Köln | Ein Gespräch mit Jochen Ott auf den neuen Treppen des Rheinboulevards. Über die soziale Stadt Köln, die Parteiendemokratie und Veedel. Jochen Ott will am 18. Oktober 2015 Kölner Oberbürgermeister werden und tritt für die SPD an. Das Gespräch führte Andi Goral.

ls Oberbürgermeisterkandidat kommt man in jede der Ecke der Stadt. Wie haben Sie die Stadt in den letzten Wochen erlebt?

Jochen Ott: Im Wahlkampf werden einem diese vielen verschiedenen Milieus und unterschiedlichen Menschen, die in dieser Stadt zusammen leben, sehr präsent. Wenn man unter der Woche von morgens bis abends unterwegs ist, dann ist man auf einem Straßenfest im Hahnwald und anschließend beim Sommerfest der muslimischen Frauen in Ehrenfeld. Das sind vollkommen unterschiedliche Lebensweisen, vollkommen unterschiedliche Vorstellungen vom Leben. Oder nehmen sie die Senioren in Bocklemünd und die Jugendlichen in Finkenberg. All das muss eine Stadt zusammen binden und das macht Metropole eben auch aus. Alle Gruppen müssen respektvoll miteinander umgehen und ein Oberbürgermeister muss alle Menschen vertreten.

War Ihnen dies schon immer  klar, man kennt ja diese allgemeine Sätze, wie 186 unterschiedliche Nationen leben hier und singt entsprechende Lieder, oder gab es auch neue Aspekte?

Natürlich kenne ich die Stadt, weil ich in der Stadt groß geworden bin. Viele Veedel habe ich auch durch meine politische Arbeit kennengelernt. Aber als Oberbürgermeisterkandidat bekommt man einen hautnahen Kontakt. Menschen kommen mit ganz konkreten Forderungen und Erwartungen auf einen zu und auch  unterschiedliche politische Gruppen in der Stadt. Und das ist glaube ich der Unterschied zu anderen Wahlkämpfen. Hier geht es um die Person. Deshalb sind eben auch konservative Wähler und liberale Wähler, auch grüne Wähler schon daran interessiert, was ist das für eine Person. Ganz besonders, wenn sie sich für eine Person entscheiden, dann spielt das auch eine besondere Rolle.

Reden wir über die soziale Stadt. Es gibt viele Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein in Köln. Wohnungsbau ist ein zentrales Thema. Sie sind auch GAG-Aufsichtsratsvorsitzender. Es gibt einen SPD Oberbürgermeister. Was wollen Sie anders machen? Sie sprechen ja davon, dass Sie 6000 Wohnungen pro Jahr bauen wollen, wie Olaf Scholz in Hamburg.

Für mich ist der Wohnungsbau die zentrale Frage. Wenn Köln die Herausforderung der wachsenden Stadt bewältigen will. Wir brauchen mehr Wohnungen und erleben gleichzeitig soziale Spannungen auf einem überteuerten Wohnungsmarkt. Sonntagsreden helfen nicht mehr weiter, sondern wir brauchen in der Spitze der Stadt, sprich im Büro des Oberbürgermeisters einen Beauftragten für die Fragen des Wohnungsbaus. Die Wohnungsbauleitstelle soll da angedockt werden. Wir müssen mit den Investoren und mit den Bauunternehmen dieser Stadt zu klaren Verabredungen kommen. Im Rahmen eines Bündnisses für Wohnen, müssen wir genau überlegen, an welche Stellen schaffen wir jetzt in den nächsten Jahren jedes Jahr 6000 Wohnungen. Es ist der absolute Schwerpunkt. Weder die Sozialdezernentin, die für geförderten Wohnungsbau zuständig ist, noch der amtierende Oberbürgermeister haben hier den absoluten Schwerpunkt gesetzt. Ich glaube, das muss man jetzt korrigieren. Die GAG hat genau wie alle anderen Wohnungsbauunternehmen das Problem, dass sie die entsprechenden Flächen zur Verfügung  gestellt bekommen muss, um zu bauen. Was die innere Struktur der GAG angeht, möchte ich, dass die GAG so schnell wie möglich von der Börse genommen werden kann. Ein erster Schritt ist gemacht. Das Diktat der Ausrichtung alleine auf Wirtschaftlichkeit führt dazu, dass manche Dinge nicht schnell genug vorangetrieben werden können. An diesem Thema haben wir in den letzten Jahren gearbeitet, um immer mehr Aktienanteile wieder an die Stadt zurückzubekommen und das muss schnellstmöglich geklärt werden.

