Report-k.de: Am 10. Juli findet die Bürgerbefragung zum Godorfer Hafen statt. Befürworten Sie das Projekt oder sind Sie dagegen?
Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender der Linken Köln: Wir sind sehr für eine Befragung der Einwohner zu wichtigen Entscheidungen, und dabei legen wir die Betonung auf die Beteiligung aller Einwohner – nicht nur der Wahlberechtigten, sondern auch der Nicht-EU-Bürger. Die Kölner Einwohnerbefragung zum Ausbau des Godorfer Hafens ist somit ein bundesweites Pilotprojekt mit Vorbildcharakter. Den Ausbau des Godorfer Hafens lehnen wir entschieden ab und fordern den Erhalt aller vier Kölner Häfen, also eben auch des Deutzer Hafens.

Mit welcher Beteiligung und welchem Ergebnis rechnen Sie?
Eine hohe Beteiligung hilft, all jene Kritiker in die Schranken zu weisen, die Bürgerentscheide ablehnen. Eine Mindestbeteiligung von über 20 Prozent erfüllt auf jeden Fall das Quorum für eine der beiden Seiten. Wobei wir davon ausgehen, dass die Mehrheit den Ausbau ablehnen wird.

Welches Argument ist das stärkste für einen Ausbau? Welches das stärkste dagegen?
Uns sind keine stichhaltigen und seriösen Argumente für den Ausbau bekannt, was im Übrigen auch das stärkste Argument dagegen ist. Außerdem ist es für Köln äußerst wichtig, dass wir alle vier Häfen stärken und erhalten. Wir meinen, der Deutzer Hafen muss ein Hafen für die Kölner Wirtschaft bleiben. Köln hat immer auf ein dezentrales Hafenkonzept gesetzt. Mit einer Umnutzung des Deutzer Hafens könnten rund 300 direkte Arbeitsplätze verloren gehen.

In der Diskussion wurde immer wieder ein Logistikkonzept für Köln und die Region gefordert, bevor man die Bürger zum Ausbau befragt. Wie ist Ihre Position dazu und warum?
Mit veralteten Daten lässt sich keine verlässliche, langfristige und nachhaltige Hafenpolitik machen. Deshalb sind vor einem Neubau aktuelle und verlässliche Daten und ein umfassendes Hafenkonzept notwendig. Es ist doch völlig unlogisch, dass wir jetzt eine Entscheidung fällen sollen und erst im nächsten Jahr erfahren werden, ob das einigermaßen sinnvoll war. Darum muss man mindestens bis zur Veröffentlichung des regionalen Logistikkonzepts einen Ausbau ablehnen.

Gab es Gespräche mit den Betreibern des Bonner Hafens?
Das ist nicht die Aufgabe der Linksfraktion. In diesem Zusammenhang möchten wir aber darauf hinweisen, dass ja noch nicht einmal bekannt ist, wer der Betreiber des Godorfer Hafens sein wird. Die HGK will diese Aufgabe wie in Niehl fremdvergeben.

Ist nach Ihrer Auffassung der Godorfer Hafen derzeit vollständig ausgelastet, und warum wird die bestehende Infrastruktur nicht für den Containerverkehr ertüchtigt? Experten sagen, dass dies günstiger und einfach möglich wäre.
Der Godorfer Hafen hat nach unserer Ansicht noch Potenzial durch umnutzbare Flächen. Vieles, was heute im Container kommt, war früher vielleicht Stückgut, da muss man dann eben drauf reagieren.

Die Gegner des Ausbaus von Godorf halten immer dagegen, dass es im Hafen Niehl, auch durch den kombinierten Ladeverkehr und ein neues Terminal, im Kölner Norden ausreichende Reserven gibt. Vorhandene Kapazitäten würden nur verschoben. Wie viel Reserven hat Niehl, auch und gerade in Verbindung mit dem Ausbau des kombinierten Ladeverkehrs, LKW, Schiene?
In Köln wird derzeit sehr viel in die Logistik investiert. Neben dem neuen KLV-Terminal im Kölner Norden für reine trockene Verladung wird ja auch das Eifeltor großzügig ausgebaut. Außerdem gibt es im Niehler Hafen eine sogenannte fremdbelegte Nutzung. Das heißt Gewerbe oder ähnliches, das nicht unbedingt an einem Hafen liegen muss. Wenn man die Trocken-Verladung und die Fremdbelegung aufhebt und umrüstet, hat der Niehler Hafen ein Potenzial von geschätzten 170.000 Quadratmetern. Die Hälfte wäre schon mehr als das, was in Godorf entstehen soll.

Rechnet man alle Kölner Kapazitäten, aber auch den Neusser, Leverkusener und den Bonner Hafen dazu, wie viele Jahre und wie viel mehr Container können transportiert werden, bis das System an seine Grenze käme?
Niemand kann die Zukunft seriös vorhersagen, aber vor knapp 40 Jahren warnte bereits der Club of Rome davor, dass die Grenzen des Wachstums innerhalb von hundert Jahren erreicht seien. Nach nicht einmal der Hälfte der Zeit können wir erste Grenzen des Biotops Erde erkennen. Darauf müssen wir zum Beispiel auch mit verstärkter lokaler und dezentraler Versorgung reagieren. Aber selbst wenn die Entwicklung der letzten Jahre weiterginge, böten die Kölner Häfen noch für rund 20 Jahre Potenzial: Wenn man die freiwerdenden Flächen in Niehl mitnutzt, können daraus auch leicht 50 Jahre werden.

