„Nur eine Rose als Stütze“ – so war der erste Gedichtband der Lyrikerin Hilde Domin 1959 betitelt. In dem Titelgedicht findet die gebürtige Kölnerin die für sie so typischen Bilder für ihr wechselvolles Leben im Exil: „Meine Hand greift nach einem Halt und findet nur eine Rose als Stütze.“ Zu Ehren einer der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts benennt die Stadt Köln einen Park am Fort X nach Hilde Domin. Die feierliche Einweihung nehmen heute um 14 Uhr Oberbürgermeister Fritz Schramma und Bezirksbürgermeister Andreas Hupke vor. Die Veranstaltung ist öffentlich. Oberbürgermeister Fritz Schramma: „Nicht zufällig ist, dass ein Rosengarten in Köln, nicht weit von ihrem Geburtshaus entfernt, den Namen Hilde-Domin-Park tragen wird, hatte die Dichterin doch diese Blume als Inbegriff der Schönheit besonders geliebt. Dieser Rosengarten mit ihrem Namen kann eine (Gedächtnis-)Stütze sein, sich an die Lyrikerin und ihr Werk zu erinnern. Hilde Domin fühlte sich auch in hohem Alter noch als Kölnerin. Es freut mich, dass ihr Name künftig im Stadtbild von Köln immer einen besonderen Platz haben wird.“

Domin emigrierte 1923
Hilde Domin wurde am 27. Juli 1909 in Köln als Hilde Löwenstein geboren. Ihr Geburtshaus steht in der Riehler Straße 23. Ihr Vater, der jüdische Rechtsanwalt Siegfried Löwenstein, war in unmittelbarer Nähe am Gericht tätig. Aus Bewunderung für ihren Vater begann Hilde Domin nach dem Abitur zuerst ein Jurastudium. Später wechselte sie zu Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Philosophie. Sie studierte unter anderem in Heidelberg, Berlin und Bonn. 1932 emigrierte Hilde Domin mit ihrem Lebensgefährten, dem Archäologiestudenten Walter Palm, nach Rom. Dort lebten beide zunächst in, wie man damals sagte, „wilder Ehe“ zusammen, weswegen Heinrich Böll, ein guter Freund, das Paar auch als Avantgardisten bezeichnete. 1936 promovierte Hilde Domin und heiratete im selben Jahr.

Künstlername Domin erinnert an Dominikanische Republik
Drei Jahre später flohen beide, erst nach England, dann über die USA in die Dominikanische Republik nach Santo Domingo. Hilde Palm, so ihr damaliger Name, arbeitete dort als Dozentin, Übersetzerin und Architektur-Fotografin. 1951, nach dem Tod ihrer Eltern, begann sie wie in einer Art Schockzustand mit dem Schreiben. 1959 legte sie ihren ersten Gedichtband „Nur eine Rose als Stütze“ vor. 1961 kehrte das Ehepaar nach Deutschland zurück und ließ sich in Heidelberg nieder, wo Hilde Domin 2006 an den Folgen eines Sturzes starb. Aus Dankbarkeit für den Schutz im Exil der Dominikanischen Republik hatte sie sich den Künstlernamen „Domin“ zugelegt. Die Lyrikerin verfasste auch Prosa, Essays, autobiografische und literaturtheoretische Schriften und bekam zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

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Die Literaturwissenschaftlerin Marion Tauschwitz war fünf Jahre lang Sekretärin und Vertraute von Hilde Domin, bis zu deren Tod. Die Germanistin arbeitet an einer Biografie über Hilde Domin, die nächstes Jahr erscheinen soll. In Gedenken an die Lyrikerin verfasste sie einen Text für Hilde Domin.

Köln
Die versunkene Stadt
für mich
allein
versunken.
  
(Aus dem Gedicht „Köln“)

