Köln | Ein Zusammenschluss zahlreicher namhafter Kölner Bürger, unter ihnen auch bekannte Kölner Architekten fordert in einer Petition die Zusammenführung der Bauvorhaben „Archäologische Zone / Jüdisches Museum“ und „Sanierung und Erweiterungsbau des Stadtmuseums“ in einem einzigen Gebäude auf dem Rathausplatz mit an prominenter Stelle integrierter jüdischer Abteilung. Die Initiative fordert unter anderem auch die Realisierung des Museumsbaus in seiner ursprünglichen Größe entsprechend des im Wettbewerb prämierten Originalentwurfs. Zusätzlichen Platz sollen die Nutzung der freien Flächen unter dem historischen Rathaus sowie Teilen des Neubaus auf dem „Kaufhaus-Kutz-Grundstück“ schaffen.

Hierdurch könnte eine Gesamtausstellungsfläche von 1.000 Quadratmetern geschaffen werden, so Architekt Peter Busmann, der das nun seitens der Stadt beabsichtigte, rund ein drittel kleinere Jüdische Museum als „amputierte Version“ bezeichnet und ablehnt. Vor allem bemängelt er an der kleinen Variante des Museums, dass sie über keinen Haupteingang am Gebäude selbst verfüge, sondern nur über eine „Durststrecke“ von 300 Metern vom Alter Markt aus erreichbar sein soll. So sehe es die aktuelle Planung vor. Das, was dort gebaut werden solle, sei „weder Fisch noch Fleisch“. Auch Kollege und ebenfalls Mitinitiator Thomas Ludzak ist der Meinung, die Einsparungen bei der geplanten Umsetzung des Jüdischen Museums gingen zu weit, die Lösung sei „kleingeistig“ und stelle niemanden ernsthaft zufrieden.

Konzeptionell soll innerhalb der Mauern des durch die Initiative vorgeschlagenen Gebäudes auf dem Rathausplatz eine Begegnungsstätte entstehen. Unter dem  „Haus der Kölner Geschichte“ stellen sich die Initiatoren eine Gebäude vor, das die Stadtgeschichte neu interpretiert, das jüdische wie das römische Leben ebenso einbezieht wie die Rolle Kölns im Rheinland. Dazu gehörten am authentischen Ort ebenso das „Prätorium“ für die römische, wie die Archäologie um Mikwe und Synagoge für die jüdische Geschichte der Stadt. Durch das Mehr an Platz könnte auch die restaurierte Bima, der Ort, an dem die Tora innerhalb der im Progrom von 1349 zerstörten Synagoge aufbewahrt war, wieder an ihrem angestammten Platz aufgestellten werden. Die aktuellen Pläne für das Jüdische Museum sähen dies nicht vor. Ebenfalls soll der Mikwe, die sich tief unter dem ehemaligen jüdischen Viertel am Rathausplatz befindet, eine wichtige Rolle innerhalb des neu entstehenden „Hauses der Kölner Geschichte“ zuteil werden.

Als Kosten für die Errichtung des Jüdischen Museums stünden derzeit 52 Millionen Euro im Raum, so die Verantwortlichen hinter der Petition. Die Sanierung des Stadtmuseums im Zeughaus schlage ersten Schätzungen zufolge mit 27 Millionen Euro zu Buche. Legte man die beiden Beträge zusammen und würde sie in den Bau eines gemeinsamen Gebäudes investieren, so erhielte man statt zweier bestenfalls zweitbesten Lösungen eine gute. Hinzu kämen längerfristige Einsparungen bei den Betriebskosten, da nur ein Gebäude unterhalten werden müsste. Was allerdings künftig mit dem Zeughaus geschehen soll, ließen die Macher hinter der Initiative heute offen.

[infobox]

Infobox:

Der Vorschlag für das „Haus der Kölner Geschichte“ ist initiiert von:  Peter Busmann, Frank Deja, Thomas Luczak, Hans Mörtter und Martin Stankowski

Er wird (bisher) unterstützt von:
Lale Akgün, Gerhart Baum, Anton Bausinger, Jürgen Becker, Prof. Ulrich Coersmeier, Prof. Jost Dülffer, Prof. Werner Eck, Prof. Norbert Finzsch, Lutz Fritsch, Joachim Heinlein, Hans Henrici, Wolfgang Hippe, Prof. Heinz Günter Horn, Werner Köhler, Dieter Kublitz, Edmund Labonté, Renate Liessmann-Baum, Helge Malchow, Frank Möller, Rainer Osnowski, Christian Schaller, Boris Sieverts, Frank Schätzing, Arnd Schwendy, Arno Steffen, Wolfgang Strobel, Thor Zimmermann