Das Land NRW will Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau investieren? Ist das genug im Hinblick auf Großstädte wie Köln, die unter hohem Nachfragedruck stehen?

Wir haben die Förderbedingungen der NRW Bank unter Minister Groschek massiv verändert. Minister Groschek hat eine Verabredung mit der Stadt Köln im letzten Jahr unterschrieben, die mit 75 Millionen ausgestattet ist. Groschek sieht Köln hier einer Art Vorreiterrolle. Das Entscheidende ist aber, dass wir bei den Flächen und bei den Baugenehmigungen schneller vorwärts kommen müssen. Es nutzt alles Nichts, wenn alle gutwillig sind und die Baugenehmigung dauert fünf Jahre. Wir müssen jetzt die großen Projekte  Mülheimer Hafen, Deutzer Hafen, südliche Innenstadt, Porz-Mitte, Rondorf und Blumenberg-West, also die großen Wohnungsbauprojekte über das Büro des Oberbürgermeisters massiv anschieben. Nur so können wir in den nächsten fünf Jahren der Amtsperiode tatsächlich zu mehr Wohnraum kommen. In Hamburg ist es gelungen durch ein klares Monitoring von oben und hier in Köln muss das auch passieren.

Auch Private beklagen die Trägheit bei den Baugenehmigungen und Schwierigkeiten mit dem Bauamt. Das verantwortet ja ein gewählter Dezernent. Kann der Oberbürgermeister indem alles über sein Büro koordiniert wird, überhaupt an dieser Stelle eingreifen oder ist das nicht schwierig?

Ich glaube das Kernproblem ist, dass in dieser Stadt die Richtung vorgegeben werden muss, also klar gesagt werden muss, was hat absolute Priorität. Der Wohnungsbau hat absolute Priorität, die Beschäftigten sind an vielen Stellen deshalb überfordert, weil es zu wenig Personal gibt. In diesem Haushalt wurde Personal  zugesetzt und dieser Prozess muss fortgesetzt werden. Es muss dann aber auch allen Ämtern klar sein, dass wird kontrolliert. Nur so sorgen wir dafür die Durchlaufzeit der Baugenehmigungen ordentlich zu erhöhen. In Hamburg haben wir über 10.000 Baugenehmigungen im Jahr, daran müssen wir uns orientieren.

Ich glaube, am Ende werden die zuständigen Ämter in die Lage versetzt, dort beschleunigt zu arbeiten, wenn sie sehen, das hat absolute Priorität und man an der Spitze auch bereit ist, Entscheidungen zu treffen. Wohnungsbau führt auch immer dazu, dass einzelne Menschen vor Ort unzufrieden sind, weil sie sagen: Wohnungsbau grundsätzlich schon, aber nicht bei mir vor der Haustür. Wir müssen behutsam nachverdichten und die Flächen weiterentwickeln, damit wir genügend Wohnraum für all die Menschen haben, die dringend eine Wohnung suchen..

Eine Frage zu den Strukturen und Arbeitsweisen von Verwaltungen. Sprechen wir über den Begriff Design-Thinking, also Arbeitsprozesse, die vielleicht in Pilotprojekten getestet werden können. Prozesse die vom ausprobieren, evaluieren, optimieren und dann marktreif bekommen leben. Oder steht hier die Gesetzgebung im Weg, auf die sich Verwaltung immer berufen muss?