Die Befürworter des Hafenausbaus malen gerade verkehrstechnisch ein düsteres Bild. Kommt der Hafen nicht, dann sind alle Kölner Straßen mit LKW´s verstopft. Ist das reine Propaganda, oder kann das Realität werden?
Kein einziges Container-Binnenschiff bringt seine Fracht bis zur Haustür des Kunden. Da steht am Ende immer der LKW. Was aber in der Diskussion untergeht, ist der Güterverkehr auf der Schiene. So besteht von Niehl in den Kölner Süden die Möglichkeit eines Containershuttles auf der Schiene, die ausgenutzt und erweitert werden muss. Solange es für Speditionen lukrativer ist, Waren per LKW zu transportieren, werden sie diesen nutzen. Aber da kann man ansetzen.

Binnenschiffe dieseln mit teilweise 30 Jahre alten Motoren durch die Kölner Umweltzone, Feinstaub und Stickoxide inklusive. Was ist an Auspuffgasen aus Binnenschiffen ökologischer als an denen von LKW?
Das sollen die Ausbaubefürworter doch bitte mal erklären, warum sie Fahrverbote für PKW aussprechen wollen, aber die Schifffahrt intensivieren möchten. Übrigens sind die Rheinbrücken und der Rhein selbst von der Umweltzone ausgenommen.

Energiewende ist ein viel gebrauchtes Wort in den letzten Monaten und sie ist eingeläutet. Logistik auf Schienen mit elektrischer Stromversorgung ist ein erprobtes Mittel, dass dazu gut passt, schließlich war ja auch das Stromnetz der Deutschen Bahn AG als Transportkanal im Gespräch. Binnenschifffahrt mit Fahrdrähten über dem Rhein können wir uns da nicht so gut vorstellen und atombetriebene oder mit Brennstoffzelle betriebene Schiffe scheinen in weiter Ferne. Ist es vor diesen Fragen und dem anstehenden Wandel sinnvoll über 60 Millionen Euro in eine Entscheidung aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zu investieren?
Das Containerschiff ist durchschnittlich gesehen das zweitumweltfreundlichste Gütertransportmittel, das wir zurzeit haben. An Nummer eins steht ganz klar der Güterverkehr auf der Schiene. Durch die zukünftige Gewinnung von Strom aus regenerativen Energieträgern wird sich dieser Vorsprung noch vergrößern. Ein möglicher Hybridmotor für Schiffe ist gerade in der Anfangsphase der Entwicklung und Lastsegler auf dem Rhein sind auch kaum vorstellbar. Daraus wird erkennbar, dass mehr in die Schiene investiert werden muss, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Übrigens macht die HGK den weitaus größeren Umsatz auf der Schiene als auf dem Wasser.

Werden die angepeilten 67 Millionen Euro reichen?
Wann haben Sie zuletzt erlebt, dass in Köln oder auch anderswo, z. B. in Duisburg, ein Investitionsbudget eingehalten wurde? Wir erleben es doch aktuell wieder mit dem Rheinboulevard, der Archäologischen Zone und dem Flora-Gebäude.

Die Befürworter zeigen gerne auch langfristige Szenarien auf und denken in Kategorien bis zu 30 Jahren. Kann man heute verlässlich eine solche Prognose abgeben?
Wir können weder die wirtschaftliche Entwicklung voraussagen, wie uns die Finanzkrise gezeigt hat, noch das Wetter für länger als drei Tage. Wie viel weniger können wir da etwas über die Klimaveränderung oder globale Entwicklungen, wie zuletzt in Nord-Afrika, oder gar plötzliche Ereignisse wie Fukushima vorhersagen. Dennoch ist es richtig, wenn man versucht, sich auf die Zukunft vorzubereiten; aber bei einem Hafen reden wir über einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren. Wer will das seriös prognostizieren?

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Plänen und Visionen für den Deutzer Hafen und den Ausbau des Godorfer Hafens?
Das ist doch mehr als offensichtlich. Warum wurde der Deutzer Hafen denn schon nicht mehr in das regionale Logistikkonzept aufgenommen? Wenn man Godorf ausbaut und Niehl dafür nicht braucht, kann man die Betriebe aus dem Deutzer Hafen nach Niehl verlagern und in Deutz einen „Rheinauhafen rechtsrheinisch“ mit all seinen negativen Folgen bauen. Da steckt eine Menge Kapital hinter. Im Rheinauhafen sind ungefähr 750 Millionen Euro investiert  worden. Da spielen 300 Arbeitsplätze in Deutz für die Investoren doch keine Rolle. Bei einer angenommenen Rendite von nur 10 Prozent fließen Jahr für Jahr 75 Millionen in deren Tasche.

Wie wird der Godorfer Hafen an die Verkehrsinfrastruktur des Kölner Südens angebunden? Welche weiteren Investitionen sind dafür nötig?
So weit sind wir ja noch gar nicht. Wir gehen davon aus, dass die Kölnerinnen und Kölner den Ausbauplänen eine Absage erteilen.

Wie viele Arbeitsplätze werden in Niehl zusätzlich entstehen und wie viele in Godorf?
Konkrete Zahlen nennen einem hierfür ja nicht mal die, die Arbeitsplätze als Totschlagargument für einen Ausbau nennen. Realistisch gesehen werden Arbeitsplätze in der Logistik entstehen, wenn sie nachgefragt werden. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Ob diese dann in Godorf oder Niehl entstehen, ist letzen Endes doch egal.

[ag, cs]