Das Pressefoto der Autobahn GmbH zeigt das Autobahnkreuz Köln-Süd mit der A4 und der A555.

Köln | Die A 555 verbindet die rheinischen Städte Köln und Bonn am 6. August seit 90 Jahren. Das ist nüchterner Fakt. Am 6. August 1932 fand die öffentliche Einweihung der „Kraftwagenstraße“ statt. 5.540 Arbeitslose bauen die erste Autobahn Deutschlands in Handarbeit. Die Initiatoren waren nicht die Nationalsozialisten, die später die Idee der kreuzungsfreien Autostraße für ihre Nazi-Propaganda nutzten, sondern Kölns damaliger Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der ein Anschlussprojekt nach der Fertigstellung des Kölner Grüngürtels suchte.

Die rund 20 Kilometer lange „Kraftwagenstraße“ initiierte Autonarr Konrad Adenauer, Oberbürgermeister der Stadt Köln, Wilhelm Lürken, Bonner Oberbürgermeister und Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz und damit der ranghöchste Beamte der Provinzialverwaltung. Die Idee hinter der neuen „Kraftwagenstraße“: „volle Entfaltung der raumüberwindenen Kraft des Kraftfahrzeugs bei größtmöglicher Betriebswirtschaft“. Adenauer stieß vor allem das Projekt an, da er nach der Vollendung des Kölner Grüngürtels ein Anschlussprojekt zur Arbeitsbeschaffung im Kölner Raum suchte.

Berlin steuerte die Hälfte der Baukosten von 8,6 Millionen Reichsmark, umgerechnet rund 31 Millionen Euro bei. Die Fördermittel wurden unter dem Stichwort „Notstandsarbeit“ eingeworben und die 5.540 Erwerbslosen, die die Straße bauten erhielten den Lohn aus der Erwerbslosenfürsorge. Wer sich weigerte erhielt kein Geld mehr. Damit die Arbeiter möglichst lange beschäftigt sind wird die Straße in Handarbeit gebaut. Bagger und Förderbänder sind verboten, die Männer müssen Loren schieben. Eine echt harte Arbeit. Der Bau begann im Oktober 1929, der im Provinziallandtag 1926 beschlossen wurde. Auch die Routenführung abseits der Ortschaften und der neue Straßentyp mit folgenden Merkmalen wurde festgelegt: Exklusiv für Kraftwagen, kreuzungsfreie Führung, Anbaufreiheit und Richtungsfahrbahnen mit Überholmöglichkeit. Festgehalten wurde dies einer extra dafür geschaffenen Polizeiverordnung.

Neue Regeln für die neue Straße

Adenauer spricht bei der Eröffnung davon, dass so die Straßen der Zukunft aussehen werden. Nachdem das Band durchschnitten ist fahren die ersten Fahrzeuge von Köln nach Bonn. Der ADAC organisierte eine Sternfahrt mit rund 2.000 Teilnehmer:innen. Die Teilnahmegebühr liegt bei 5 Reichsmark und es gibt als Erinnerung eine Zielfahrt-Plakette. Am 8. August wird die Straße für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Rund 4.000 Fahrzeuge nutzen die Strecke zu Beginn. Es gibt eine Zu- und Abfahrt bei Wesseling.

Es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Verboten sind: Das Halten, Parken, Wenden oder dass „Treiben von Tieren oder das Befahren mit Pferdefuhrwerken, Fahr- oder Krafträdern.“ Den Ausschluss von Motorrädern wird heftig vom ADAC kritisiert. In Köln und Bonn schließen große und die heute noch erhaltenden Kreisverkehre die neue „Kraftwagenstraße“ an – der Verteilerkreis Süd.

Es gab auch kritische Stimmen und schwere Unfälle

Wenig begeistert zeigten sich die Mitglieder des Golf- und Landclubs Köln, die fünf Löcher abgeben mussten und daher später nach Refrath umzogen. 64 Hektar Land wurden erworben und versiegelt. 13 Enteignungen wurden angeordnet. In der Gemeinde Urfeld, die zu Wesseling gehört, werden die Felder der Bauern durchschnitten.

