Essen/Berlin | Die Krise auf dem Zeitungsmarkt setzt sich fort: Die Lokalredaktionen der traditionsreichen Tageszeitung „Westfälische Rundschau“ werden geschlossen. 120 Redakteure und Redaktionsmitarbeiter, die bislang für die 24 Lokalausgaben der Zeitung gearbeitet haben, verlieren ihren Job, wie die WAZ-Mediengruppe am Dienstag in Essen mitteilte. Der Titel soll erhalten bleiben, die Inhalte kommen künftig sowohl von anderen Zeitungen der WAZ-Gruppe als auch von der Konkurrenz. Der Deutsche Journalistenverband in NRW (DJV-NRW) zeigte sich entsetzt und sprach von einem „Desaster“ und einem „erneuten Kahlschlag“.

Die „Westfälische Rundschau“ habe „seit vielen Jahren Verluste in Millionenhöhe“ hinnehmen müssen, sagte der Geschäftsführer der Mediengruppe, Manfred Braun, laut Pressemitteilung. Und WAZ-Geschäftsführer Thomas Ziegler ergänzte: „Angesichts des anhaltenden Anzeigen- und Auflagenrückgangs und der schlechten Geschäftsaussichten für das laufende Jahr mussten wir jetzt handeln.“ Die Mediengruppe sprach von einer „Sanierung“ des Blattes.

Die Berichterstattung für die „Westfälische Rundschau“ werde ab Anfang Februar von anderen Verlagen sowie Zeitungen der WAZ-Mediengruppe beigesteuert. Demnach kommen die Mantelthemen komplett von Content-Desk der WAZ-Mediengruppe. Die lokale Berichterstattung werde künftig von der zur WAZ-Gruppe gehörenden „Westfalenpost“ geliefert, aber von Konkurrenz-Zeitungen aus den Verlagen Rubens und Lensing-Wolff sowie dem Märkischen Zeitungsverlag, der zur Verlagsgruppe Ippen gehört.

Den gekündigten Mitarbeitern sollen den Angaben zufolge frei werdende Stellen in der WAZ-Gruppe in Nordrhein-Westfalen bevorzugt angeboten werden. Außerdem gebe es einen Sozialplan. „Wir wissen, dass das für die Betroffenen und ihre Familien sehr hart ist, aber wir sehen im Interesse des gesamten Unternehmens leider keine andere Möglichkeit“, sagte Geschäftsführer Braun.

Schwall-Düren: „Schwerer Schlag für Zeitungslandschaft“

Die Medien-Ministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) bezeichnete die Schließung der Lokalredaktionen als „schweren Schlag für die Zeitungslandschaft in Nordrhein-Westfalen“. Der Verlust wiege schwer, weil ein Stück journalistischer Vielfalt verloren gehe.

Der DVJ-NRW kritisierte die Schließung der Redaktionen scharf. Der Landesvorsitzende Helmut Dahlmann sagte: „Hier wird eine Medienkrise für einen weiteren Kahlschlag in der nordrhein-westfälischen Medienszene genutzt.“ Wie ein „leeres Gefäß“ solle die „Westfälische Rundschau“ mit den Inhalten anderer Verlage gefüllt werden. Als „Zynismus pur“ bezeichnete der NRW-Landesvorsitzende des DGB, Andreas Meyer-Lauber, die Entscheidung der WAZ-Gruppe. „Eine Zeitung ohne Redaktion ist keine Zeitung.“

Auch die Gewerkschaft ver.di kritisierte die Entscheidung als „fragwürdig und nicht nachvollziehbar“. Der Inhalt der Konkurrenz müsse teuer bezahlt werden, während die WAZ-Mediengruppe eine Stimme verliere, die in der Region von Gewicht sei“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Frank Werneke. „Durch die Übernahme von Inhalten aus anderen Häusern wird der journalistischen Vielfalt gerade im regionalen Bereich ein weiterer schwerer Schlag versetzt.“ Die „publizistische Mutlosigkeit“ sei „fatal“. Der Konzern sei keineswegs ein Sanierungsfall.

Die „Westfälische Rundschau“ gibt es seit 1946. Die traditionsreiche Tageszeitung erscheint im südlichen Westfalen und im östlichen Ruhrgebiet. Weitere WAZ-Titel in Nordrhein-Westfalen sind die „Westfalenpost“, die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und die „Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung“.

Der Zeitungsmarkt befindet sich in einer Krise. Bereits im November hatte die „Frankfurter Rundschau“ Insolvenz angemeldet. Gruner + Jahr stellte im Dezember die „Financial Times Deutschland“ ein, betroffen waren rund 300 Mitarbeiter aus der Gemeinschaftsredaktion der Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien.

Autor: Tatjana Schäfer und Michael Bosse, dapd