Köln | aktualisiert | Die Session 2019 ist eröffnet. Eine lange Session, die bis in den März andauert. Am heutigen Sonntag feierten tausende, vor allem junge Jecken in der Kölner Innenstadt, dem Heumarkt, Alter Markt, den Ringen und dem Kwartier Latäng. Das Kölner Dreigestirn 2019 ist nun designiert und unterschrieb im Kölner Rathaus den Sessionsvertrag, bevor es auf die große Karnevalsbühne am Heumarkt ging, vor der tausende Jecken warteten. Der Videobericht von report-K zeigt eine Ausschnitte und Impressionen vom Heumarkt, dem Auftritt des neuen Dreigestirns und Konfettiregen.

Die fünfte Jahreszeit, die Jahreszeit der Selbstvergewisserung beginnt

Karneval in Köln, das ist nicht der Narr der dem König den Spiegel vorhält, sondern es ist die Stadt und ihre Bewohner, die sich im Spiegel ihr eigenes Selbstbild als schönste Stadt der Welt mit Hätz und Siel bestätigen. Und mit nichts geht das so gut, wie im Karneval, denn zumindest nur unwesentlich, verändern sich die Rituale und Gewohnheiten. Nur die Protagonisten ändern sich.

Dies zieht sich von Ehrenfeld über den Hansasaal im Rathaus bis hin zum Massenauflauf am Kölner Heumarkt. Schon um 9:00 Uhr in der Früh stehen die ersten 14 Kostümierten vor der Tür des Hemmer in der Subbelrather Straße an. Der Kaffee für unterwegs kommt vom Kiosk Cherries Corner gegenüber. In der Linie 5 in Richtung Innenstadt die ersten Jecken, die Wein aus der Flasche süffeln und harte Getränke in Spritflaschen kreisen bei den Jugendlichen. Noch sitzt alles, nichts ist entgleist. Schon Mittags wird das anders sein, die Schlange vor dem Hemmer länger und wenn die Plastikpulle geleert ist, wird der Schritt schwankend. Richtig übel wird es wenn die Nacht kommt.

Dem Rathaus strebt die feine Gesellschaft zu. Man trägt Ringelware zu Jeans mit Lackschuh und Festkomitee-Kutte, die einem Cut nachempfunden ist. Und auch dort, wo sonst, regiert nicht nur das Protokoll, sondern die Selbstvergewisserung in der Potenz am immer gleichen Ritual. Die Tür zum Senatssaal geschlossen, dahinter Stimmengewirr, später Singen. Der Vertrag, der das Vaterstädtische Fest, jedes Jahr aufs Neue besiegelt wird geschlossen, das Dreigestirn unterschreibt. Die drei Herren sind immer andere Menschen, aber ihre Rolle bleibt gleich. Dann öffnet sich die Tür und fast jedes Jahr fallen Sektgläser von dem Tablett, dass die steile Treppe hinauf in die edel getäfelte Kammer von der unterhalb gelegenen Anrichte getragen wird.

Der Hergott ist kölscher Zeuge

Dann macht sich der Tross auf zur nächsten Zwischenstation: Der Hansasaal. Hier warten kommunale Politik und jecke hochgestellte Persönlichkeiten. Es werden Reden gehalten, deren Inhalt ist nicht in jedem Jahr gleich, aber die Kernbotschaft. Oberbürgermeisterin Henriette Reker bemühte gar den „lieben Gott“ und erzählte einen Witz in dem die Kölner und die Kölsche Sprache ganz besonders gut wegkommen, um die 11 kölschen Gebote zu erklären. Reker: „Die Kölner sind mit dem Hergott auf einer Wellenlänge, man kennt sich, man spricht die selbe Sproch“. Am Ende schwört Reker die, die mit Hätz und Geföhl leben, ein: „Köln spricht nicht nur mit dem Mund sondern auch mit dem Hätz. Köln ist bunt, vielfältig und von Hätze froh.“ Mehr Selbstvergewisserung kann man denen, die sich für die Kölschen unter den Kölschen empfinden, nicht vermitteln.

