Köln | GASTKOMMENTAR | Die gute Nachricht der letzten Woche war zweifellos, das der Rat am 23. August mit breiter Mehrheit das besondere Vorkaufsrecht für die alte KHD-Hauptverwaltung ausgeübt hat. Das war mehr als überfällig. Der Druck, der vor allem auf dem „Bündnis“ (GRÜNE/CDU/VOLT) lastete, wurde einfach zu groß. Die Akzeptanz einer Abwendungsvereinbarung zugunsten von „Jamestown“ (Christoph Kahl) wäre in kurzer Folge nach der Kienitz-Affäre das zweite große Desaster gewesen. Das hätten vor allem die Grünen kaum öffentlich vermitteln können. Ihre Bilanz als stärkste Fraktion nach acht Monaten schaut gelinde gesagt zu bescheiden aus. Ein Gastkommentar von Jörg Frank

Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Rat war nur realisierbar, weil Herr Kahl auf rechtliche Schritte zur Durchsetzung der Abwendungsvereinbarung verzichtet hat. Dies hatte er der OB zugesagt. Inhaltlich hätte er die Abwendungsvereinbarung auf Basis des Vorgabenbeschlusses vom 01.02.2018 erfüllen können, da diese für die ehemalige KHD-Hauptverwaltung im Wesentlichen gewerbliche Nutzungen vorsieht und kein Wohnen – erst recht keine öffentlich geförderten Wohnungen. Wäre Kahl gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts juristisch vorgegangen, hätten Rat und Verwaltung keine gute Karten gehabt.

Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts hat der Rat allenfalls eine Chance gewahrt. Das „Bündnis“, aber auch SPD und Linke haben bislang kein konkretes Konzept für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung gegenüber der Verwaltung initiiert. Noch immer gilt die alte Planungsgrundlage vom 01.02.2018, obwohl seit Januar 2021 die Ratsfraktionen – z.B. auch vom Initiativkreis Otto-Langen-Quartier – immer wieder auf die Notwendigkeit eines Alternativkonzepts hingewiesen wurden. Der Initiativkreis hat einen ausgearbeitetes Planungs- und Nutzungskonzept als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Im Ratsbeschluss vom 04.02.2021 hat das „Bündnis“ sogar noch die alte Planung bestätigt, was die Verwaltung natürlich als Auftrag betrachtet.

In der grünen Pressemitteilung vom 23.08. ist die Notwendigkeit, die Verwaltung nun endlich mit einem gemeinwohlorientierten Konzept zu beauftragen, nicht einmal eine Erwähnung wert. Stattdessen wird vom Erwerb der landeseigenen Fläche gesprochen, ohne auf das zwischen Stadt und Land vereinbarte Bieterverfahren für diese Fläche einzugehen. Dabei kann sich die Stadt gar nicht bewerben, weil sie selbst an der Entscheidung über Kaufangebote beteiligt ist! Die Vereinbarung müsste also aufgehoben werden, damit die Stadt einen Direkterwerb überhaupt zu verträglichen Konditionen realisieren könnte. Aber im Stadtentwicklungsausschuss vom 17.06.2021 wurde dieses Bieterverfahren vom „Bündnis“ widerspruchslos akzeptiert.

Kahl hat seine Absicht, sich am Bieterverfahren für das Landesgrundstück zu beteiligen, nicht aufgegeben. Im Worst Case könnte er das vom Land NRW betriebene Bieterverfahren gewinnen und das Landesgrundstück erwerben. Danach könnte er dann die Stadt unter Druck setzen, die ehemalige KHD-Hauptverwaltung an ihn zu veräußern. Denn die beiden Grundstücke sind nur zusammen entwickelbar. Planungsdezernent Greitemann (CDU) hat nicht einmal in Ansätzen ein Planungskonzept vorgelegt, was sich von einer konventionellen Investorenplanung unterscheidet. Er hätte den Erwerb durch Kahl auch am liebsten akzeptiert. Bis zuletzt versuchte Greitemann das „Bündnis“ dafür zu gewinnen.

Wenn der Rat eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Areals ernsthaft möchte, müsste nun zumindest für Aussetzung des Bieterverfahrens gesorgt werden, das ansonsten im 4. Quartal startet. Noch am 17.06. hat die Verwaltung angekündigt, eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung über die Gesamtplanung „im III. Quartal 2021“ – am besten in Form eines Workshops – durchzuführen. Das III. Quartal endet in vier Wochen. Öffentlichkeitsbeteiligung? Fehlanzeige! Die Politik der Orientierungslosigkeit scheint weiterzugehen.

Jörg Frank

(Jörg Frank war von 1989 bis 2020 grünes Ratsmitglied, bis Ende 2018 Fraktionsgeschäftsführer und 16 Jahre lang Vorsitzender des Liegenschaftsausschusses; er engagiert sich im Initiativkreis Otto-Langen-Quartier)

Autor: Andi Goral