Köln | Wer sich die Frage in der Gipfelhalbzeit stellt, was wird wohl vom G20-Gipfel in Hamburg bleiben, dem sei gesagt ausschließlich Bilder. Vor zwei Jahren war G7-Gipfel in Ellmau, dem abgelegenen Hotel im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Sie erinnern sich? Welches Bild fällt Ihnen zuerst ein? Genau Obama trinkt Weißbier. Um was ging es inhaltlich? Sie erinnern sich nicht?Und von Hamburg, welche Bilder bleiben? Staatsgäste in der Elbphilharmonie beim Lauschen der Ode an die Freude, eine lange Tafel von oben, Krawall, eine brennende Straße mit dem Namen Schulterblatt und erstmals deutsche Polizeibeamte, die gegen Randalierer mit gezückter Maschinenpistole vorgehen.

Haben die Randalierer die Bildhoheit, weil sie es geschafft haben Schlagzeilen zu produzieren die lauten „Wie im Krieg“? Vielleicht, mag sein. Wird dadurch das Weltklima besser? Wird es weniger Hunger in Afrika geben, wenn man im Hamburger Schanzenviertel einen REWE-Supermarkt zertrümmert? Ein Kommentator auf Twitter brachte es gestern auf den Punkt: die Randalierer machen ihren eigenen Kiez oder den ihrer Freunde kaputt und wie dumm dies sei. Alle die, die randaliert haben, werden sich wahrscheinlich an den Bildern später ergötzen, sich auf die Brust schlagen und sagen, ich war dabei, schließlich konnten sie sich selbst auf allen Kanälen perfekt inszenieren. Es geht um Egoismus.

Was wäre wenn…

es diese Szenen aus der vergangenen Nacht der Gewaltegomanen nicht gegeben hätte, sondern Bilder von bunten, auch gerne schwarz gekleideten Menschen, vielfältigen und vor allem Protest von Vielen? Gerne auch laut. Wenn diese Bilder mit klaren Botschaften an die G20 unterfüttert, durchaus auch kampagnenartig, untermalt gewesen wären und diese Bilder das Kontrastprogramm zu elitären Essens- und Philharmoniebildern und Verschwendungssucht mit dicken Autos und eigens aus Amerika eingeflogenen Helikoptern gewesen wären? Bilder von Menschen die Afrika hungern? Bilder und Geschichten von Protesten aus aller Welt, die durch die Zerstörung des Weltklimas, in ihrer Existenz bedroht sind. Riesig groß auf allen verfügbaren Wänden in Hamburg projiziert? Auch dort wo die Reichen wohnen?

Wer randaliert hat, der muss sich fragen lassen, welche Bilder und Inhalte stärker wären und den Gipfelpomp stärker kontrastiert hätten? Eine Demonstration mit tausenden schwarz vermummter oder eine Demonstration mit tausenden die Atemschutzmasken tragen, weil in Städten wie Hamburg, Berlin, Stuttgart, München oder Frankfurt die Luft immer schlechter wird. Wer übrigens Barrikaden anzündet erhöht die Luftschadstoffwerte. Um es klar zu sagen, wer randaliert und eine Botschaft hat, der dringt nicht durch. Wer keine Botschaft hat und nur randaliert, der darf sich nicht wundern, dass er als das wahrgenommen wird, was er ist: kriminell. Übrigens ist auch jeder kriminell der randaliert und glaubt eine Botschaft zu haben. Und jeder der sich damit solidarisiert, sollte sich dessen bewusst sein. Und hier ist der linke Randalierer nicht der bessere Kriminelle als der Rechte oder der Fußballhooligan.

Das falsche Signal

Es gibt einen weiteren Aspekt den die Randalierer außer Acht lassen. Die Polizei – deren Rolle in mehrfacher Hinsicht zu prüfen sein wird – bekommt Argumente für ihr hartes und unbarmherziges, zeitweise womöglich sogar rechtswidriges Verhalten, geliefert. Das Verhalten der Randalierer fördert die in den Reihen der Polizei und Politik, die dem hart vorgehenden und nicht deeskalierenden Staat das Wort reden und die Stück für Stück die Freiheitsrechte der Bürger einschränken wollen. Diese Hardliner haben jetzt die Bilder die sie wollten und brauchen, um in der weiteren Debatte dafür zu sorgen, die Bürgerrechte weiter zu beschränken. Und alle die, die eine Überprüfung des polizeilichen Handelns fordern und dieses auch tun wollen, deren Argumente werden angesichts dieser Bilder geschwächt. Wer solche Bilder produziert, wie die aus dem Hamburger Schulterblatt, attackiert die inhaltliche Auseinandersetzung und verhindert sie. Wer eine bessere Welt will, der darf sie und das Lebensumfeld der Menschen nicht zerstören, sondern er muss die Menschen mit Argumenten und Ideen überzeugen und mitnehmen, denn Gewalt erzeugt Angst, Ablehnung und Gegengewalt und macht nicht die Gewalt der anderen sichtbar, sondern nur die eigene. q.e.d. In Hamburg zum G20-Gipfel. Von Hamburg bleiben die Bilder Elbphilharmonie und brennende Straßen im Gedächtnis, sonst nichts.

Autor: Andi Goral
Foto: Welches Bild haben Sie im Kopf wenn sie „Stopp – G20“ lesen?