Köln | Ehrenfelder kennen diese Zustände schon lange. Keine Nacht vergeht, in denen nicht lautstarke Parties gefeiert werden, die bis in die frühen Morgenstunden dauern. Täglich grillt ein anderer auf dem Balkon oder wirft im Innenhof auch noch bei über 30 Grad die Feuerschale an und raucht die Nachbarn damit zu. Auch auf den Straßen wird gegrillt, was das Zeug hält oder lautstark gefeiert. Stadt Köln, Bezirksbürgermeister und das Ordnungsamt der Stadt Köln interessiert das wenig, man verbindet damit Urbanität, auch dort wo zum Großteil nur Wohnbebauung ist. Jetzt eskalierte, wie die Kölner Polizei berichtet, eine Party in der Nacht von Freitag auf Samstag in Ehrenfeld und die Beamten rückten mit 18 Streifenwagen an. Vier Gäste der privaten Veranstaltung wurden in Gewahrsam genommen. Beamte mit Bierflaschen beworfen, zwei leicht verletzt.

Anwohner in Ehrenfeld klagen schon lange über das immer rücksichtslosere Verhalten einiger weniger, die zumindest jedes Wochenende Parties direkt auf den kleinen Straßen oder bei weit geöffneten Fenster in ihren Wohnungen feiern und damit ganze Straßenzüge oder Innenhöfe beschallen. Und dass, obwohl es an wenigen Tagen legitim ist, etwa beim Ehrenfeld Hopping. Dazu kommt, dass selbst im Hochsommer in den Innenhöfen, aber auch offen auf der Straße gegrillt oder die Feuerschale zumeist am Wochenende täglich angeworfen wird. Zustände, die einem harmonischen Miteinander entgegenstehen und für Menschen, die dorthin zogen, um zu Wohnen – denn es handelt sich dabei zum Großteil um Wohnviertel – vor allem im Sommer immer mehr zum Graus werden. Aber den vielen Touristen, die die Stadt Köln durch Initiativen wie urban cgn zusätzlich in die Wohnviertel holt, soll dies wohl Urban Lifestyle vermitteln.

Party eskaliert

Die Party, die jetzt in Ehrenfeld eskalierte, fand in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni in der Äußeren Kanalstraße statt. Anwohner hatten gegen Mitternacht die Polizei informiert. Die spricht von rund 80 Partygästen in einer Wohnung. Die Beamten baten die Gäste und den 28-jährigen Gastgeber sich an der Nachtruhe zu orientieren und drohten für einen erneuten Einsatz an, die Feier aufzulösen.

Um 2:30 Uhr wurden die Polizisten erneut vor Ort gerufen. Schon auf der Straße war der Lärm eindeutig zu hören, beschreibt die Polizei die Situation. Jetzt forderten die Beamten den Gastgeber auf, die Party zu beenden und die Gäste zu bitten, die Wohnung zu verlassen. Einige Gäste folgten der Aufforderung, allerdings widerwillig, so beschreibt es die Polizei. 20 Personen weigerten sich.

Die Beamten forderten Verstärkung an – am Ende standen 18 Polizeifahrzeuge vor dem Haus in der Äußeren Kanalstraße. Ein 31-jähriger Mann sollte in Gewahrsam genommen werden, da er sich besonders uneinsichtig und renitent verhielt. 50 Personen solidarisierten sich in dieser Situation mit dem 31-Jährigen und behinderten die polizeilichen Maßnahmen. Auf die Beamten wurde aus der Gruppe mit Bierflaschen geworfen. Die Polizisten identifizierten eine 26-Jährige als Werferin und nahmen sie und einen weiteren 41-Jährigen fest, der aus der Wohnung mit einer Flasche auf die Beamten geworfen hatte. Eine 27-Jährige wehrte sich so heftig, dass ein Teil an einem der Streifenwagen abbrach. Vier Personen wurden in Gewahrsam genommen, zwei Polizeibeamte leicht verletzt. Die Polizei stellte gegen die Beteiligten Strafanzeige wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung.

