Statt der angesetzten, bereits durchaus ansehnlichen 400.000-600.000 Euro brachte das Gemälde aus dem Jahr 1842, das sich bislang in Privatbesitz befand und seit seiner Entstehung nicht mehr öffentlich ausgestellt war, stattliche 1,6 Millionen Euro, mit Aufpreis (1,9 Mill. Euro) auch eine schöne Summe für das Kölner Auktionshaus. Dies war zugleich der höchste Preis überhaupt, der bislang in diesem Jahr bei einer Kunstauktion in Deutschland erzielt wurde!


So exotisch das Bild, so exotisch der Maler: Prinz Raden Saleh, 1811 auf Java geboren, fand 1938 in Dresden seine zweite Heimat. Fast 20 Jahre, die er später als die schönsten seines Lebens beschreiben sollte, blieb er in Deutschland, als Künstler Teil der Dresdner Spätromantik und Mitbegründer des deutschen Orientalismus, als romantischer Aristokrat gern gesehener Gast an europäischen Fürstenhöfen. Die Spuren sind noch heute kenntlich: Als enger Freund von Herzog Ernst II von Sachsen-Coburg und Gotha (1818-1893), dessen jüngerer Bruder Albert Prinzgemahl der englischen Königin Victoria wurde, bekam der „schwarze Prinz“ auch Zugang zum britischen Königshaus; einige seiner Werke hängen noch heute auf Schloss Windsor und im Buckingham Palace.

Ungeachtet der Tatsache, dass es in der javanischen Heimat des Maler-Prinzen keine Löwen gibt, war das Bild schon in seinem Entstehungsjahr ein Erfolg – und teuer. Raden Saleh, der 18-jährig aus Niederländisch-Indien (Indonesien) nach Holland gekommen war, war dort in der akademischen Malerei ausgebildet worden und hatte sich dann, statt als Kartenzeichner im Dienste der niederländischen Kolonialmacht in seine Heimat zurückzukehren, als Künstler etabliert. Der Wandel kam, als er als 28-Jähriger 1839  auf einer längeren Europareise auch nach Deutschland kam, wo er in Dresden wohl geradezu herzliche Aufnahme fand. Um 1840 verlegte sich Raden Saleh von den Seestücken und Landschaften in der Tradition der niederländischen Malerei auf orientalische Sujets, dramatische Jagdszenen und schreckenerregende Löwen. Der Kontrast zwischen dem vermeintlich wilden Orient und dem überkandidelten Westen ließ das biedermeierliche Dresden wohlig erschauern. Der Erfolg war groß, was sich auch daran ablesen lässt, dass das Werk auch mehrfach in Deutschland und England reproduziert wurde

Heute ist Raden Saleh Syarif Bustaman in Deutschland vergessen, in Indonesien aber ein Name, der Straßen schmückt. Ob der javanische Prinz tatsächlich der erste Nicht-Europäer war, der eine europäische akademische künstlerische Ausbildung erfuhr, mag dahin gestellt bleiben. Tatsächlich gilt Raden Saleh heute in Indonesien als der Begründer der modernen Malerei Indonesiens, als erster, der überhaupt im europäischen Sinne ein Künstler war.

Mehr noch: Wenn der javanische Prinz auch nicht gerade als Freiheitsheld durchgeht, so ist doch seine Familie, das Fürstenhaus Bastaman, mit dem Kampf gegen die niederländische Kolonialmacht verbunden. So verwundert es auch nicht, dass Raden Saleh’s in Indonesien bekanntestes Gemälde nicht eines seiner orientalisierenden Bilder ist, sondern „Die Gefangennahme des Prinzen Diponegro“. Das Bild zeigt die Verhaftung des javanischen Freiheitskämpfers durch die niederländische Kolonialmacht, die zugleich das für die Indonesier bittere Ende des Java-Krieges (1825-1830) bedeutete. Das Land der 17000 Inseln wurde erst über hundert Jahre später (1943) nach fast 350-jähriger portugiesischer und niederländischer Kolonialherrschaft und japanischer Besetzung im 2. Weltkrieg unabhängig. Prinz Diponegro (1785-1855) aber gilt heute als indonesischer Nationalheld; das Bild von Raden Saleh hängt im Presidential Palace Museum in Djakarta.

Diese Prominenz mag erklären, warum die Preise für Arbeiten von Raden Saleh seit einiger Zeit in die Höhe gehen. Bereits im November 2005 erzielte ebenfall beim Auktionshaus Van Ham eine „Löwenjagd“ aus dem Jahre 1840 rekordverdächtige 800.000 Euro. Damals wie heute sind es wohl ungenannte indonesische Käufer, die die Preise nach oben treiben. Keine Frage: Indonesien besinnt sich wie andere asiatische Länder auf seine Kulturgeschichte und es gibt mittlerweile genug Geld und vermögende Privatsammler, um Kunstwerke in Europa „zurückzukaufen.“.

