Berlin | Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einem von der Linksfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass das am 16. Oktober 2015 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes entspricht. Das berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“ (Samstagsausgabe), der das Gutachten vorliegt. Dem Vernehmen nach steigen damit die Chancen, dass das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert.

Der als SPD-nah geltende Verein D64 (Zentrum für digitalen Fortschritt) hat bereits Klage eingereicht. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Dieses Gesetz erfüllt nicht die Vorgabe des EuGH, dass bereits die Speicherung von Vorratsdaten nur bei Vorliegen des Verdachts einer schweren Straftat zulässig ist.“ Auch müsse die Vorratsdatenspeicherung „auf geografisch eingegrenzte Gebiete beschränkt bleiben“.

Schließlich müssten Personen ausgenommen sein, deren Kommunikation dem Berufsgeheimnis unterliege. Im April hatte der EuGH die damalige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unzulässig befunden und damit gekippt. Am 21. Dezember musste er im Rahmen eines sogenannten Vorabentscheidungsersuchens die Fragen eines schwedischen und eines britischen Gerichts zu den jeweiligen nationalen Gesetzen beantworten, die eine Aufbewahrung von Verbindungsdaten regeln.

An diesem orientiert sich wiederum der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Darauf weist er in seinem Gutachten auch ausdrücklich hin. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, sagte der Zeitung: „Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigt unsere von Beginn an vorgetragene Kritik: Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und grundsätzlich nicht mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar.

Das deutsche Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung verstößt deshalb in den zentralen Fragen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gegen die Grundrechte und würde daher vor Gericht so keinen Bestand haben.“ Die Bundesregierung solle jetzt Schadensbegrenzung betreiben und das Gesetz unverzüglich zurücknehmen. Damit könne sie auch den wirtschaftlichen Schaden für die Telefon- und Internetunternehmen begrenzen, denen für Vorbereitung und technische Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung sonst geschätzte 600 Millionen Euro Mehrkosten entstünden. Die Unternehmen haben für die Umsetzung bis zum 1. Juli 2017 Zeit. Das Gesetz war nach langer Debatte zwischen Union und SPD beschlossen worden, nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) seinen Widerstand dagegen aufgegeben hatte. In Deutschland müssen Telekommunikationsunternehmen ab Juli für zehn Wochen speichern, wann wer mit wem wie lange digital oder per Telefon kommuniziert hat. Standortdaten von Mobiltelefonen werden für vier Wochen gespeichert. Das Gericht hatte 2010 bereits das Vorgängergesetz für verfassungswidrig erklärt. Es monierte, dass es keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsehe und die Hürden für staatliche Zugriffe auf die Daten zu niedrig seien.

Autor: dts