibt Menschen die Ruhe und die Chance sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wie sind die Auswirkungen der Krise für die Philharmonie?

Langevoort: Das ist für uns eine finanzielle Katastrophe. Wir haben kein Publikum, keine Vermietungen und damit auch keine Einnahmen. Bei Konzerten, die abgesagt werden müssen, kann das Publikum den Eintritt zurückerstattet bekommen oder für einen Fonds für in Not geratene Künstler spenden. Schwer ist das Ausmaß jetzt zu bestimmen, da wir nicht wissen, wie lange die Krise dauert. Bis Ende April haben wir schon mehrere 100.000 Euro Verlust. Wir hoffen jetzt auch auf die Unterstützung von Stadt, Land und Bund sowie von den Stiftungen, die uns schon Unterstützung zugesagt haben. Es braucht jetzt Solidarität, damit das Leben weitergehen kann – jetzt und nach der Krise.

Wie sieht aktuell Ihr Berufsalltag aus?

Langevoort: Ich komme morgens in die Philharmonie und bin schon um 19 Uhr wieder raus. Die Konzerte abends fallen ja weg. Wir müssen jetzt auch planen, wie wir Kosten einsparen können, um gut durch die Krise zu kommen. Aber ich bin Optimist und arbeite mit meinem Team an der Zukunft. Die kommenden Spielzeiten müssen ja schon jetzt geplant werden. Wir planen mit allen, die mit uns planen möchten – mit den Künstlern und mit Komponisten, denen wir jetzt schon Aufträge vergeben.

Was macht Ihnen Hoffnung, was bereitet Ihnen Sorge?

Langevoort: Sorge macht mir, dass es immer noch Leute gibt, die den Ernst der Lage nicht verstehen und die sich weiter zu Partys treffen. Die Jugend sagt, ich kriege es ja eh nicht, aber durch ihr Verhalten sind sie eine Gefahr für Risikogruppen. Sorgen macht mir auch, was da gerade Schreckliches in Italien passiert, Hoffnung macht dagegen, dass es aktuell in China keine Neuinfektionen gibt. Man kann die Krise bewältigen.

Wie wird diese unsere Gesellschaft verändern?

Langevoort: Ich hoffe, dass wir für die finanziellen Folgen nicht Jahre lang büßen müssen. Gut ist, dass jetzt eine Solidarität aufkommt, die man lange vermisst hat. Egal ob Flüchtlinge, Kranke oder Alte – wir sind eine Gesellschaft.

Wie gehen Sie privat mit der Bedrohungslage um?

Langevoort: Ich halte Abstand und gehe nicht aus. Bei der Arbeit bin ich alleine im Büro, das Vorzimmer ist nicht besetzt. Es gibt aber auch Vorteile, wenn man zu Hause ist. Man kann lesen oder auch einmal in Ruhe gemeinsam kochen.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Jörn Neumann