Ich glaube es würde sich lohnen, dass in der Tat auszuprobieren. Vor allem in der Automobilindustrie ist man solche Wege gegangen. Ich könnte mir das auf zwei Ebenen vorstellen. Zum einen im Themenfeld  Digitalisierung. Dort wird sich die Verwaltung neu aufstellen müssen und hier ist dies der geeignete Lösungsansatz und bezöge die Sachkompetenz der Mitarbeiter stark mit ein.  Und das Zweite ist die  Ausweitung des Veedelsmanagement. Das ist ja eins meiner Ziele. Die Bürger sagen, was ihnen in ihrem Veedel wichtig ist. Und die teilen ihre Vorschläge ja nicht nach Ämtern und Dezernaten auf. Hier könnte ein solcher Prozess genau passen. Die Vorschläge werden von einem Veedelsmanager mit Veedelsbudget aufgenommen und der plant und realisiert die Umsetzung. Neben dem Wohnungsbau würde ich Digitalisierung und Veedelsmanagement im Büro des Oberbürgermeisters ansiedeln.

Wie wäre das Verhältnis zwischen Bezirksvertretung und dem Veedelsmanagement?

Mein Veedelsmanagement bezieht sich nicht auf Bezirksvertretungsebene, sondern es in den einzelnen Stadtteilen an. Mein Ziel ist jeweils ein Veedelsmanager pro Stadtteil, also insgesamt 45 Stadtteilexperten. Sie wissen, dass dort wo die Menschen zu Hause sind, egal ob es in Lindenthal, in Meschenich, in Rodenkirchen oder meinetwegen in Porz-Eil ist, sie sich dafür interessieren, was in ihrem Stadtteil passiert. Und ich möchte, dass in diesen Stadtteilen gemeinsam die Vereine, aber auch die Bürger vor Ort sagen, was ist in unserem Quartier jetzt besonders wichtig. Also selbst eine interne Prioritätenliste aufsetzen. Die Menschen wissen ganz genau, man kann nicht alles gleichzeitig machen. Aber wenn man weiß, in dem einen Quartier fehlen Bänke, in dem anderen ein Spielplatz, im Dritten der Seniorentreff, dann kann ich das angehen. Im zweiten Schritt muss ich dafür sorgen, dass  jedes dieser Quartiere – jeder Sozialraumkoordinator – eine bestimmte Summe an Geld bekommt, mit der man vor Ort Veedelsmaßnahmen anschieben kann.

Müsste nicht der Städtebau mit dem ÖPNV besser vernetzt werden? Da werden riesige Neubauvorhaben auf der grünen Wiese, siehe Widdersdorf, realisiert und dann fehlt eigentlich eine optimale Anbindung und alle fahren wieder mit dem Auto in die Stadt. Gibt es Lösungen?

Bei allen neuen Projekten, die jetzt kommen ist das die Grundvoraussetzung. Es ist unverantwortlich  neue Stadtgebiete wie Zündorf ohne vernünftige ÖPNV Anbindung zu bauen. Der ÖPNV muss bei allen Planungen direkt mitgedacht werden. Angesichts der finanziellen Situation der Stadt, wird der Schwerpunkt des ÖPNV-Ausbaus da sein, wo gerade auch Wohnungsbau stattfindet. Hier haben wir eine gute Möglichkeit, zusammen mit den Investoren, diese Infrastruktur vorzuhalten. Bei Widdersdorf gehe ich fest davon aus, dass es über kurz oder lang eine Anbindung geben wird. Wenn man an Blumenberg denkt geht es nicht ohne Anbindung, das muss von Anfang an mitgedacht werden. Allerdings ist dazu auch wichtig, dass die Finanzierung des ÖPNV gesichert werden muss. Es war natürlich absurd, dass in ganz Deutschland die ÖPNV Vorfinanzierung ruhte, keine Projekte mehr geplant wurden, weil ab 2019 die Bundesregierung  die Mittel auf Null gesetzt hat. Vor kurzem wurde nun endlich eine Einigung zwischen Bund und Ländern zur zukünftigen Förderung des ÖPNV erzielt. Außerdem erhält Köln 52 Millionen Euro aus dem Investitionspaket für finanzschwache Kommunen. Damit sind wir endlich wieder handlungsfähig.

Also kommt der Wasserbus?

