Köln | aktualisiert | Die AfD hat auf ihrem Bundesparteitag in Köln Vize-Parteichef Alexander Gauland und und das baden-württembergische Vorstandsmitglied Alice Weidel zum Spitzenduo für die anstehende Bundestagswahl gekürt. Für das Duo stimmten rund 68 Prozent der Delegierten. Beide sollen den Wahlkampf der Partei anführen. Zudem verabschiedete die Partei ein Wahlprogramm für den Bundestagswahlkampf 2017.

Vorschläge auf dem Bundesparteitag nur die Anzahl der Spitzenkandidaten festzulegen und das Spitzenteam durch Urwahl der Mitglieder bestimmen zu lassen, lehnten die Delegierten ab.

Weidel redet von „importierten Bürgerkriegen“ in Deutschland

Alice Weidel machte in ihrer Parteitagsrede deutlich, wie populistisch die AfD im Bundestagswahlkampf agieren will, ohne konkret zu werden, wie man dies umsetzen wolle. So nannte sie die Zuwanderung in den Sozialsysteme, Strafzinsen, Bargeld, EU-Einheitsstaat mit Zentralregierung in Brüssel oder bezahlbare Energie, als Themen. Weidel sprach davon, dass die AfD für ein Deutschland stehe bei dem christliche Feste nicht mehr durch Polizei mit Maschinengewehren oder LKW-Barrieren gesichert werden müssten und Frauen wieder ohne Angst sich frei bewegen könnten. Wie sie das erreichen will, erläuterte die Spitzenkandidatin allerdings nicht. Konkreter wurde Weidel bei einem Punkt, den sie mit nach Deutschland importierten Bürgerkriegen umschrieb. Was sie damit meinte, machte sie deutlich als sie in den Saal rief, dass die AfD die „Erdogan-Ja-Sager“ in die Türkei zurückschicken werde. Woher Sie Ihre Wertung Bürgerkriege nahm, blieb Wedel allerdings schuldig.

Bundeskanzlerin Merkel nannte Weidel eine Nebelkerze und dass sie die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte befördern wolle, denn man werde sich den Mund nicht mehr verbieten lassen.

Gauland: „Ich bin stolz Deutscher zu sein“.

Alexander Gauland beschwor dagegen die innere Einheit der Partei und nannte den Parteitag einen Erfolg, auch wenn dieser schwierig gewesen sei. Zu Frauke Petry gewandt sagte Gauland, dass die AfD diese brauche. Allerdings sprachen die Bilder eine andere Sprache. Gauland forderte die Delegierten auf, ab heute nur noch den „politischen Gegner zu bekämpfen“ und nannte die AfD eine Partei der Mitte. Er sei „Stolz Deutscher zu sein“, rief Gauland den Delegierten zu und die Parolen „Merkel und Schulz muss weg“. Der Parteitag skandierte als Echo „Merkel muss weg“. Wie Meuthen forderte er Deutschland als das Land der Mütter und Väter, Heimat und Identität zu behalten.

Bereits zuvor war die Kür eines einzelnen Spitzenkandidaten ausgefallen: Parteichefin Frauke Petry hatte überraschend den Verzicht auf die Kandidatur bekundet. Zugleich hatte Petry eine Niederlage erlitten, als die Delegierten sich weigerten, über die von Petry geplante Neuausrichtung der Partei zu einem realpolitischen Kurs zu diskutieren. Zudem beschlossen die Delegierten ein rechtsgerichtetes Wahlprogramm, mit dem sich die Partei auf Fragen der Zuwanderung und der inneren Sicherheit konzentrieren will.

Petry kündigt weiterhin gezieltes Eingreifen in Parteifragen an

Die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry hat Spekulationen über ein Ende ihrer Karriere zurückgewiesen und stattdessen angekündigt, auch in Zukunft in Parteifragen eingreifen zu wollen. „Wenn wir mal zählen, wie oft schon das Ende von Frauke Petry in der AfD oder im Parteivorsitz beschrieben wurde, dann kommen wir, glaube ich, mit zwei Händen gar nicht aus“, sagte Petry im „Bericht aus Berlin“. Nachdem der Parteitag am Samstag eine Diskussion ihres Antrages abgelehnt hatte, erklärte Petry, dass sie die Partei erst einmal beobachten wolle.

Die AfD-Vorsitzende räumte auch am Sonntag „eine Abstimmungsniederlage“ ein. Gleichzeitig kündigte sie an, sich auch weiter einmischen zu wollen. Denn es werde „natürlich auch ein gezieltes Eingreifen des Bundesvorstands oder meiner Person weiterhin notwendig sein – wenn sich Entwicklungen ergeben, von denen ich glaube, dass sie für die Partei schädlich sind“, so Petry weiter.

Gerüchte, wonach sie sich nach der Bundestagswahl von der möglichen AfD-Fraktion trennen könnte, wies sie zurück. „Die Vergangenheit in der Parteiengeschichte in Deutschland und anderswo hat gezeigt, dass Abspaltungen nicht erfolgreich sind.“ Petry will dem Spitzenduo Alexander Gauland und Alice Weidel „die erste Reihe überlassen“, da sie auch „ein bisschen unverbrauchter“ als sie selbst seien.

Gleichzeitig erhöhte sie den Druck auf Parteivize Gauland: „Auf Herrn Gauland kommt in der Tat in den nächsten Monaten sehr viel Verantwortung zu, mehr als er in der Vergangenheit getragen hat“, sagte sie. „Und er muss sich aber in dieser Position natürlich auch beweisen.“

Meinungsforscher: Zerstrittenheit von Köln wird AfD nicht schaden

Der Geschäftsführer des Meinungsforschungs-Instituts Mentefactum, Klaus-Peter Schöppner, glaubt nicht, dass die jüngsten Auseinandersetzungen auf dem Kölner AfD-Parteitag ihr nachhaltig schaden werden. „Das Seltsame an der Partei ist, dass sie nur Fehler macht“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Montagsausgabe). Die AfD sei erkennbar innerlich zerstritten.

Die Spitzenleute schauten ausnahmslos auf sich selbst. Und es gebe keine Abgrenzung zu rechtsextremistischen Positionen und Personen. Nur sei die AfD in den Umfragen „immer noch drittstärkste Partei“, ergänzte Schöppner.

„Deshalb weiß ich nicht, ob der Parteitag zu einer Verschlechterung führen wird.“ Er vermute eher, „dass sie das auf den Kern des Protestwählerpotenzials reduziert. Aber der Protestkern ist weiterhin ziemlich groß.“

Der Politikwissenschaftler Everhard Holtmann aus Halle äußerte sich ähnlich. „Die Position von Frauke Petry ist substanziell geschwächt“, erklärte er der „Berliner Zeitung“. „Es wäre konsequent, wenn sie jetzt zurückträte. Man kann sich schwer vorstellen, wie Frauke Petry noch eine funktionsfähige Parteivorsitzende abgeben soll.“ Auch hätten sich die Wahlchancen der AfD „auf jeden Fall verschlechtert“. Gleichwohl rangiere sie in den Umfragen anhaltend zwischen neun und elf Prozent, fuhr Holtmann fort. Darum sei es relativ unwahrscheinlich, dass sie bei der Bundestagwahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werde.

Autor: ag, dts
Foto: Der AfD-Bundesparteitag wurde durch starke Polizeikräfte gesichert.