Anders als die heutigen Autobahnen mit Mittelschrammwand waren die Fahrspuren nur durch eine Mittelmarkierung getrennt. Es kommt zu Unfällen im Gegenverkehr. Schon 1934 wird an der Straße, die aus Basaltsteinen und Kalkstein gebaut ist zu Sanierungsmaßnahmen. Eine zwei Zentimeter dicke Teerschicht wird aufgetragen, um den Fahrkomfort zu verbessern.

Autobahn wird zur Nazi-Propaganda

Die 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten entziehen der „Kraftwagenstraße“ ihren Status und machen sie zur Landstraße 185. Fritz Todt, Generalinspektor für den Bau von Reichsautobahnen, lobt die Provinzialregierung: „Wenn das junge nationalsozialistische Deutschland etwas übernehmen solle, was in den vergangenen Jahren entstanden sei, so habe es die Pflicht, sorgsamst zu prüfen, ob es auch in die heutige Zeit hineinpasse. Von der Kraftwagenstraße könne man erfreulich sagen: Wir übernehmen sie gerne und begeistert, denn sie passt zu uns.“ Es ist eines der Narrative der Nationalsozialisten die Adolf Hitler zum Erfinder und Ideengeber der „zügigen und kreuzungsfreien“ Straßen macht und sie als „Straßen des Führers“ propagandistisch nutzt. Sie werden die „Köln/Bonner“ im Jahr 1940/41 an das überörtliche Autobahnnetz mit dem Autobahnkreuz Köln-Süd anschließen.

Rennstrecke nach dem Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Köln-Bonner-Verbindung am 29. Und 30. Mai 1948 für Auto- und Motorradrennen genutzt. Der „Kölner Kurs“ findet statt. 300 Fahrer gehen in 16 Klassen auf Motorrädern und in Autos an den Start. Es kam zu einer zweiten Auflage im Jahr 1949, die das Ende der Veranstaltung durch den Kölner Club für Motorsport bedeutete, denn die rund 100.000 Zuschauer mogelten sich ohne Tickets an die Strecke.

Am 1. April 1958 wird die „Kraftwagenstraße“ als A 72 ins deutsche Autobahnnetz aufgenommen. Sie bekommt einen Spitznamen: Die Diplomatenrennbahn. Denn zwischen der neuen Hauptstadt Bonn und der größten Stadt des Rheinlands rasen die Diplomaten und Politiker ohne Tempolimit hin und her. Seit Juni 1974 trägt der Asphalt die Bezeichnung A 555. Nötig wurde die Umbennenung durch die bundeseinheitlich eingeführte Systematik, die Autobahnen in ein-, zwei- und dreistellige Zahlen für bundesweite, landesweite und regionale Verbindungen und gerade Zahlen für Ost-West- und ungerade für Nord-Süd-Streckenführung änderte. Erst 2004 kommen die ersten Tempolimits mit 80 und 100 km/h aus Lärmschutzgründen. Mitte der 1960er Jahre wird die Autobahn sechsstreifig ausgebaut.

Es folgen Verkehrsversuche und der TÜV Rheinland legt auf der ehemaligen Tank- und Rastanlage Eichenkamp sein Fahrtsicherheitszentrum an. Zwischen Godorf und Wesseling wurde die Autobahn nachts beleuchtet. Die Lampen werden aus Kostengründen 2009 abgeschaltet. In den 1990er Jahren wird am Eichenkamp die automatische Mauterfassung erprobt.

Heute

Und heute: Die Autobahn GmbH zählte 2019 zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Süd und der Anschlussstelle Rodenkirchen täglich mehr als 100.000 Fahrzeuge. Und es kommt neuer Asphalt, der lärmarm ist.

Das Pressefoto der Autobahn GmbH zeigt einen Teil des alten Asphaltes der „Kraftwagenstraße“ die Köln und Bonn verbindet.

Kurz hinter dem Verteilerkreis Süd findet sich noch heute ein kurzes Stück der alten Fahrbahn der Bonner Landstraße zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen, gesäumt von Platanen. Die A555 ist aber nicht nur Deutschlands erste Autobahn, sondern sogar von Europa. Denn die Berliner Avus wurde zwar schon 1921 in Betrieb genommen, war aber vor allem Renn- und Teststrecke und sie war gebührenpflichtig. Anders als die Köln-Bonner neue „Kraftwagenstraße“.