Lesen Sie hier den Vorschlag zum „Haus der Kölner Geschichte“ im Originalwortlaut:

I
Geschichte
Das Quartier um das Rathaus ist der Kern der urbs Colonia mit Stadtgründung, Verwaltung, Repräsentanz von der Römerzeit bis heute. Es ist die politische Mitte der Stadt, die in einem Haus der Kölner Geschichte dar- und ausgestellt ist. Alles, was über die Authentizität und die Aura dieses Ortes gesagt wurde, trifft zu. Hier liegt der eigentliche Ursprung dessen, was heute „Zivilgesellschaft“ heißt in dem Bemühen Kölner Bürger, Autonomie gegenüber kirchlicher Macht und fremder Herrschaft zu gewinnen.

II
Judentum
Eine jüdische Gemeinde existierte schon in römischer Zeit. Ob sie die Wirren der Völkerwanderungszeit überlebt hat, ist umstritten. Doch vom frühen Mittelalter bis zur Vertreibung 1424 und der Zerstörung des jüdischen Quartiers lag das Zentrum der Kölner Juden in dem Gebiet um das Rathaus. Die Grundmauern und Reste der mittelalterlichen Synagoge, Mikwe, Wohnhäuser und Gemeinschaftseinrichtungen der jüdischen Gemeinde und weitere Bodendenkmäler dokumentieren dies vorzüglich. Sie sollen – ähnlich dem Prätorium für die römische Geschichte – als separater und archäologisch erschlossener Teil ihren entsprechenden Platz im Haus der Kölner Geschichte finden. Die Geschichte der Juden wird ebenso als Kölner wie als jüdisches Thema begriffen. Ein separates jüdisches Museum bedeutet dagegen den Verzicht, die Geschichte der Juden als integralen Bestandteil der Stadtgeschichte zu begreifen.

III
Stadtmuseum
Das „Kölnische Stadtmuseum“ in der Zeughausstraße ist baulich, ausstellungstechnisch und konzeptionell in einem erbarmungswürdigen Zustand. In diesem Jahr werden Planungsmittel für einen Architekturwettbewerb bereitgestellt, bei dem das Stadtmuseum im bisherigen Bestand von Zeughaus/Alte Wache eine in etwa verdoppelte Ausstellungsfläche erhalten soll. Dabei ist auch eine neue Konzeption vorgesehen. Die bestechende Idee ist, die Neuaufstellung des Museums mit einer Ortsveränderung zu begleiten.
Die Translozierung des historischen Museums der Stadt Köln zum Rathaus stellt eine authentische Situation zwischen Ort und Thema her, wie sie keine museale Szenografie und kein Marketing jemals erfinden kann. Das Haus der Geschichte positioniert sich am Ort der Geschichte, angefangen von der Römischen Gründung über das mittelalterliche „Haus der Bürger“ bis zum heutigen Sitz der Stadtspitze mit ihrem Oberbürgermeister. Dazu bedarf das bisherige „Kölnische Stadtmuseum“ allerdings eines völlig neuen Konzeptes, das zugleich die Rolle der Stadt als rheinische Metropole herausstellt.

IV
Städtebaulicher Raum
Das Areal zwischen Rathaus und An Farina sowie dem Wallraf-Richartz-Museum und dem Spanischen Bau ist nicht als Platz bzw. Fläche, sondern als Raum zu begreifen. Dieser Raum ist zwar gefasst, aber nicht gefüllt. Gerade wenn es um die Geschichte Kölns geht, muss man auch die Geschichte dieses Raums, seine städtebauliche Anordnung und Bebauung bis zum II. Weltkrieg aufnehmen. Heute handelt es sich doch eher um eine vom Krieg hinterlassene Freifläche, mit deren Gestaltung die Stadt keinen Platz verlieren, sondern im Gegenteil erst einen Raum gewinnen würde.

V
Museumsquartier
Die Nachbarschaft mit dem Wallraf-Richartz-Museum und die Lage vis-à-vis vom Rathaus und nur wenig entfernt vom Gürzenich schafft neben allen städtebaulichen und historischen Verdichtungen auch ein kleines Museumsquartier, zu dem natürlich Prätorium und die dann zugänglichen Teile jüdischer Geschichte in einer archäologischen Zone ihren Beitrag leisten. Es wäre das dritte Kulturquartier neben dem – auch leicht zu erreichenden – Dom/Römisch-Germanisches Museum/Museum Ludwig und dem Quartier am Neumarkt.
Das heutige Stadtmuseum fristet ja auch deswegen im Zeughaus ein Schattendasein, weil es zwar nach Metern nicht weit entfernt, aber durch Verkehrsführung und Autotrassen schlecht zu erreichen und damit nicht angebunden ist.

