Berlin | Bundespräsident Joachim Gauck wird nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi reisen. Das teilte das Bundespräsidialamt der russischen Regierung in der vergangenen Woche mit, berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Absage ist als Kritik an den Menschenrechtsverletzungen und der Drangsalierung der Opposition in Russland zu verstehen.

Die Olympischen Spiele und die Paralympics in London im Sommer 2012 hatte Gauck besucht. Vor den Winterspielen in Sotschi, die im Februar 2014 stattfinden, protestieren zahlreiche Sportler gegen ein Gesetz, das die Duma im Juni verabschiedet hatte. Es stellt die „Propaganda“ für Homosexualität gegenüber Minderjährigen unter Strafe.

Gauck ist daran gelegen, dass seine Absage nicht als Geringschätzung der Athleten gedeutet werden kann: Er will die deutschen Olympia-Teilnehmer am 24. Februar bei ihrer Rückkehr in München empfangen. Der Bundespräsident hat Russland seit seinem Amtsantritt im März 2012 noch keinen offiziellen Besuch abgestattet; mehrmals kritisierte er rechtsstaatliche Defizite sowie eine Behinderung kritischer Medien in dem Land. Ein für Juni 2012 geplantes Treffen mit Gauck ließ Präsident Wladimir Putin platzen, angeblich aus Termingründen.

Lob und Kritik an Gaucks Sotschi-Absage

Als „starkes Signal für Demokratie und Menschenrechte“ hat der Grünen-Politiker Volker Beck die Entscheidung Gaucks bezeichnet, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren. Dies heiße aber nicht, dass alle Politiker ihren Protest nur auf diese Art und Weise kundtun sollten. „Man kann auch nach Sotschi fahren und dort durch eine Geste seinen Dissens zeigen“, sagte Beck der „Frankfurter Rundschau“ (Montagausgabe).

Auf alle Fälle sollten es westliche Politiker vermeiden, sich in Russland in die Reihe der Claqueure zu stellen. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU), äußerte im Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“ zwar Respekt für „die persönliche Entscheidung des Bundespräsidenten“, die Spiele von Sotschi nicht zu besuchen. Zugleich zweifelte er aber, ob sich die Verantwortlichen für Korruption und die Verletzung von Menschenrechten durch einen generellen Boykott durch die Politik tatsächlich beeindrucken ließen.

Ähnlich sieht dies der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich die Angelegenheit. Die An- oder Abwesenheit politischer Vertreter bei sportlichen Großveranstaltungen dürfe nicht mit der Frage verwechselt werden, ob man mit anderen Ländern außenpolitisch zusammenarbeitet. „Die russische Innenpolitik missachtet zweifellos allgemeine Menschenrechtsstandards“, so Mützenich der „Frankfurter Rundschau“. „Darauf hinzuweisen ist berechtigt und notwendig. Dass wir Russland bei der Bewältigung internationaler Herausforderungen dagegen brauchen, hat sich in den vergangenen Monaten erneut bestätigt. Solche Realitäten anzuerkennen, heißt nicht, sich mit den innenpolitischen Verhältnissen abzufinden, egal wo.“

Silvia Löhrmann, Vize-Ministerpräsidentin von NRW, unterstützt den Entschluss von Bundespräsident Joachim Gauck, nicht zu den Winterspielen nach Sotschi zu reisen. Die Grünen-Politikerin sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Montagausgabe): „Ich freue mich über die klare und werteorientierte Haltung des Bundespräsidenten, die mit dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht wird.“

Autor: dts
Foto: Das report-k.de Archivfoto zeigt Bundespräsident Gauck bei einem Besuch im Kölner Rathaus