Köln | Es ist nicht die erste Dezernentenbesetzung in Köln, die – vorsichtig formuliert – unglücklich verläuft. Das ist zum Schaden der Stadt und ihrer Bürger*innen. Aber was ist das für ein Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt, dass zunächst die Kienitz-Besetzung für das Dezernet trotz mannigfacher Bedenken durch den Rat bringt und als dies scheitert nicht mit einer Stimme zu sprechen in der Lage ist? Und welches Licht wirft das Verfahren auf OB Reker? Eine kommentierte Analyse von Andi Goral

Der unglaubliche Dezernatszuschnitt

Stellen Sie sich einmal vor Sie müssten eine Stellenausschreibung formulieren und sie wollen keinen Generalisten, sondern jemanden mit Fachkompetenz finden. Wen würden Sie suchen, wenn ein Stadtentwickler*in gesucht wird, wen, wenn ein Expert*in für Digitalisierung zu finden ist und wen mit Wirtschaftskompetenz? Auch die regionale Zusammenarbeit sucht eher eine/n Netzwerker*in. Eine eierlegende Wollmilchsau? Vier völlig unterschiedliche Kompetenzen für einen Spitzenjob. Diese vier unterschiedlichen Kompetenzfelder werden an keiner deutschen Hochschule in einem Studiengang gelehrt. Alleine daran kann jede Berufung scheitern.

Warum zerreißt die Politik das Dezernat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln? Also das was zusammengehört, schafft zusätzliche Schnitt- und Bruchstellen? Auch das neue Wirtschaftsdezernat, dass Grüne, CDU und Volt schaffen wollen stößt auf großes Unverständnis, weil der Rat ja 2018 die Gründung der „KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH“ entschied und dieses zum 1. Februar 2019 seine Arbeit aufnahm.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte damals: „Ich freue mich, dass die von mir vorgeschlagene Wirtschaftsförderungs-GmbH nun endlich ihre Arbeit aufnehmen kann, um den Wirtschaftsstandort Köln noch besser aufzustellen und innovativ voranzutreiben.“ In einer Mitteilung der städtischen Verwaltung vom 19. Dezember 2018 heißt es: „Die Verbindung zwischen der Wirtschaftsförderungs-GmbH und der Verwaltung soll über eine Stabsstelle organisiert werden, die dem Dezernat Stadtentwicklung, Planen und Bauen zugeordnet ist und die der nebenamtliche Geschäftsführer leitet. Diese Stabsstelle Wirtschaftsförderung soll innerhalb der Stadtverwaltung als zentrale Ansprechpartnerin der GmbH dienen und eine koordinierende Funktion innerhalb der Verwaltung übernehmen.“ Nach knapp zwei Jahren ist das schon wieder alles Makulatur und gescheitert oder warum braucht Köln wieder einen Wirtschaftsdezernenten?

Und erst die Digitalisierung: Nun könnte sich die Stadtverwaltung und der Rat vielleicht an der Beschreibung der Position eines Chief Digital Officers (CDO) aus der Wirtschaft orientieren, wenn in den eigenen bürokratischen Reihen dieses Thema neu ist. Wer fachliche Anforderungsprofile ansieht muss dem Ratsbündnis völlige Unkenntnis, wenn nicht sogar Dilettantismus vorwerfen. Warum haben hier die Jungen von Volt nicht opponiert? Ein CDO benötigt breites digitales Fachwissen, ein Verständnis für digitale Ökosysteme und er verfügt über ein tiefgreifendes Verständnis von Technologie und profundes Verständnis von digitalem Handwerk. So oder ähnlich in allen Fachmagazinen nachzulesen. 2 Punkte: Passt das zu den Themenfeldern Stadtentwicklung, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit? Ist das nicht alleine ein Fulltime-Job vor den Herausforderungen der digitalen Transformation dieser Stadtverwaltung? Welche Themenfelder deckt ein Jurist mit 1. Staatsexamen und Immobilienökonom, dann Ratsgeschäftsführer der CDU, wie Kienitz von den Beschreibungen eines CDO ab?

Und was braucht jemand für regionale Zusammenarbeit? Er muss gut vernetzt, ein toller Kommunikator und Motivator sein und da viel Zeit reinstecken. Wer jemals auf die Idee kam eine solche Zusammenstellung eines Dezernats zuließ oder selbst konzeptionierte, dem scheinen alle diese Themen nicht wichtig oder er ist schlicht naiv. Dabei handelt es sich um zentrale Eckpunkte der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung dieser Stadt. Vor dem Hintergrund des Klimanotstand, der Wohnungsnot oder der Entwicklung zu einer Smart-City.