Das Friedensfest

Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitee Kölner Karneval, lobte den von Reker angestoßenen Runden Tisch, der sich mit der Qualität des Straßenkarnevals auseinandersetzte und stellte heraus mit allen Kräften gemeinsam die Verantwortung wahrgenommen zu haben das Fest zusammen weiterentwickelt zu haben. Am 100-jährigen Jahrestag des Friedensschlusses nach dem Ersten Weltkrieg erinnerte Kuckelkorn, dass der Fastelovend in den Friedenszeiten sofort wieder an vielen Stellen aktiv war. Es ist die Kontinuität, die die Selbstvergewisserung stärkt und die Kuckelkorn dazu bewegt, zu sagen, dass der Kölsche Fastelovend ein großes Friedensfest sei.

Die Neuen erleben die Tradition nur einmal

Der designierte Prinz Marc I. (Marc Michelske) von der KG Schlenderhaner Lumpe e.V. von 1963, berichtete fast ein wenig staunend, was das zukünftige Dreigestirn 2019 in den letzten Monaten erlebte und an welchen, für den Karneval, traditionell aufgeladenen Orten man gewesen sei. Damit, so Michelske, habe sich sein Blick auf die Stadt verändert. Der designierte Bauer Markus (Meyer) ist Präsident der Großen Allgemeinen KG von 1900 Köln e.V. und die designierte Jungfrau Catharina (Michael Everwand), Lesegesellschaft zu Köln von 1872, stellten – obwohl nicht aus Köln – fest, dass diese Stadt ihre Heimat ist und machen dies am Lebensgefühl fest: Eine Stadt, deren Menschen es seit über 2000 Jahren schaffen anderen Freude zu bereiten und tolerant zu sein. Das sei Kölsche Lebensart, die über die Grenzen hinaus transportiert wird.

Die Tradition der ersten Reihe

So blickten im Kölner Hansasaal die Oberjecken in den Kristallspiegel und sonnten sich im Kölschen Lebensgefühl. Das feierten die Jecken auf dem Kölner Heumarkt. Und auch dort gibt es Beständigkeiten. Seit Jahren feiern die immer gleichen Jecken in der ersten Reihe den Fastelovend, sie sind schon zum festen Image des Kölner Karnevals geworden. Überall lokal, regional, national und international prägen sie das Bild des Straßenkarnevals und sind so ein Kontinuum der visuellen Darstellung. Straßenkarneval beginnt dann, wenn sie vor der Bühne stehen, singen, lachen und schunkeln und die Blitzlichter der Reporter zum Glühen bringen. Sie sind das helle Bild in das die Oberjecken blicken, wenn sie in den Kristallspiegel blicken.

Und auch die jungen Jecken auf den Straßen gehören zum Ritual. Die Brunftschreie der jungen männlichen Jecken, die an KVB-Haltestellen, wie dem Heumarkt, an schwedische Elche erinnern, das schrille Gekicher der jungen Mädchen, das Kölsch in der Stadtbahn, das Aufschaukeln von Stadtbahnwagen oder dröhnend laute Karnevalsmusik in die Beatbox aus dem Smartphone, die das Trömmelchen ersetzte. Karneval in Köln und der Sessionsauftakt haben sich verändert, sind größer geworden und doch jedes Jahr an den Schlüsselstellen irgendwie fast identisch im Ablauf. Dies ist der Kölner Kit aus dem das jecke Selbstbewusstsein erwächst. Wer jetzt glaubt, dass Köln so ähnlich wie die im Film überzeichnete Kleinstadt Punxsutawney in Pennsylvania, in der das Murmeltier täglich die Zeitschleife für Moderator Phil Connors alias Bill Murray bereit hält ist, der geht fehl. So könnten nur Jecke in Murmeltierkostümen denken. Karneval und jeck sein auf der Straße ist fester Bestandteil der kölschen Selbstvergewisserung.

Autor: Andi Goral