Wir haben jetzt zehn Jahre Dauerbaustelle auf den Kölner Autobahnen vor uns. Wir haben den Neubau der Leverkusener Autobahnbrücke, die Situation am Kölner Autobahnring und deshalb ist hier die spannende Frage: Ist es in einer solchen Situation nicht allemal richtig darüber nachzudenken, ob Menschen aus dem  Norden oder dem Süden Kölns mit dem Wasserbus schneller vorankommen? Es ist billiger einen Wasserbus als eine Straßenbahn zu kaufen. Ich habe immer gesagt, ich setze gute Ideen um. Natürlich Rot-Grün hat dazu einen Antrag gemacht und die Grünen haben es damals vorgeschlagen. Wenn ich das jetzt umsetze, können die Grünen sich doch freuen. Warum regen sie sich eigentlich so auf?

Immerhin schlugen die Wellen hoch…

Ja. Es ist genauso wie beim Großmarkt. Wissen Sie, wenn der Vorschlag mit dem Großmarkt in Wesseling von jemand anderem gekommen wäre, hätten in Wesseling bei Schwarz-Grün alle gesagt: „Ganz toll“. Aber es kam vom Falschen. Das ist genau das, was wir überwinden müssen. Jemand der eine gute Idee hat und ich erwarte von einem Oberbürgermeister, dass er Ideen hat, bin ich bereit diese einzubringen. Dann bin ich  bereit mit allen darüber zu streiten, ob die Ideen gut sind. Aber einfach nur verwalten, was andere  aufschreiben, das ist nicht mein Ding. Bei mir weiß jeder: Ich werde meine eigene Ideen einbringen und da werden manche dabei sein, die werden bejubelt werden. Andere werden sagen: „Der ist bekloppt“. Wichtig ist, dass die Stadt nach vorne kommt. Ich lade alle ein, gute Ideen beizusteuern und dann bringen wir Köln nach vorne.

Aktuell leben in Köln 8000 Flüchtlinge. Die Integration der Flüchtlinge wird sicherlich ein zentrales Thema der nächsten Jahre sein. Wie nimmt man Menschen mit, die in Köln ein neues Leben beginnen? Sehen Sie Konzepte?

Ich werde es mal mit den Worten der Kämmerin sagen. Die Kämmerin ist Frau Klug von den Grünen. Und sie hat öffentlich erklärt, es gibt in Köln kein Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen und sie wird jetzt  schleunigst nacharbeiten, damit wir eine Gesamtkonzeption haben. Und Frau Klug ist sicherlich nicht verdächtigt, in meinem Wahlkampfteam zu sein. Das zeigt aber, dass die Taskforce unter der Leitung von Frau Reker am Ende es nicht geschafft hat, einen Vorschlag zu machen, der der derzeitigen Situation gerecht wird. Ich halte es für die Grundbedingung, dass die Kölner Bevölkerung nun sieht, dass die Flüchtlinge, gleichermaßen auf alle Stadtbezirke verteilt werden. Weil alles andere dazu führt, dass die Leute sich ungerecht behandelt fühlen. Und es gehört auch dazu, dass man einzelne Veedel und Stadtteile nicht überfordert, sondern dass man die Willkommenskultur, die in Köln sensationell ist, überall lebt.

Die Belegung von Sporthallen zur Flüchtlingsunterbringung ist Gift für diese Willkommenskultur, weil sie dazu führt, dass Sportvereine und  Freizeitmannschaften hier ihren Sport nicht mehr machen können. Es ist zu befürchten, dass wir über kurz oder lang deren Unterstützung verlieren. Und  deshalb habe ich gesagt, wir müssen, wenn es notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle z. B. leerstehende Gewerbeimmobilien auch beschlagnahmen. Hier ist die Abwägung der Interessen Einzelner gegen die Hunderter. Ich wundere mich,  dass in jedem Gespräch mit der Kölner Bauwirtschaft konkrete Flächen angeboten werden. Sogar in Innenstadt-Lagen. Die Anbieter sagen alle die Stadt hat zurückgeschrieben, sie wäre nicht interessiert. Ich verstehe das nicht und kann deshalb nur sagen, da muss in der Organisation einiges verbessert werden. Ich freue mich jedenfalls darüber, dass Frau Klug sowohl den  Bezirksbürgermeistern, Bezirksamtsleitern als auch allen, die von außen Vorschläge gemacht haben, zugesagt hat, diese jetzt so schnell wie möglich zu prüfen.