VI
Museumscluster / Via culturalis
Köln fehlt eine Gesamtpräsentation und Priorisierung der Museumslandschaft, sowohl für die Bürger und Bürgerinnen, wie für die Touristen und Besucher der Stadt. Die Diskussion um die angemessene Präsentation der Zeitschichten der Archäologischen Zone bzw. Jüdischem Museum wirft inhaltlich und räumlich auch die Frage nach dem Bezug der Stadtgeschichte zu anderen Museen und Orten der Geschichte in der Innenstadt auf. Hier muss ein museologisches Gesamtkonzept für Köln reklamiert werden, in jedem Fall der Zusammenhang zwischen Stadtmuseum/Haus der Kölner Geschichte samt Archäologischer Zone/Jüdischem Museum, Römisch-Germanischem Museum, EL-DE-Haus und auch mit der Germania Judaica und dem Historischen Archiv.
Könnte man nicht durch eine stärkere inhaltliche Bezugnahme als bisher die Stadt und ihre Geschichte im Sinne eines „kontinuierlichen Geschichtspuzzle“ erschließen? Gibt es einen inhaltlichen/arbeitsteiligen Bezug oder stehen die Museen jeweils für sich? Wo bekommt ein Tourist/Besucher eine zentrale Information, was es wo zu sehen gibt und welche Facetten der Stadtgeschichte wo repräsentiert sind? Gibt es eventuell eine „Rundlauflogik“ im Sinne eines von “Von hier nach hier, und dann nach dort …?“
 
Grundsätzlich bietet ein Innehalten die Möglichkeit, diese Häuser und Einrichtungen auf einen inhaltlichen und räumlichen Verbund zu prüfen und eine damit verbundene Arbeitsteilung einzuleiten (Museumscluster Innenstadt). Die Effekte liegen auf der Hand: Effizienz bei dem Vorhalten von Präsentationsräumen, Cross-Marketing gemeinsam und untereinander bis hin zu einem Kombiticket für den Besucher zum „Rundlauf durch die Geschichte Kölns und der Region“.
Die Verbindung der drei Kulturquartiere könnte auch die via culturalis entsprechend erweitern und das neue Haus zu einem Fixstern dieser Route machen.

VII
Architektur
Die Architekten des prämierten Entwurfs, Wandel Hoefer Lorch + Hirsch, haben einen ausgezeichneten Ruf. Ein Werk von ihnen wäre eine Bereicherung für die Stadt. Jedenfalls sollte es keinen  neuen Wettbewerb geben, vielmehr sollten diese Architekten ihre Pläne im Sinne der neuen Konzeption überarbeiten, nach einer Zeit des Innehaltens und unter Berücksichtigung der  anders gestellten Aufgabe. Diese müsste sich mit dem zu ermittelnden Raumbedarf auf folgende Bereiche erstrecken:
– Neubau  auf der gesamten Fläche zwischen  Portalsgasse und Obenmarspforten
– Untergeschoss des historische Rathauses  (Architekt Band) auf der Altermarkt-Ebene
– Flächen  des Haus Kutz, die nicht für die Erweiterung des WRM benötigt werden.
Erste Berechnungen von Architekten und fachkundigen Bürgern haben ergeben, dass die genannten Bereiche für das vorgeschlagene Konzept ausreichen.
Nicht notwendig jedoch wünschenswert wäre die Einbeziehung des sog. Roten Hauses in die Überlegungen.