Warum ist es so schwer ,Wohnviertel und Ausgehviertel mit unterschiedlichen Möglichkeiten zu definieren?

Der Vorfall in der Äußeren Kanalstraße ist sicherlich als besonders herausragend zu werten und passiert nicht jeden Tag. Aber auch am Lenauplatz kam es immer wieder zu Problemen und synonym für die Lärm- und Partyproblematik, für die die Stadt Köln keine adäquate Lösung, bei einem geänderten Nachtlebenverhalten findet, steht der Brüsseler Platz. Dort allerdings zwingt jetzt das Verwaltungsgerichtsurteil die Stadt Köln zum Handeln und zur Einhaltung bestehender Gesetze und Regelungen.

Es ist eben nicht das „Alles geht überall“, das ein urbanes Leben kennzeichnet. Übrigens auch nicht in den Metropolen im Süden Europas, die die Politik gerne nennt, sondern auch dort sind Ausgehviertel oder -meilen und Wohnviertel klar getrennt. Hier gilt es auch für Köln, klarere Grenzen zu definieren, diese zu kommunizieren und für deren Einhaltung zu sorgen. Und es gibt auch für ein urbanes Outdoor-Nachtleben genügend Parks, Grünflächen oder innerstädtische Bereiche in denen klar ist, dass dort auch Nachts Remidemi möglich ist und wo Anwohner und Nachbarn nicht gestört werden, weil es sie nicht gibt.

Reagieren Politik und Verwaltung nicht feinsinnig genug auf Veränderungen?

In Ehrenfeld wird seit Jahren die Clubszene systematisch zurückgedrängt: Sensor Club oder Underground sind sicher die bekanntesten Beispiele. Dafür gab und gibt es aber zunächst keinen Ersatz und gleichzeitig feiert man das Viertel weiter als hippen Ausgeh-Ort. Temporäre Veranstaltungen, wie das Ehrenfeldhopping, die einmal dafür gedacht waren, die lokale Restaurant-, Geschäfts- und Barszene zu unterstützen, haben sich weiterentwickelt. Zunehmend Ortsfremde nutzen dies wirtschaftlich, stellen Musikanlagen auf die Straße, verkaufen Cocktails bis tief in die Nacht und sind am nächsten Morgen wieder verschwunden, ohne sich um die Hinterlassenschaften ihrer nächtlichen Aktivitäten gekümmert zu haben. Dies gilt mittlerweile zudem für manches vom Nachbarschaftsfest zum Streetevent mutierte Straßenfest. Statt Couch für die Nachbarn besiedeln massenhaft kommerzorientierte Streetfood und alternative Designvertriebe die Straße und dienen sich als Instagrammotiv für die Alternativ-Event-Streetfood-Streetparty-Konsumenten-Hopper an, denen sich ein anderes Bild, des eigentlichen Wohnviertels vermittelt: Hey immer Party ohne Limits. Einzelne Profiteure aus den Vierteln sagen oder schreiben den eigentlichen Nachbarn dann schon gerne die Botschaft, wenn ihr nicht mit uns feiern wollt, dann fahrt doch einfach weg.

Zurückgedrängte Clubszenen, fehlende Strategien der Bezirks- und Stadtpolitik für ein Nightlife, angepasst an die sich wandelnden Bedürfnisse, touristische Aktivitäten bis tief hinein in die städtischen Wohnviertel, eine wachsende Stadt und nicht zuletzt eine falsch verstandene Liberalisierung bei Einzelevents könnten langfristig zu Fehlentwicklungen führen, die dann auch in solch herausragenden Ereignissen gipfeln, wie sie in der Nacht von Freitag auf Samstag passierten. Dabei wäre es gerade wichtig, eine Gesamtstrategie zu entwickeln mit Orten an denen Menschen feiern und Wohnvierteln in denen die Bürger leben können.

Autor: Andi Goral