Die Menschen sind nach ihrem Asylverfahren anerkannt und bleiben in Köln. Was ist dann wichtig, dass die Integration klappt?

Also zunächst einmal gibt es ja unzählige Willkommensinitiativen, die  sich gerade um Jugendliche oder junge Erwachsene kümmern. Ich habe jetzt gerade am Samstag in Dellbrück beim Fußballspiel acht junge Syrer getroffen, die seit einem halben Jahr in Köln sind. Ihre Wohngemeinschaft wird von der Kirchengemeinde, der SPD vor Ort, den Grünen und vielen anderen in Dellbrück unterstützt. Sie haben schon ganz gut Deutsch gelernt. Zum ersten Mal seit zwei oder drei Jahren haben sie wieder die Chance alleine in einer Wohnung oder in einem Zimmer zu schlafen und nicht mit acht Männern in einem Zimmer. Also wieder ein wenig Privatsphäre zu bekommen. Sie waren so glücklich, dass sie eine Chance bekommen. Sie sind hoch engagiert und begeistert. Und viele solcher Initiativen gibt es in ganz Köln.

Ich finde, dass wir vor allen Dingen da noch einmal hinsehen müssen, wo es vorhandene Angebote in Jugendzentren oder Jugendeinrichtungen gibt. Da ist der Bauspielplatz in Wahnheide, der schon Angebote macht, oder seien es die Schulen, wo es ja zum Beispiel Workstation Angebote gibt für Qualifizierung, also Übergang Schule – Beruf. Gerade für Jugendliche, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind und es mit der  Sprache schwierig ist. Die können sich handwerklich trainieren und so ihre Kräfte und ihre Fähigkeiten einbringen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir gerade an diesen Schnittstellen, Übergang Schule – Beruf und in der Frage der Jugendzentren, nochmal genau hingucken müssen, damit diese jungen Leute eine gute Perspektive bekommen. Und bei den Erwachsenen, da wünsche ich mir, dass wir sehr genau überlegen wie wir mit dem Arbeitsverbot umgehen. Ich glaube, dass es für Menschen nicht schön ist, wenn sie den ganzen Tag nichts zu tun haben. Und da haben wir rund um die vielen sozialen Träger in Köln wirklich genügend Know How, wo man gemeinsam mit den Ehrenamtlern der freiwilligen Agenturen Ansatzpunkte findet.

Viele Menschen und auch Unternehmen wünschen sich eine aktivere Rolle der Stadt. Also das die Stadt auf ihre Bürger und die Unternehmen zugeht. Können Sie das nachvollziehen?

Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Das Kernproblem ist, dass die Menschen häufig den Eindruck haben, es wird irgendetwas besprochen und dann passiert nichts. Und ich glaube, es muss ganz klar sein, wenn ein Dezernent oder der Oberbürgermeister konkrete Zusagen macht, dann müssen diese eingehalten werden. Wenn man an die Kölner Ringe denkt, dann ist es einfach beschämend wenn bis heute vermeintliche Konzepte in den Schubladen liegen und keiner in der Öffentlichkeit mal gesagt hat: „es könnte auch so aussehen“. Es muss einer vorantreiben und wenn die zuständigen Dezernenten das nicht machen, dann muss der Oberbürgermeister sie im Zweifel daran erinnern. Mir ist wichtig für die Zukunft, dass wir lösungsorientiert an die Dinge herangehen und nicht in erster Linie immer beschreiben, was nicht geht und das transparent.

Wie schaffen Sie mehr Dialog, auch mit dem Mittelstand?

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Ich habe einen Mayor’s talk in der Frage der Digitalisierung  vorgeschlagen. Zweimal im Jahr alle Start-Ups, alle Firmen im Bereich der Digitalisierung, die Anforderungen an die Stadt  haben einzuladen und mit ihnen zu sprechen. Damit wir als Kölner die Berliner  als Hauptstadt der Digitalisierung in Deutschland ablösen können. Dafür brauchen wir diese Jungs, dafür brauchen wir die Experten und müssen die zweimal im Jahr zusammenzutrommeln und ganz bewusst zu sagen: „So Freunde, wo stehen wir?, wo müssen wir hin? was fehlt?“. Hier sehe ich auch die Rolle des Beauftragten für Digitalisierung.

