Chorweiler wird von den riesigen Wohnblocks geprägt. Symbolbild: Bopp (Archiv)

Köln Im Norden Kölns entstand in den 60er und 70er Jahren ein städtebauliches Vorzeigeprojekt – die “Neue Stadt” in Chorweiler. Den Anstoß zum Projekt gab es schon unter Oberbürgermeister Konrad Adenauer in den 1920er Jahren und seinem Stadtbaumeister Fritz Schumacher. Damals wurden bäuerlich geprägte Ländereien im linksrheinischen Norden eingemeindet, um Landreserven für die Zukunft anzulegen.

Gebaut wurde aber erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Wohnraum im zerstörten Köln ein äußerst knappes Gut war. So entstehen in den 50er Jahren Großsiedlungen wie Mengenich, Buchheim, Vingst oder Ostheim. 1957 wird die “Neue Stadt Chorweiler” ausgerufen. In den 60ern wachsen die Wohngebiete in Seeberg, Heimersdorf und Volkhoven aus dem Acker. In Chorweiler selbst wird das Zentrum ab 1970 gebaut. Dort entstehen bis zu 24-stöckige Wohnblocks mit rund 6200 Wohnungen.

Zunächst gab die „Neue Stadt“ Anlass zur Hoffnung

Die Infrastruktur mit dem City-Center, Parkhäusern, Schulen, Kindergärten und Altenzentren wächst mit. Dazu gehören außerdem Spiel- und Sportplätze sowie ab 1991 das Spaßbad “Aqualand”. Zunächst scheint in der ersten Plattenbausiedlung NRWs alles optimal zu laufen. Die Eingangsbereiche der Wohnhäuser sind gepflegt, genauso wie die Flure. Wer ins Haus will, muss zunächst einen Pförtner passieren.

Doch schnell zeigen sich Risse in der perfekten “Neuen Stadt”. Bereits zu Beginn der 80er Jahre stehen dort viele Wohnungen leer. Der Mittelstand bevorzugt Einfamilienhäuser im Grünen oder frisch sanierte Altbauten in der City. In Chorweiler bleiben nur die Menschen, die keine höheren Mieten zahlen können. Der Stadtteil wird von einem geografischen zu einem sozialen Randgebiet und bald auch zum Problemviertel.

Dazu kommt, dass der gewerkschaftliche Wohnungsbaukonzern Neue Heimat, der mit der Gesamtplanung und dem Bau des neuen Stadtteils betraut worden war, in den 80er Jahren dank Korruption und Missmanagement vor die Wand gefahren und schließlich abgewickelt wird. Die Folgen für Chorweiler sind verheerend. Jetzt über nehmen die “Heuschrecken” viele Wohnhäuser, die zu reinen Spekulationsobjekten verkommen.

Die Wohnhochhäuser im Zentrum der „Neuen Stadt“ in Chorweiler entstanden ab 1970. Archivfoto: Bopp

“Im Stadtteil wird Monopoly gespielt”, schreibt Autor Bernd Imgrund in seinem neuen Buch über Chorweiler, das gerade im Greven-Verlag erschienen ist. So gehen im Jahr 1998 rund 1200 Wohnungen an die norddeutsche Unternehmerin Marietta Bergstedt, die auch in Porz-Finkenberg im großen Stil Wohnraum aufkauft. Schon drei Jahre später wackelt ihr Imperium und geht schließlich 2005 bankrott. In die Instandhaltung der Häuser investiert die neue Besitzerin nichts, dafür kassiert sie rund vier Millionen Euro Miete. Trotzdem ist sie überfordert und kommt an ihre Grenzen.

„Monopoly in Chorweiler“

Somit beginnt für die immer mehr dem Verfall preisgegebenen Wohnungen an der Osloer und an der Florenzer Straße die nächste Spielrunde beim Monopoly. Dass es am Ende nicht wieder zum Sieg der Spekulanten kommt, verdanken der Stadtteil und seine Bewohner den Plänen der Stadt, den Bestand selbst zu erwerben. Doch es war ein langer und ziemlich schwieriger Weg, bei dem ein zweistelliger Millionenbetrag gegen viele Widerstände bewegt werden musste, um die Sache ins Rollen zu bringen. “Juristische Winkelzüge waren notwendig, um jeweils in die nächste Ecke zu kommen”, schreibt Imgrund. Doch 17 Jahre nach der Einleitung der Zwangsverwaltung der Wohnblocks war das letzte Urteil gefällt und die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG wurde neue Eigentümerin der Hochhäuser, die bis 2028 vollständig saniert werden sollen.

“Ablauf und Verfahren dieses Ankaufs sind in dieser Größenordnung einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik. Zum ersten Mal ist es einer Kommune gelungen, in der Wohnungswirtschaft ein derart kapitales Projekt zu stemmen. Es könnte als Vorbild dafür dienen, wie man sozialen Wohnungsbau wirklich sozial verwaltet und unter schwierigen Bedingungen menschenwürdigen Wohnraum erhält”, schreibt der Autor, der in seinem spannenden Buch die Vorgänge minutiös aufarbeitet und nachzeichnet. Dabei kommen auch zahlreiche Zeitzeugen wie der Zwangsverwalter Christian Daglianakis oder der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der GAG, Jochen Ott (SPD), ausführlich zu Wort.

Bernd Imgrund: 1211 Wohnungen – wie Chorweiler vor den Heuschrecken gerettet wurde, Greven-Verlag, 96 Seiten, 16 Euro