Das Besetzungsverfahren

Es gab viele Bewerber*innen auf die Stellenausschreibung. Anscheinend ist auch der Personalberatungsagentur nicht aufgefallen, dass es für eine solche Stellenbeschreibung eigentlich keinen geeignete/n Bewerber*in geben kann. Die Agentur hat entweder nicht beraten oder der Kunde, die Stadt Köln war beratungsresistent und machte die Vorgaben. Das wiederum wirft ein fragwürdiges Licht auf das Verfahren, dass die Stadtverwaltung im Auftrag des Rates im Sinne der Bestenauslese aufsetzen sollte. Wenn der Rat nachfragt, müsste sich hier die Oberbürgermeisterin erklären. Und die Bürger*innen sollten informiert werden, wie viel Geld die Stadtverwaltung und der Rat dafür ausgaben.

Die Wahl

Die Wahl von Niklas Kienitz erfolgte in geheimer Wahl, aber Grüne und Volt erklärten, dass sie CDU-Mann Kienitz wählen wollten und dies dann auch taten. Trotz besseren Gewissens aus Bündnistreue? Und das obwohl die Verstrickung von Kienitz in die Stadtwerkeaffäre von 2018 nachgewiesen wurde. Das ist gerade für die Kölner Grünen belastend, hatten sie doch nach der Stadtwerkeaffäre in die sie selbst verwickelt waren, Besserung gelobt. Und hier haben sie einen durchgewunken, der beteiligt war.

Die Prüfung und der Rücktritt von Kienitz

Niklas Kienitz trat zurück bevor Kölns Regierungspräsidentin Gisela Walsken am 26. Juli ihre Entscheidung zum Verfahren verkündete. Es gibt den Hinweis, dass Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, bereits am 22. Juli, informiert wurde, zwei Tage vor dem Rücktritt von Kienitz, dass die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde die Berufung von Kienitz zum kommunalen Wahlbeamten nicht genehmigen werde. Kienitz nannte persönliche Gründe und Anfeindungen als Rücktrittsgrund. Kölns Oberbürgermeisterin in einem schriftlichen Statement zum Rücktritt von Kienitz: „Ich habe diese Entscheidung zu respektieren, aber ich bedaure sie sehr. Niklas Kienitz wäre ein sehr guter Beigeordneter geworden. Durch seine Vernetzung, seine Erfahrung und langjährigen Kenntnisse der Stadtentwicklung wäre er ein Gewinn für den Verwaltungsvorstand und die Stadt Köln gewesen. Den Rat der Stadt habe ich bereits über seine Entscheidung informiert.“ Wenn es stimmt, dass Reker, schon am 22. Juli die Entscheidung Walskens kannte, irritiert diese Mitteilung der Stadt, die vom persönlichen Sprecher der OB Alexander Vogel versandt wurde.

Und das Ratsbündnis? Zu einer gemeinsamen Presseerklärung ist CDU, Grüne und Volt nicht fähig. Dabei ist es doch ihr Dezernent, den sie als Ratsbündnis wählten. Die Grüne Fraktionsspitze um Christiane Martin und Lino Hammer wollen schnell zur Tagesordnung übergehen und am Dezernatszuschnitt festhalten. Während Linke, Grüne, Volt und SPD proaktiv und separat eine Pressemitteilung zur Personalie Kienitz verschicken, bleibt die drittgrößte Fraktion im Rat der Stadt, die CDU passiv schweigsam. Sie verschickt keine Pressemitteilung, dabei ist es ihr CDU-Mann Kienitz, der scheitert.

Was sagt diese Unfähigkeit zu einer gemeinsamen Mitteilung an die Kölner Bürger*innen über dieses Ratsbündnis aus? Haben die Kölner Bürger*innen, die Öffentlichkeit keinen Anspruch darauf, eine Erklärung von den Politik bestimmenden Fraktionen zu diesen Vorgängen zu erhalten? Was lernt der Rat aus diesem erneuten Besetzungsdesaster, nach dem des Schuldezernats? Die Kölner Stadtratspolitiker*innen müssen endlich ihrer Verantwortung nachkommen, der auch rechtlich verpflichtenden Bestenauslese zum Recht zu verhelfen, denn das wird die Stadt nach vorne bringen und nicht Kölscher Klüngel. Und sie müssen Dezernate so zuschneiden, dass sie dafür überhaupt die Besten finden können.

Autor: Andi Goral