Sobald nach der letzten Schleife des Rheins der Zug sich der Stadt der Kindheit und der Geborgenheit näherte und die vertraute Silhouette auftauchte, wurde Hilde Domin unruhig:
„Ich bin Kölnerin und deshalb regt es mich jedes Mal auf, wenn ich den Rhein überquere.“ Immer wurde die linksrheinische Strecke gewählt, um sich der Heimatstadt zu nähern, denn sie reihte die Bilder der Kindheit wie an einer Perlenschnur auf: die Burgen wurden der Reihe nach abgezählt,  Vater Löwenstein hatte bei Ausflügen die jeweiligen Festungen mit den dazugehörigen Anekdoten versehen, die sich seinen Kindern Hilde und Hans fest in das Gedächtnis geschrieben hatten: die Flucht des Rabbi Abraham, die Heinrich Heine in seinem Jugendwerk  „Der Rabbi von Bacharach“  problematisiert hat, wurde ebenso erinnerlich  wie „Die sieben Jungfrauen“ die ihres Hochmuts wegen in die Felsengruppe gegenüber von Oberwesel verwandelt worden waren; Hilde Domin wusste, dass die  Burgen Katz und Maus  ihre Namengebung dem schieren Übermut  ihrer Besitzer, den Grafen von Katzenelnbogen, verdankten;  das Siebengebirge verband unauflösbar die  freudig kindliche Erinnerung mit dem Schrecken des sich ankündigenden Nationalsozialismus: dort hatten sie als Kinder oft auf dem Rücken von Mauleselchen den schroffen, sagenumwobenen Drachenfelsen erklommen, aber in das Siebengebirge hatte sich Eugen Löwenstein 1933 geflüchtet, um der Kölner „Müllaktion“ zu entgehen. Einen Tag nach der Ernennung von  Adolf Hitler und Hermann Göring zu  neuen Ehrenbürgern von Köln wurden am 31. März 1933 Kölner Anwälte und Ärzte im Gerichtsgebäude zusammengetrieben und unter dem Gejohle der Bevölkerung auf Müllautos durch die Stadt gekarrt. Diesem Akt der Erniedrigung konnte Vater Löwenstein damals entgehen, da er  von Freunden gewarnt worden war und vor dieser Barbarei mit seiner Frau ins nahegelegene Siebengebirge flüchten konnte.

Sie liebte den kleinen Mandelbaum vor ihrem Geburtshaus in der Riehlerstraße 23, um die Ecke herum, wo Böll wohnte. Hilde Löwenstein hatte keine Grundschule besucht, sie hatte Privatunterricht erhalten,  – die „richtige Schulzeit“ wurde lange  herbeigesehnt und die Freude war groß, als sie  1920  in die Städtische Merlo-Mevissen-Schule, „Lyzeum mit Studienanstalt der Gymnasialen Richtung“ eingeschult wurde. Den kämpferischen Geist der Schulgründerin Mechthild Mevissen  hatte sich auch Hilde Löwenstein auf ihre Fahne geschrieben.  Als vom 26.-28. Juni 1928 in  Köln der Deutsche Frauentag abgehalten wurde, war die Schülerschaft durch Hilde Löwenstein vertreten worden. Die Reifeprüfung am Merlo-Mevissen-Gymnasium unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Dr. h.c. Adenauer wurde am 6.März 1929 abgenommen; die Themen, aus denen die  Oberprimanerinnen im Fach Deutsch wählen konnten, klopften humanistisches Wissen ab, dessen Ideale auch heute noch gültig sind:

-Warum hat Goethe recht, wenn er sagt, die Wertherzeit gehört nicht dem Gang der Weltkultur an, sondern dem Lebensweg jedes einzelnen.

-Die staatsbürgerliche Stellung der Frau nach der Reichsverfassung vom 11. August 1918

-Was zwingt uns immer wieder zur Auseinandersetzung mit der Gestalt Sokrates?

-Die geografischen Grundlagen der Weltmachtstellung Englands.
Hilde Löwensteins selbstbewusste Einstellung zu gesellschaftspolitischen Fragen hätten bei jedem der  angebotenen Abiturs-Themen eingebracht werden können.
Mit dem Kölner und späteren Literaturkritiker und Schriftsteller Hans Mayer hatte sie die Tanzstunde besucht und in Cafés politische Diskussionen geführt.

Köln blieb immer die Stadt, in der Hilde Domin  „mit dem Urvertrauen ausgestattet“ worden war, hier konnte sie „unter den sorgsam ausgebreiteten Fittichen ihrer Mutter“  in der Riehler Straße immer wieder Kraft schöpfen, wenn das Studentenleben zu fordernd wurde. Von Köln fuhr sie  am 27. Oktober 1932 in den frühen Morgenstunden los, um in Florenz mit ihrem Freund und späteren Ehemann Erwin Walter Palm in einer kleinen Trattoria unweit des Doms zusammenzutreffen. Das Land, in dem man ein Auslandsstudium absolvieren wollte, wurde binnen  weniger Monaten  zum Exilland. Die Kraft zur  Poesie, die sich Hilde Domin  auf allen Exil-Stationen bewahrt hatte, entfaltete sich immer dann, wenn sie den Einklang mit der Natur suchte; sie liebte Rosen, die Rosen gaben ihrem ersten Gedichtband den Titel: „Nur eine Rose als Stütze“.
Am 22. Februar 2006 stürzte sie und starb am selben Abend. Gelbe Rosen schmückten ihren Sarg, Rosen gaben ihr die Freunde als letzten Gruß mit, Rosen zierten den Kranz der Stadt Köln..
Dass nun ein Rosenpark in Köln ihren Namen tragen wird, ist die von Hilde Domin lang ersehnte  Liebeserklärung der Stadt Köln.

„Fürchte dich nicht“/ es blüht/ hinter uns her“ schrieb sie im Gedenken an Virginia Woolf.

In Köln wird  Trost nun Wirklichkeit.

[nh; Quellen: Marion Tauschwitz, Stadt Köln]