Es gibt einen Medienbeauftragten, der hat noch nie bei uns angerufen, seit 11 Jahren?

Ja das ist schlecht. Der ist auch nicht im Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt.

Ich hake noch ein wenig nach, wie kommt der Dialog voran…

Für mich geht es nicht um Frühstücksdirektoren, sondern für mich geht es um eine Struktur mit ganz konkreten Aufgaben. Daran will ich mich persönlich messen lassen. Es geht nicht darum, einen Arbeitskreis zu gründen, wenn man nicht mehr weiter weiß. Sondern es geht darum, tatsächlich voran zu kommen. Fakt ist: Unternehmen brauchen Hilfestellung, um durch den Verwaltungsdschungel zu kommen. Zudem habe ich den Eindruck, dass die Verbände nicht immer die Interessen von allen Unternehmen gleichermaßen auch öffentlich artikulieren. Ich nehme gerne Vorschläge an, wie man den Dialog verbessern kann. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Unternehmen in Köln insgesamt ja nicht unzufrieden sind. Das Kernproblem ist immer dann, wenn eine Verwaltung Genehmigungen erteilt, so z.B. wenn es um Baugenehmigungen,  Genehmigung von Sondernutzungen oder Ähnlichem geht. Diese dauern einfach viel  zu lang!

Sprechen wir über Elektromobilität. Es gibt Initiativen von städtischen Unternehmen, wie der Rheinenergie oder Unternehmen wie Ford. Ist die Stadt hier aktiv genug, muss sie nicht mehr Infrastruktur schaffen?

Mit der Smart-City Cologne sind wir auf jeden Fall auf einem Weg. Die Rheinenergie, die Stadt und alle Player sind in einem Bündnis zusammengeschlossen und haben schon eine Menge bewegt. Wenn man Elektromobilität ausweiten will, dann muss man natürlich die Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen. Und ich glaube auch, dass das geschehen wird. Ich  verspreche mir die größte Umsetzung von E-Mobilität über die Fahrräder, weil da man auf kurze Zeit – auch wegen der Kosten – wesentlich mehr Menschen erreichen kann. Die Verkaufszahlen bei den E-Bikes und dem Touristikbereich zeigen, dass es für viele besonders interessant ist. Im Verleihsystem der KVB sehe ich eine Chance. Jeder hat seine Batterie zu Hause und kann die dann an ein E-Bike der KVB klemmen und selbst entscheiden, ob er treten oder rollen will. Bei den Automobilen sehe ich noch zu viele Vorbehalte und die Stückzahlen der E-Autos sind zu gering. Hier brauchen wir zumindest an den Tankstellen einen Netzanschluss. Und die Stadt muss mit eigenen Elektrofahrzeugen und gutem Beispiel vorangehen.

Fehlt nicht hier am Rheinboulevard, obwohl gerade neu gebaut eine Stromtankstelle für Pedelecs als klassisches Ausflugsziel?

Ich kann mir vorstellen, dass wir perspektivisch insbesondere die Laternen oder Haltestellen der KVB nutzen, um dort Ladestationen zu ermöglichen. Also dort wo wir Schnittstellen haben. Aber ich glaube wir brauchen einen langen Atem. Und die E-Autos werden nicht unsere Stauproblematik lösen, denn Auto bleibt Auto.

Ist die Stimme Kölns in den letzten Jahren im politischen Deutschland und seinen Gremien stark genug gewesen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Köln einen politischen Oberbürgermeister braucht. Ein Oberbürgermeister, der in Düsseldorf und in Berlin klar und deutlich artikuliert, was diese Stadt will. Ich glaube, dass ich viele Erfahrungen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen gesammelt habe. Ich habe gelernt, dass nur mit einer starken Lobby und einer Zusammenarbeit mit den Playern in der Stadt, also Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden, man gemeinsam stark nach außen auftreten kann. Köln hat eine besondere Herausforderung und ist in einer besonderen Situation: Wir sind eine Millionenstadt, aber nicht Bundesland und nicht Landeshauptstadt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir noch mehr trommeln als alle anderen. Es gab in der Vergangenheit Oberbürgermeister von Köln, die eine starke überregionale  Stimme hatten und das muss wiederkommen.

