London, Berlin | aktualisiert | Die britischen Streitkräfte bereiten einen Militärschlag gegen Syrien vor. Das Militär des Landes erarbeite momentan Notfallpläne für einen Einsatz in Syrien, wie ein Regierungssprecher am Dienstag in London mitteilte. Dies geschehe als Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz nahe Damaskus, so der Sprecher weiter.

Auch die USA hatten zuvor erklärt, sich auf ein Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg vorzubereiten. Der britische Premierminister David Cameron soll am morgigen Mittwoch eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats in London leiten, an der auch Vertreter des Militärs teilnehmen. Zudem wird erwartet, dass die britische Regierung die Parlamentarier vorzeitig aus der Sommerpause zurück nach London beordert.

Dies werde im Laufe des Dienstags entschieden, wie der Regierungssprecher weiter mitteilte. Zuvor hatte die „Washington Post“ unter Berufung auf Militärkreise berichtet, dass US-Präsident Barack Obama einen gezielten Schlag gegen das syrische Militär in Erwägung ziehe. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen bei der Intervention Tomahawk-Marschflugkörper, die von Kriegsschiffen aus abgefeuert werden, gegen Militärziele, die „nicht direkt in Verbindung mit dem Chemiewaffen-Arsenal des Landes stehen“, zum Einsatz kommen.

Bericht: Raketenangriffe auf Syrien frühestens am Donnerstag

Ein US-geführter Militärschlag gegen Syrien soll frühestens an diesem Donnerstag beginnen. Das berichtet der US-Sender NBC unter Berufung auf offizielle Quellen. Weiteren Medienberichten zufolge hat das Weiße Haus derweil seine Bemühungen intensiviert, internationale Unterstützung für einen Militäreinsatz zu sammeln.

US-Präsident Barack Obama habe mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich und Australien telefoniert und das weitere Vorgehen abgestimmt. Der britische Premier David Cameron rief das Parlament aus dem Urlaub zurück, am Donnerstag soll es eine Abstimmung über eine britische Beteiligung am Einsatz geben. Der Einsatz solle nur wenige Tage dauern und eine eindeutige Nachricht an das Regime des syrischen Machthabers senden, dass ein Einsatz von Chemiewaffen nicht toleriert werde. Der Einsatz solle nicht zur unmittelbaren Unterstützung der syrischen Oppositionsgruppen dienen. Der US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte, das Militär sei bereit, jeden vom Weißen Haus gegebenen Befehl umgehend umzusetzen.

Grüne stellen Bundeswehr-Einsatz in der Türkei infrage

Die Grünen sehen im Falle eines Militärschlags gegen Syrien den Einsatz der Bundeswehr in der Türkei zum Schutz vor syrischen Angriffen nicht mehr durch das Bundestagsmandat gedeckt. „Sollte sich die Türkei an einem Militäreinsatz beteiligen, wäre über die Stationierung deutscher Bundeswehrsoldaten auf jeden Fall neu durch den Bundestag zu entscheiden. Dies gilt unabhängig von der Frage eines Uno-Mandats“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, „Handelsblatt-Online“.

„Der Verbleib der Bundeswehr-Soldaten steht und fällt mit der Frage der Beteiligung an einem solchen internationalen Militäreinsatz und kann von diesem nicht getrennt werden.“ Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold forderte von der Bundesregierung eine Erklärung zur Rolle Deutschlands in dem Konflikt. „Falls die Türkei Konfliktpartner wird und sich einer Koalition der Willigen gegen Syrien anschließt, muss die Bundesregierung die Tragfähigkeit des Bundeswehr-Mandats prüfen“, sagte Arnold „Handelsblatt-Online“.

„Die Bundesregierung versucht, das Thema auszusitzen und abzutauchen, das geht aber nicht“, kritisierte der SPD-Politiker. Sollten Zweifel daran bestehen, ob der Türkei-Einsatz der Bundeswehr von dem gegebenen Mandat gedeckt ist, müsse das Parlament erneut um Zustimmung gebeten werden. „Die Regierung muss auf die Opposition zugehen, ihre momentane Zurückhaltung wird sich sonst rächen.“

Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr der Entsendung von zwei „Patriot“-Raketenabwehrstaffeln mit maximal 400 Bundeswehrsoldaten in den Süden der Türkei unter der Voraussetzung zugestimmt, dass es sich um einen strikt defensiven Einsatz handelt. Allerdings hat sich die Türkei bereits zur Teilnahme an einem Militärbündnis gegen das syrische Regime bereit erklärt, wenn es im Sicherheitsrat keine Einigung auf Strafmaßnahmen gebe. Damit könnte die Bundeswehr dem Vernehmen nach in den Konflikt hineingezogen werden.

Grünen-Politikerin Keul warnte zugleich davor, die Vereinten Nationen bei einem Militärschlag zu übergehen. „Ein militärisches Eingreifen ohne Uno-Mandat würde die endgültige Aufgabe des im 20. Jahrhundert vereinbarten Völkerrechts bedeuten“, sagte die Grünen-Politikerin. Die Charta der Vereinten Nationen „wäre nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde“. Zudem würden auf diesem Wege mehr Menschenleben bedroht als gerettet. „Für mich steht daher ein Militäreinsatz ohne Uno-Mandat außer Frage“, sagte Keul.

Linke: Unterstützung der Bundesregierung für Militäreinsatz in Syrien „Wahnsinn“

Christine Buchholz, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der Partei die Linke, hat die Unterstützung der Bundesregierung für einen Militäreinsatz in Syrien als „Wahnsinn“ bezeichnet. „Die Unterstützung der sich bildenden US-geführten Kriegskoalition ist Wahnsinn. Bundesaußenminister Westerwelle hat gestern gesagt, dass Deutschland in `enger Abstimmung mit den Verbündeten` zu denjenigen gehören werde, `die Konsequenzen für richtig halten`. Das läuft auf nichts anderes als eine Unterstützung militärischer Angriffe hinaus“, sagte die Linken-Politikerin am Dienstag. Die an der türkisch-syrischen Grenze stationierten Patriot-Raketen der Bundeswehr müssten sofort zurückgezogen werden, forderte die Linken-Politikerin. „Andernfalls droht Deutschland in einen neuen Nahostkrieg hineingezogen zu werden.“

Grüne Spitzenkandidatin für entschlossene Reaktion gegenüber Syrien

Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl, Katrin Göring- Eckardt, ist – sollte sich bestätigen, dass dort ein Giftgasangriff durch das Assad-Regime stattgefunden hat – für eine konsequente und entschlossene Reaktion gegenüber Syrien. Das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht toleriert werden dürfe, sagte sie der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Zunächst sollten die UN-Inspektoren jedoch ohne zeitlichen Druck die Untersuchungen abschließen können.

Nach wie vor bestehe die dringende Notwendigkeit von politischen Initiativen für ein Ende des Blutvergießens. „Dafür haben wir ja die Vereinten Nationen.“ Die Schwierigkeit in Syrien bestehe auch darin, dass zwar die Hauptgewalt vom Regime Assad ausgehe, aber auch Rebellengruppen zunehmend Menschenrechtsverletzungen begingen.

Was Deutschland jetzt schon tun könne und müsse, sei, deutlich mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. „5.000 Flüchtlinge, die Deutschland aufnehmen will, sind nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Deutschland könnte das Zehnfache davon verkraften. Wenn Deutschland hier klare Signale sendet, würde sich die EU zu einer neuen Kontingentierung bereit finden“, sagte Göring-Eckardt.

Autor: dts