Essen | Seine Welt sind eigentlich die Spiele. Viele bekannte Computerspiele wie „Die Siedler“ oder „Das Moorhuhn“ hat Ralf Marczinczik entworfen. Doch nun hat er sich eine neue Aufgabe gesetzt: Er will die Geschichte des Ruhrgebiets in einem Comic erzählen – die wahre Geschichte, wie er sagt.

Seine Hände fliegen über das weiße Papier. Er setzt kaum den Stift auf und aus wenigen feinen Strichen entsteht ein Bild. Aus zwei großen Fenstern fällt Licht auf seine Schreibtischlandschaft, wo sich Entwürfe, zwei große Bildschirme und unzählige Sammelfiguren aus der Comicwelt den Platz teilen.

Grafiken für Spiele entwickelt

„Zeichnend konnte ich meine Gedanken schon immer am Besten bündeln. Andere schreiben Tagebücher, ich setze mich an einen Schreibtisch“, sagt der 45-jährige. Sein Geld verdient er seit den 1990er Jahren mit der Erstellung von Grafiken für neue Spiele. „Es ist wirklich unglaublich, welche Entwicklung die Branche in den letzten Jahren erfahren hat“, sagt er. Die Technik sei heute in der Lage, die kühnsten Fantasien der Grafiker aus den 90er Jahren mit wenigen Klicks möglich zu machen.

Doch diese Erfahrungen scheinen ihn nicht mehr ganz auszufüllen. Neben seiner regulären Arbeit zum Lebensunterhalt arbeitet der Bochumer seit einiger Zeit an einem neuen Projekt. Er möchte sein zeichnerisches Talent nutzen, um die Geschichte der Bergarbeiter im Ruhrgebiet zu erzählen.

„Was weiß man denn schon über diese Zeit? Alles, was wir in den Museen sehen, ist so schrecklich romantisiert“, kritisiert Marczinczik. Er wolle in seinem Comic „Weiße Lügen“ zeigen, wie rau die Sitten, wie hart der Alltag in Wahrheit gewesen seien.

Der Held seiner Geschichte ist ein kleiner Junge, der bereits mit elf Jahren auf einer Zeche schuften muss und die Welt aufgrund seiner mangelnden Schulbildung mit völlig unerfahrenen Augen betrachtet. „Die Geschichte verschweigt die wirklichen Arbeitsbedingungen gerne, da möchte ich kreativ ansetzen“, sagt der 45-jährige.

Hoffnung auf künstlerische Wertschätzung

Die ersten Seiten des Werks sind bereits auf Marczincziks Internetseite (comixfactory.de) zu sehen. Etwa 250 Seiten soll sein fertiges Buch einmal haben. Und er hofft, dass sich seine Arbeit dann auch gelohnt hat, sein Werk wertgeschätzt wird. Deshalb nennt er das, was er herstellt, auch nicht Comic, sondern Graphic Novel. Denn Comic bedeute für viele, dass es sich um ein paar preiswert produzierte Seiten mit mauen Kindergeschichten handele. Graphic Novels hätten hingegen schon Pulitzer Preise gewonnen, betont Marczinczik. „Und das völlig zu Recht, da sie erzählerisch und grafisch wirklich herausragend waren. Und das soll mein 250-Seiten-Werk schließlich auch sein.“

Autor: Emily Jeuckens, dapd | Foto: Tim Schulz/dapd
Foto: Comic-Zeichner Ralf Marczinczik arbeitet an einer Comic-Geschichte über das Ruhrgebiet