Berlin | Das Bundesamt für Verfassungsschutz gerät wegen seines früheren Spitzels „Corelli“ weiter unter Druck: Wie das „rbb-Inforadio“ unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, wurden mehrere Handys, die der V-Mann zwischen 2007 und 2011 benutzt hat, bisher nicht – oder zumindest nicht vollständig – ausgewertet. Damit stelle sich die Frage möglicherweise neu, ob „Corelli“ doch Verbindungen zum NSU-Trio gehabt haben könnte. „Corelli“ war über fast zwei Jahrzehnte einer der Top-Spitzel des Verfassungsschutzes in der rechtsextremistischen Szene, bis er 2012 enttarnt wurde.

Zwei Jahre später war er verstorben. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in einem Zeugenschutzprogramm, ausgestattet mit einer neuen Identität. Die Umstände seines Todes und die Frage, ob er Verbindungen zum NSU gehabt hat, waren von einem Sonderermittler des Bundestages untersucht worden, dem ehemaligen Grünen Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag.

Montag hatte seinerzeit keinen Hinweis auf Verbindungen zwischen „Corelli“ und dem NSU-Trio gefunden, nachdem Beate Z., Uwe M. und Uwe B. in den Untergrund gegangen waren. Seinen Bericht hatte er vor einem Jahr vorgelegt. Mittlerweile ist jedoch klar, dass Montag nicht Zugang zu allen Informationen hatte: Ende Mai waren im Bundesamt für Verfassungsschutz ein Handy und fünf SIM-Karten aufgetaucht, die „Corelli“ benutzt hatte – allerdings erst nach seiner Enttarnung und als es das NSU-Trio bereits nicht mehr gab.

Sie werden zur Zeit beim Bundeskriminalamt ausgewertet. Der Bundestag hatte daraufhin seinen Sonderermittler Montag wieder eingesetzt. Auch das Bundesinnenministerium hatte einen eigenen Ermittler zum Bundesamt für Verfassungsschutz geschickt.

Die Untersuchungen laufen noch und sie erhalten aufgrund der neuesten Erkenntnisse zusätzliche Brisanz, berichtet das „rbb-Inforadio“ weiter. Die Handys, um die es nun geht, und auf denen sich offenbar noch Daten befinden, die nicht ausgewertet worden sind, wurden demnach von „Corelli“ in dem Zeitraum genutzt, als das NSU-Trio bereits im Untergrund war.

Die Stimmen aus der Politik

FDP-Vize Kubicki für Entlassung von Verfassungsschutz-Chef Maaßen

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, zu entlassen: „Seine mangelnde Professionalität wird zur Belastung des Amtes. Er sollte gehen oder entlassen werden“, sagte Kubicki dem „Tagesspiegel“ (Donnerstagsausgabe). Kubicki reagierte damit auf einen Bericht des „rbb-Inforadios“, wonach mehrere Handys des V-Manns „Corelli“ von den Verfassungsschützern bisher nicht oder zumindest nicht vollständig ausgewertet wurden.

Kubicki kritisierte weiter, es sei nicht nur peinlich, sondern zeuge auch von unglaublicher Schlamperei, dass weitere Handys „aufgetaucht“ seien, die den V-Mann „Corelli“ doch noch mit dem NSU-Trio in Verbindung bringen könnten. „Corelli“ spitzelte für den Verfassungsschutz jahrelang in der rechtsextremen Szene. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages versucht zu klären, ob „Corelli“ Verbindungen zum NSU-Trio gehabt haben könnte.

SPD-Politiker Lischka: Maaßen trägt für „Corelli“-Affäre Verantwortung

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, hat Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen für die jüngsten Pannen um den gestorbenen V-Mann „Corelli“ verantwortlich gemacht. „Wäre von Anfang an sorgfältiger gearbeitet worden, dann hätten wir heute diese Probleme nicht“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Online-Ausgabe). „Dafür ist auch Herr Maaßen verantwortlich. Er hat nicht mit dem nötigen Engagement und Nachdruck auf Aufklärung gedrungen. Die Frage ist außerdem: Was kommt als Nächstes?“ Zuletzt waren im Verfassungsschutz völlig überraschend ein Handy und fünf SIM-Karten des Informanten aufgetaucht. Das Mobiltelefon lagerte dabei über mehrere Jahre offenbar unbeachtet in einem Panzerschrank, ehe es im Juli 2015 bei einem Bürowechsel gefunden wurde.

Pau: Maaßen behindert Aufklärung des NSU-Terrors

Die Obfrau der Linksfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) wirft Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen vor, die Aufklärung des Rechtsterrorismus zu behindern. „Für dieses Chaos trägt Herr Maaßen die Verantwortung und nicht irgendein V-Mann-Führer“, sagte sie der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online-Ausgabe) angesichts der neuesten Erkenntnisse im Fall „Corelli“. Mit Blick auf jüngste Äußerungen Maaßens im NSA-Untersuchungsausschuss, wonach das Parlament durch seine Aufklärungsarbeit den Verfassungsschutz behindere, fügte Pau hinzu: „Maaßen behindert den Bundestag bei der Terror-Aufklärung, insbesondere bei der Aufklärung des NSU-Terrors.“

Autor: dts
Foto: Der Verfassungsschutz kommt in der Affäre „Corelli“ unter Druck