Mit diesem zweiten fulminanten Auktionserfolg dürfte sich das Kölner Auktionshaus Van Ham endgültig als führender Marktplatz für Arbeiten des indonesischen Künstlers etabliert haben, was sicherlich wichtig ist, da bei solchen Preisen auf dem internationalen Kunstmarkt in Zukunft noch weitere Arbeiten den Weg in den Kunsthandel finden werden und sich das kleine Kölner Auktionshaus gegen die großen Namen Sotheby’s und Christie’s behaupten muss, die in der Vergangenheit schon mit Raden Saleh-Versteigerungen in Hongkong und Singapur Höchstpreise erzielt haben.

Schön wäre es, wenn der geschäftliche Erfolg mit Arbeiten des „indonesisch-deutschen“ Maler-Prinzen das Auktionshaus Van Ham auch zu einer Geste motivieren würde, die an die große Vergangenheit anschließt, in der ein unbekannter javanischer Künstler in Deutschland sein Talent entfalten konnte – vielleicht ein Köln-Stipendium für einen jungen indonesischen Künstler, um hier einige Jahre zu studieren oder zu arbeiten.  
 
Schön wäre es auch, wenn dieses neu erwachte Interesse an Raden Saleh auch dazu führen würde, wenn hierzulande endlich auch die zeitgenössische Kunstszene Indonesiens Beachtung fände. Dass es in dem mit ca. 240 Millionen Einwohnern viertgrößten Land der Welt überhaupt eine Kunstszene gibt, ist ja hierzulande so gut wie unbekannt.
Zeitgenössische indonesische Künstler waren bislang so gut wie noch nie in Deutschland zu sehen. Eine Ausnahme bildete 2007 die von dem Koreaner Wonil Rhee kuratierte Gruppenausstellung „Neue Asiatische Kunst. Thermocline of Art“ im ZMK Karlsruhe. Vertreten waren hier die indonesischen Künstler Andry Moch, Krisna Murti, Titarubi, S. Teddy D. und Agus Suwage.

Nach dem Kölner Erfolg des Begründers der indonesischen Malerei würde man gerne auch einmal seine Erben in einer Ausstellung in Deutschland sehen. Warum nicht im Museum Ludwig in Köln?
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Infobox: Einige führende zeitgenössische indonesische Künstler
 
I Nyoman Masriadi
Der 1973 auf Bali geborene Künstler, der am Indonesian Institute of the Arts in Yogjakarta Kunst studierte und als einer der ersten die traditionellen künstlerischen Ausdrucksformen seiner balinesischen Heimat überwandt, ist heute der Darling der südostasiatischen Kunstszene. Mit seinen ironisch-grotesken, von der Straßenkultur beeinflussten Großformaten erreicht er mittlerweile Preise deutlich über 100.000 Euro.
 
Agus Suwage
Der 1959 geborene Agus Suwage, der heute in der 500.000-Einwohner-Universitätsstadt Jogjakarta auf Java gilt als einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler Indonesiens. Nach einem Studium in Kommunikationsdesign am Bandung Institute of Technology (http://www.itb.ac.id/) arbeitete er zunächst als Grafikdesigner und macht sich dann mit einer eigenen Agentur in der Hauptstadt Djakarta selbstständig. Erst zehn Jahre später schaffte er den Sprung in’s freie Künstlertum.

Eine lange Liste von Ausstellungen in Indonesien und anderen asiatischen Ländern wurde 2009 durch eine große Retrospektive im Jogja National Museum gekrönt, die 25 Jahre seines künstlerischen Schaffens umfasste, und auch auch in einer 670-Seiten-Monographie („Still Crazy After All These Years“ (ISBN:  9789792690293) dokumentiert wurde.
In Europa wurde Avus Suwage in der Avanthay Contemporary Gallery in Zürich gezeigt. Soeben hatte der Künstler in der Tyler Rollins Fine Art Gallery in New York seine erste Einzelausstellung in den USA.
www.agusuwage.com

FX Harsono
Der 1949 geborene Indonesier chinesischer Herkunft wuchs in Ostjava auf, wo schon sein Vater als Photograph tätig war. Schon als Kunststudent rebellierte er gegen verkrustete Strukturen und gründete mit einigen Mitstudenten die „Neue Kunstbewegung“ Gerakan Seni Rupa Baru. Vier Jahrzehnte lang war Harsono eine kritische Stimme gegen politische und soziale Unterdrückung, seit dem Fall von Suharto 1998 beschäftigt sich der Konzeptkünstler mit seinen Installationen und anderen Arbeiten heute mehr mit Fragen der Identität.
www.fxharsono.com

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