Köln | Viele Flüchtlinge sind zwar integrationswillig, nicht selten aber tragen sie negative Erfahrungen mit sich, die genau das verhindern. Ein neues Zentrum der Katholischen Jugendagentur soll zukünftig besonders schwer traumatisierten jungen Flüchtlingen umfassende Hilfen geben.

Dabei arbeitet die neue Einrichtung, die bereits im April ihre Arbeit im Jugendzentrum OT Nonni am Ehrenfelder Helmholtzplatz aufnahm, mit zwei Fachkräften und derzeit fünf jungen Flüchtlingen. Zwar gibt es nicht nur in Köln bereits viele Beratungsangebote für Flüchtlinge mit traumatisierenden Erlebnissen, aber keines kombinierte bisher die Aspekte (Jugend-)Sozialarbeit und Psychologie.

„Wir brauchen mehr von solchen Projekten, wenn Integration gelingen soll. Ich hoffe, dass diese Einrichtung viele Nachahmer in NRW finden wird“, erklärte die amtierende Staatsministerin im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, Serap Güler. Auch Kölns Bürgermeister Andreas Wolter war von Anfang an von dem Projekt angetan. „Ein pädagogischer Ansatz oder Schulsozialarbeit alleine reichen nicht, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten“, weiß auch Wolter. Und so überreichte der Vertreter von Oberbürgermeisterin Henriette Reker bereits vor Monaten einen Spendenscheck der Kölner Weihnachtsmarktgesellschaft an die Initiatoren.

Die gesamte Einrichtung, die derzeit in drei Räumen im ersten Obergeschoss des Jugendzentrums im Herzen Ehrenfelds untergebracht ist, finanziert sich dabei ausschließlich aus Spenden und Zuwendungen. Der größte Zuschussgeber ist dabei die Deutsche Fernsehlotterie, weitere Zuwendungen und Spenden stammen von der Heifehof-Stiftung, der UNO-Flüchtlingshilfe, der Hans-Günther-Adels-Stiftung sowie von der Sparkasse KölnBonn über deren PS-Zweckerträge. Just zur offiziellen Eröffnung überreichten Verantwortliche der Sparkasse dem Betreiber der Einrichtung einen weiteren Spendenscheck in Höhe von 5000 Euro. Die Finanzierung der neuen Einrichtung ist damit für die kommenden drei Jahre gesichert, wie der Geschäftsführer der Katholischen Jugendagentur, Georg Spitzley, betonte.

Psychologische Betreuung und Sozialarbeit in der Kombination

Die meisten der Flüchtlinge in Deutschland, insbesondere solche aus Bürgerkriegsgebieten, tragen ein schweres Paket mit sich. Vor allem bei den Jüngeren, aber auch bei Erwachsenen, drohen Fluchterlebnisse von Tod und Grausamkeiten zu lebenslangen Traumastörungen zu führen. Was schon bei deutschen Patienten schwierig ist, erweist sich für Flüchtlinge nicht selten zu einem schier unlösbaren Problem, wie die Leiterin der Einrichtung, Linda Bruchholz weiß.

Die neue Einrichtung Aufwind sitzt auf der gleichen Etage wie der Jugendmigrationsdienst.

So sind Traumata häufig Gefühle von völliger Ohnmacht und Hilflosigkeit und damit einhergehend ein völliger Kontrollverlust. Eine normale Therapie setzt bei Patientinnen und Patienten mit Routinen an. So erhalten die Betroffenen wieder die Kontrolle über die Selbstwirksamkeit. Doch der Rückgriff auf „Vertrautes“ geht bei Flüchtlingen nicht, haben sie doch gerade ihre „vertraute Umgebung“ hinter sich gelassen, erkläutert die Psychologin die keineswegs einfache Ausgangslage für die Zielgruppe.

Stabilsiierung, nicht Heilung ist das Ziel

So geht es Bruchholz, die in ihrer Arbeit von einer pädagogischen Fachkraft in Sozialarbeit unterstützt wird, vor allem um eine Stabilisierung der Flüchtlinge. Im Visier hat sie dabei die Gruppe der so genannten „Wechsler“, die bedarfsorientiert im Abstand von einer bis mehreren Wochen kontaktiert werden, um die weiteren Maßnahmen zu besprechen bzw. einzuleiten. Gerade diese „Wechsler“ wolle man durch das neue, integrierte Angebot erreichen und so verhindern, dass die Betroffenen in die Risikogruppe abdriften, in der schwere psychische Störungen die Folge sein können.

Erst wenn diese Traumata und Belastungen im Griff sind, können die Flüchtlinge weitere Schritte in Richtung Integration unternehmen. So gibt es Beispiele von Personen, die Angst vor abgeschlossenen Räumen haben. „Mit diesen Personen ist es schwierig, einen Sprachkurs durchzuführen“, weiß Bruchholz. Und wer selbst nach einem Verkehrsunfall posttraumatische Störungen hatte, weiß um die besondere Bedeutung eines „gesunden Schlafes“. Auch dies ist bei vielen Geflüchteten, die in ihrem Heimatland oder auf Flucht Schlimmes erlebt haben, keine Selbstverständlichkeit.

In den kommenden drei Jahren hat sich die neue Einrichtung zum Ziel gesetzt, 60 bis 70 junge Flüchtlinge im Alter zwischen zwölf und 27 Jahren zu erreichen. Angesichts der deutlich höheren Zahl von jungen Geflüchteten in Köln ein erster Schritt. „Ein solches Beratungsangebot kann auch helfen, dass Integration funktioniert. Genau solche Projekte bringen uns voran“, so Staatssekretärin Güler abschließend.

Autor: bfl
Foto: v.l.n.r.: Linda Bruchholz, Lena Voß (beide Aufwind), Staatssekretärin Serap Güler, KJA-Geschäftsführer Georg Spitzley und Bürgermeister Andreas Wolter bei der heutigen, offiziellen Eröffnung der Einrichtung.