Der neue leitende Kriminaldirektor der Kölner Polizei Michael Esser steht deutlich in der Kritik nach Aussagen zu Flucht und Kriminalität. Das Foto entstand im Rahmen einer Pressekonferenz der Kölner Polizei am 13. Dezember 2022.

Köln | Der Kriminaldirektor der Kölner Polizei gab dem „Kölner Stadtanzeiger“ ein Interview.

Die von ihm dort getätigten Aussagen zu Flucht, Geflüchteten und Kriminalität sorgen für deutliche Kritik beim „Kölner Flüchtlingsrat“, der Partei „Die Linke“ im Kölner Stadtrat und dem „Runden Tisch für Integration“. Es geht um die Frage, wie es bei der Polizei Köln um deren rassismuskritische Haltung bestellt ist?

Der „Kölner Flüchtlingsrat“ positioniert sich deutlich

Es ist vor allem die Aussage „Flüchtlinge strömen wieder vermehrt über die Balkanroute nach Deutschland, und mit ihnen kommen auch Einbrecherbanden hierher“, die für Unverständnis sorgt. So hinterfragt etwa der „Kölner Flüchtlingsrat“ die Aussage Essers auf ihre Logik hin, dass Kriminelle eben nicht die riskanten und tödlichen Fluchtwege über das Mittelmeer nutzen, später die Balkanroute, um dann in Köln Einbrüche zu begehen. Und der „Flüchtlingsrat“ nennt die Zahl 59. Denn genau so viel Prozent der Geflüchteten stammten aus den Ländern Syrien, Afghanistan, Irak und Iran.

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des „Kölner Flüchtlingsrates“: „Menschen, die aus ihren Ländern etwa wegen Krieg, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen oder größter Not fliehen müssen, werden hier in einen Topf mit Einbrecherbanden geworfen. Das sind und das bedient diskriminierende Stereotypen. Wenn schon Personen in Leitungspositionen solche Aussagen treffen, wie ist es dann um eine rassismuskritische Haltung bei der Polizei insgesamt bestellt? Hier ist vor allem Polizeipräsident Falk Schnabel gefordert.“

Es sind vor allem auch die benutzten Ausdrücke, die dem Flüchtlingsrat missfallen. Wenn etwa von „Flüchtlingsströmen“ oder dass Menschen „aus dem Bereich Nordafrika“ die Stadt „überfluteten“, die Rede ist. Das ist nicht das erste Mal, dass die Kölner Polizei mit einer Wortwahl auffällt, die zumindest Fragen aufwirft. Erinnert sei an den Tweet „Nafri“ in der Silvesternacht 2016, der Menschen aus Nordafrika meinte. Prölß mahnt an Flucht nicht wie ein Naturereignis zu thematisieren, sondern klar die Fakten zu benennen. So pendele sich die Zahl der Asylerstanträge auf dem Stand von 2017 ein und mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine seien gut aufgenommen worden. Prölß wirft Esser vor „Angst zu schüren“.

Die Kölner Linke: „Kein Zusammenhang zwischen Flucht und Kriminalität“

Die Kölner Linke spricht davon, dass die Kölner Polizei Deliktzahlen für rassistische Stimmungsmache missbrauche und wirft Esser diese vor. „Es mag auch Einbrecher geben, die vom Balkan nach Köln kommen. Doch in den vergangenen Jahren hieß es immer wieder, dass die meisten Täter aus Belgien und Frankreich einreisen. Dass in Herr Essers Zitat nur Einbrecher aus Südosteuropa vorkommen, entwirft ein vollkommen verzerrtes Bild. Hier wird der Eindruck erweckt, ohne Geflüchtete über die Balkanroute gäbe es auch kaum mehr Einbrüche“, sagt Güldane Tokyürek, Sprecherin der Fraktion. Jörg Detjen mahnt die Kölner Polizei nicht den Nährboden für Entmenschlichung zu schaffen: „Junge Männer aus Nordafrika fliehen vor Verfolgung, aber auch vor der Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern. Diese Menschen mit einer Naturkatastrophe gleichzusetzen ist menschenverachtend und nutzt das Vokabular der Rechtsextremen. Es bereitet den Nährboden für Entmenschlichung. Gerade wir in Deutschland müssen dafür besonders sensibel sein.“

Der „Runde Tisch für Integration“ spricht von „Diskriminierung und Panikmache“

Der Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration Wolfgang Uellenberg  – van Dawen wertet die Aussagen des neuen Leitenden Kriminaldirektors von Köln Esser als „Diskriminierung und Panikmache“: „Woher stammen die Erkenntnisse der Kölner Polizei, dass Menschen, die aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und dem Iran vermehrt nach Deutschland kommen und hier einen Asylantrag stellen, Einbrüche begehen? Oder meint er, dass Einbrecherbanden unter ihrem Schutz den beschwerlichen und lebensgefährlichen Weg auf sich nehmen, um hier kriminell tätig zu werden? Die Aussage widerspricht jeder Logik und ist purer Populismus. Im Nachgang zur Kölner Silvesternacht hatten die Polizeipräsidenten Matthies und Jakobs aus wohlerwogenen Gründen von solchen Pauschalurteilen und einem solchen Sprachgebrauch Abstand genommen. Ich erwarte, dass der neue Polizeipräsident wieder für eine dem Rechtsstaat und den Tatsachen angemessene Kriminalberichterstattung sorgt.“

ag