Berlin | Union und SPD wollen einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck suchen. Das vereinbarten laut eines Berichts des „Spiegel“ Bundeskanzlerin Angela Merkel, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer bei einem Treffen am vorvergangenen Sonntag. Bei einem ersten Kandidaten habe sich die Koalition bereits eine Abfuhr geholt. Führende Politiker bei der SPD bringen Steinmeier ins Gespräch und der Ministerpräsident Kretschmann will im Ländle bleiben. Die Frage, wer wird nächster Bundespräsident flammt an diesem Wochenende besonders intensiv auf.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, habe es abgelehnt, als Bundespräsident zu kandidieren, berichtet das Magazin weiter. Er wolle weiter sein Amt in Karlsruhe ausüben, auch aus familiären Gründen, teilte er demnach SPD-Chef Sigmar Gabriel mit. Voßkuhle hatte im Jahr 2012 bereits Kanzlerin Angela Merkel einen Korb gegeben, die ihn als Nachfolger des zurückgetretenen Präsidenten Christian Wulff vorschlagen wollte.

Zugleich warnte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) davor, bei der Präsidentenwahl einen rot-rot-grünen Kandidaten zu nominieren. „Wir brauchen in Zeiten, in denen die AfD von Sieg zu Sieg eilt, einen Kandidaten, der weit über jedes Spektrum hinaus Akzeptanz findet“, sagte er dem „Spiegel“. Gesucht werde eine „kluge, weltoffene, moderne und konservative Persönlichkeit“.

Führende SPD-Politiker wollen Steinmeier als Gauck-Nachfolger

Führende Sozialdemokraten plädieren für eine Wahl von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte die Unionsparteien auf, sich für Steinmeier stark zu machen: „Frank-Walter Steinmeier wäre ein hervorragender Bundespräsident“, sagte Kahrs der „Welt“. Er sei „politisch erfahren, weltweit vernetzt und sehr beliebt“.

Kahrs sprach sich dafür aus, den Bundesaußenminister mit den Stimmen von CDU und CSU ins höchste Staatsamt zu wählen: „Frau Merkel und die Union sollten über ihren Schatten springen und sich mit uns für eine Nominierung Steinmeiers stark machen.“ Bei der Wahl gehe es „nicht um Parteiinteressen, sondern um den Besten fürs Land“. Das sei Steinmeier.

Der frühere SPD-Chef Engholm rief die Parteien auf, einen Kandidaten ohne eigene strategische Intentionen auszuwählen. „Die demokratischen Parteien sollten den nächsten Bundespräsidenten jenseits von Parteikalkül auswählen“, sagte Engholm. „Wer einen Kandidaten für das Amt nur aussucht, um damit als Partei vor der Bundestagswahl zu punkten, schürt damit nur Politikverdrossenheit.“

Bundespräsident Gauck habe Maßstäbe gesetzt, sagte Engholm. Sein Nachfolger „sollte Verstand besitzen, mehr noch, vernunftbegabt sein, unsere europäischen Wertvorstellungen repräsentieren, der Empathie fähig und der Kultur zugeneigt. Er sollte eine Vorstellung davon haben, wo unser Land eines Tages stehen sollte.“

Nach Ansicht des früheren SPD-Vorsitzenden wäre neben Steinmeier auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) als „eigenständiger Kopf“ für die Nachfolge Gaucks geeignet. Beide besäßen Vernunft und Verstand, „sie sind eigenständige Köpfe“, sagte Engholm. „Beide handeln weder parteilich noch dogmatisch. Steinmeier könnte das Amt des Bundespräsidenten hervorragend ausfüllen, Lammert ebenso.“ Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Engholm sieht Richard von Weizsäcker als „Inbegriff eines hervorragenden Bundespräsidenten“. Von Weizsäcker habe einem hohen Verstand und Vernunft besessen und sei „wertorientiert und ein Mann der Kultur“ gewesen. So eine Figur müsse man wieder finden.

Kretschmann strebt Bundespräsidentenamt nicht an

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat Spekulationen um Ambitionen zum Amt des Bundespräsidenten dementiert: „Ich strebe dieses Amt nicht an“, sagte Kretschmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Man sollte „nicht dauernd nach Höherem streben“, sagte Kretschmann. „Wenn man nach höheren Ämtern strebt, kriegt man sie meistens nicht. Und wenn man sie kriegt, wird oft nichts draus.“ Der Regierungschef der bundesweit ersten grün-schwarzen Länderkoalition mahnte die Politik angesichts des Erstarkens der AfD zu gegenseitigem Respekt: „Die demokratischen Parteien können hart in der Sache streiten, aber müssen respektvoll miteinander umgehen. Das unterscheidet uns von der AfD, die diesen Respekt völlig vermissen lässt“, sagte Kretschmann.

Die Gesellschaft dürfe keine Respektlosigkeiten zulassen: „Wir müssen uns den bösen Dingen erwehren, wenn sie beginnen. Nicht erst, wenn sie groß sind“, sagte Kretschmann. Trotz der aktuellen Stärke der AfD repräsentiere die Partei nicht die Mitte der Gesellschaft.

„Die AfD ist eine Protestpartei mit starkem Drall nach rechts. Entscheidend ist nun, dass wir Demokraten nicht mit ihnen zusammenarbeiten.“ Politik müsse einen Mittelweg finden „zwischen der Verrohung der Sprache in den Netzen und einer übertriebenen Political Correctness, bei der die Leute nicht mehr wissen, was man meint. Wir müssen Dinge offen ansprechen, aber auch den Respekt wahren“, sagte Kretschmann.

Autor: dts
Foto: Fahrzeug mit Stander und Flagge des Bundespräsidenten