VIII
Trägerschaft / LVR
Bis vor kurzem hat die Stadt Köln sich nie aktiv um die Trägerschaft einer städtischen Kultureinrichtung durch den LVR bemüht und auch im Falle der Archäologischen Zone/Jüdisches Museum ist das eher der Not geschuldet als der Einsicht in die kulturellen Kompetenzen des LVR oder einem veränderten Rollenverständnis der Stadt in der rheinischen Region. Nun ist ja – jedenfalls für viele Jahrhunderte – Kölner Geschichte auch weitgehend rheinische Geschichte, und ein altes Haus mit neuem Konzept hätte das zu berücksichtigen. Das wäre nicht nur möglich aufgrund des ungeheuren Fundus – von dem ja nur annähernd ein Zwanzigstel zu sehen ist und sein wird – sondern würde auch der eigenen Geschichte Rechnung tragen, war es doch ursprünglich das „Haus der rheinischen Heimat“. Das bietet auch die Chance einer gemeinsamen Trägerschaft von Stadt und LVR oder mit den Worten des LVR: „Es ist auch ein Gebot der dem LVR obliegenden regionalen Ausgewogenheit, ein Projekt von offensichtlicher regionaler Bedeutung in der bevölkerungsreichsten Stadt des Rheinlandes zu fördern“.

IX
„Stadtarchiv“
Die Geschichte der Stadt muss weiter erzählt werden. Nach dem Einsturz des Historischen Archivs im Jahre 2009 werden seine Sammlungen und Bestände wohl für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte unzugänglich sein, jedenfalls nicht in der gewohnten Form einsehbar und so wie bisher vielleicht auch nie wieder. Die Darstellung, Erforschung, Dokumentation der Kölner Stadtgeschichte hatte immer zwei Beine: Stadtarchiv und Stadtmuseum, wobei jede Einrichtung natürlich sehr spezifische Aufgaben hat und hatte und Schnittmengen nicht immer erkennbar sind. Ein neues Stadtmuseum/Haus der Kölner Geschichte wird – jedenfalls mindestens für eine Generation – diese Lücke zu bedenken und zu berücksichtigen haben.

X
Was tun?
Notwendig ist eine „Zeit des Innehaltens“ zum Weiterdenken, in der die folgenden Fragen beantwortet werden müssen:
* Welchen Denkmal- bzw. historischen Wert haben die freigelegten Bodendenkmäler/Archäologische Zone? Was kann, was muss gezeigt werden? Welche Grabungsergebnisse und welche der bisherigen Funde halten einer kritischen Bewertung stand?
* Wie können Prätorium, die freigelegten Teile der römischen Stadtmauer unter/vor dem Rathaus und die jüngst ausgegrabenen Teile des jüdischen Quartiers um Synagoge und Mikwe verbunden werden?
* Welche Größen benötigt ein verändertes „Haus der Kölner Geschichte“ an Ausstellungsflächen, Werkstätten, Büros usw.? Wie lässt sich das zusammen mit einem Archäologischen Teil in dem gesamten Komplex (inklusive „Haus Kutz“ und „Rotes Haus“) unterbringen?
* Wie sieht eine neue Konzeption für ein „Haus der kölnischer Geschichte“ aus? Wie müssen Translozierung an den neuen Ort, veränderte Funktion, überregionale Sichtweise, neue Trägerschaft usw. berücksichtigt werden?
* Was wäre ein belastbares Betriebskonzept?
* Bisher wurde das Projekt „Haus der jüdischen Kultur“ mal als Museum, mal als Begegnungsstätte, als lebendiger Lernort sowie als Ort für aktuelle jüdische Kunst und Kultur bzw. als archäologischer Schauraum gesehen. Was aber soll es sein?
* Welche Kosten sind realistisch? Wie sieht ein Vergleich der finanziellen Belastung für die Stadt unter Kosten-Nutzen-Aspekten sowie unter Berücksichtigung der zu erwartenden Betriebskosten aus zwischen der Summe aus zwei bestenfalls zweitbesten Lösungen (in Volumen, raumbildender Wirkung, Programm und Ausstellungsfläche erheblich reduzierter Schutzbau über den Ausgrabungen plus Renovierung und Erweiterung des Stadtmuseums am heutigen Standort) einerseits und dieser skizzierten Lösung andererseits, die hier stadtraumbildende, museale, kulturelle, archäologische und nicht zuletzt tourismusfördernde Vorteile vereinen würde?
* Wie kann das Land NRW konstruktiv in diesen Prozess einbezogen werden, um mit neuer Ausgangslage zu Förderzusagen zu kommen, die der bisherigen Archäologischen Zone/Jüdisches Museum weitgehend versagt blieben?
* Wie wird der Prozess in einem Verfahren dialogischer Entscheidungsfindung mit den Kölnerinnen und Kölner kommuniziert? Wie sehen Information und Diskussion mit garantierter Transparenz aus?

[/infobox]

Autor: Daniel Deininger
Foto: Mitinitiatoren Peter Busmann und Thomas Luczak mit dem Plan für das verkleinerte Jüdische Museum, den sie in dieser Form ablehnen.