Köln | Die kommende Spielzeit 2018/19 ist endgültig die letzte des Theaters der Keller in der Kleingedankstraße. Danach muss geräumt werden, hier sollen Wohnungen entstehen. Wohin es danach gehen soll, ist ungewiss. Doch Hausherr Simon Keller hat eine Idee: ein Theater auf Zeit auf dem Ebertplatz, eine „rote Box“, quasi ein kleiner Bruder des „blauen Zelts“ neben dem Hauptbahnhof.

Mit bitterem Humor informiert das Theater der Keller über seinem Eingang die anstehende Gentrifizierung.

Entscheiden müssen darüber Politik und Verwaltung. Bei allen großen Ratsparteien habe er schon angeklopft oder gar schon mit ihnen gesprochen, sagte er, als er jetzt den neuen Spielplan vorstellte. Die FDP jedenfalls ist schon bestens informiert, schließlich ist ihr Kulturausschuss-Mitglied Ulrich Wackerhagen auch Vorsitzender des „Freundeskreises Theater der Keller“.

Keller und seine neue Dramaturgin Ulrike Janssen glauben, gute Argumente für ihr „rote Box“ zu haben: Sie werde „kulturelle, soziale und politische Strahlkraft“ haben. Denn der Ebertplatz ist in den letzten 20 Jahren schleichend verfallen, sorgte als Treffpunkt für Dealer und durch einen Mord für Negativ-Schlagzeilen. Seitdem wird mit Bürgerinitiativen und vor allem Künstlern über eine Verbesserung einschließlich Umgestaltung diskutiert. Aktuell hat die Stadt ein neues Nutzungskonzept mit Schwerpunkt Kultur vorgelegt.

Da haben beide noch ein besonderes Angebot: Die „rote Box“ soll über den Galerien im Westen des Ebertplatz entstehen, ebenerdig zugänglich sein und über den freien Raum hinausragen. Darunter entstünde dann gleichsam eine Freilichtbühne für freie Kulturveranstaltungen.

Am 12. Juli hat er Kölns Politik zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, will vorstellen, was ihm Architekt Christian Schaller entworfen hat: Ein „schiffsähnlicher“, wabenförmiger Block, 23 Meter lang, 14 Meter breit und 8,50 Meter hoch, insgesamt 450 Quadratmeter groß. Innen Platz für ein kleines Foyer, 120 Zuschauer und eine große Bühne (jetzt hat das Theater zwei).

Baumaterial sind „leicht demontierbare“ – so Schaller – Holztafeln. Ihre Produktion nach Maß würde etwa drei Monate dauern, die eigentliche Bauzeit eine Woche, dann etwa ein Monat für die bühnentechnische Einrichtung. Baukosten etwa 620.000 Euro plus technische Ausrüstung. Der Gang durch die Institutionen von Politik und Verwaltung, die Abstimmung mit geltenden Bauvorschriften dürfte sicher länger dauern.

Von der Stadtsparkasse seien schon Zusagen für eine finanzielle Unterstützung gekommen. Keller hofft auf mehr Sponsoren, denn „über drei Jahre können wir das Geld für die rote Box nicht raushauen.“. So lange, glaubt er, werde das Provisorium dauern – wenngleich derlei in Köln ja oft auch eine längere Lebensdauer habe…

Parallel dazu laufen noch Verhandlungen über zwei Objekte in der Südstadt, außerdem könnte das Alte Pfandhaus als Interimspielstätte bereit stehen. Vor einem Jahr hatte man noch die Hoffnung, in ein ehemaliges Tonstudio in der Nachbarschaft des Kaiser-Wilhelm-Rings einzuziehen. Doch das scheiterte am Widerspruch einiger Besitzer.

Angesichts der unklaren Zukunft schwankt Keller zwischen „Wut und Wehmut“. Doch er wäre nicht Keller, würde sich diese Stimmungslage nicht im Spielplan 2017/18 niederschlagen. Die beginnt am 6. September mit Tschechows „Kirschgarten“: einem Familienstreit um ein Stück Land, das die einen behalten wollen, ein anderer abholzen und darauf Ferienhäuser errichten will. Angesichts der aktuellen Situation bestens geeignet, um 100 Jahre alte Weltliteratur mit „100 Prozent Gegenwart“, spricht Dokumenten wie Räumungsklagen aus den letzten zwei Jahren anzureichern, so das Versprechen – verbunden mit dem Untertitel „Der Letzte macht das licht aus“.

Dazu gibt es die Talkshow „Theater frei 2019“, bei der wohnungssuchende Kölner Promis gefragt werden, ob sie sich statt einer Zweitwohnung auf Mallorca nicht lieber eine Luxuswohnung in einem ehemaligen Kölner Theaterhaus kaufen wollen. „Wir werden ihnen ein Musterklo präsentieren“, so die sarkastische Ankündigung. Zugesagt haben schon Annette Frier (Absolventin der Keller-Schauspielschule), Christine Westermann und Navid Kermani haben schon zugesagt, OB Henriette Reker und Renan Demirkan wurden angefragt. Diese Reihe soll es jeden letzten Sonntag im Monat geben.

Die Keller-Schule wird den Roman „Auerhaus“ von Bov Bjerg über eine Schüler-WG auf die Bühne bringen. Um die Schwierigkeiten des Zusammenlebens geht es auch in „Tropfen auf heiße Steine“, Rainer Werner Fassbindrs erstes Theaterstück. Weiter gibt es „Das Fest“ von Thomas Vinterberg und Morgens Rukov. Als Uraufführungen stehen die Dramatisierung von Maurizio Torchios „das angehaltene Leben“ als Koproduktione mit theaterblackbox Köln und Joachim Meyerhoffs „Ach, diese entsetzliche Lücke“ auf dem Programm.

Vor 43 Jahren wurde das Haus Kleingedankstraße 6 zum Spielort des 1955 gegründeten „Theater der Keller“. Am 31. Juli 2019 gehen hier die Theaterlichter endgültig aus.

Autor: ehu
Foto: Simon Keller zeigt das Modell der „roten Box“, die als Interimspielstätte auf dem Ebertplatz gebaut werden soll. Im Hintergrund Architekt Christian Schaller.