In den Diskussionsrunden zwischen Ihnen und Frau Reker ist die politische Konstellation im Rat eigentlich nie Thema. Also diese Zusammenarbeit zwischen den Parteien und dem Oberbürgermeister. Wie finden sich etwa in Zukunft Mehrheiten. Frau Reker ist parteilose Kandidatin, die ja von drei Parteien unterstützt wird. Wie schätzen Sie die politische Situation nach der Wahl ein?

Ich bedauere sehr, dass aufgrund der Konstellation zu vielen Themen, die die Kölner beschäftigen und wo es zwischen den Parteien massive Konflikte gibt, keine konkreten Antworten der Gegenseite gibt. Es gibt nach meiner Auffassung Themen bei denen sich  CDU, FDP und Grüne niemals auf ein gemeinsames Vorgehen einigen werden und können. Ich finde das sehr schade, weil ich immer dachte, Demokratie und demokratische Wahlen sind dafür da, dass die Menschen vor der Wahl schon wissen wofür wer steht. Ich halte es für wichtig, dass eine Stadt wie Köln einen Oberbürgermeister hat, der eigene Ideen mitbringt. Wer keine Mehrheit im Rat hat und sich unter den Parteien stets aufs Neue Mitstreiter suchen muss – das erfordert Geduld und Geschick. Und braucht viel Zeit. Zeit, die wir angesichts der anstehenden Herausforderungen nicht haben. Das gilt es zu verhindern!

Ein Vorwurf gegen Sie ist ein Vertreter des alten Parteiensystems und des Kölner SPD-Parteifilzes zu sein. Was sagen Sie Ihren Kritikern?

Finde ich lustig. Ich bin derjenige, der erstens den SPD-Filz in dieser Stadt vor über 14 Jahren gemeinsam mit Martin Börschel aufgeräumt hat. Zweitens ich bin derjenige, der mit Martin Börschel und anderen zusammen dafür gesorgt hat, dass bei allen Ausschreibungen für Städtische Gesellschaften Führungskräfte aus der ganzen Republik immer mit Personalberater geholt worden sind und es heute keine Diskussion mehr gibt. Diese Vorstände und lassen Sie mich nur Dieter Steinkamp nennen, sind heute fachlich vollkommen unbestritten. Die SPD hat seit 2004 immer ein Wahlergebnis zwischen 26 und 30 Prozent und das ist nach Adam Riese weit weg von 50 Prozent. Viele Beschlüsse in den vergangenen Jahren sind mit anderen Parteien  gemeinsam, teilweise mit großen Mehrheiten, getroffen worden. Im Stadtvorstand gibt es drei parteilose Dezernenten, insbesondere die Grünen regieren in dieser Stadt quasi, mit kurzen Unterbrechungen seit 15 Jahren mit und die CDU hat hier fast zehn Jahre den Oberbürgermeister gestellt. Ich glaube, jeder der sich ernsthaft damit  beschäftigt weiß, dass der Vorwurf grober Unfug ist. Das wurde inzwischen auch vom Kölner Stadt-Anzeiger festgestellt. Nein. Hier geht es um die Frage, welches Bild hat man vom Oberbürgermeister. Ich will und werde wie bisher auch sehr transparent und klar deutlich machen wofür ich stehe. Ich glaube in dieser Stadt tut es den Menschen einfach gut, wenn sie wissen, woran sie beim Oberbürgermeister sind.

Im Bund regiert CDU und SPD gemeinsam, im Land die Koalition von SPD und Grünen. Ihre schärfste Konkurrentin ist parteilos. Glauben Sie vor das es wichtig ist für einen Kölner Oberbürgermeister ein Parteibuch zu besitzen?

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Parteiendemokratie.  Ich habe auch als Lehrer vor vielen Jahren immer diejenigen unterstützt, die sich engagiert haben, sei es bei der Jungen Union, sei es bei den Falken oder sei es in Jugendverbänden. Ich finde es ganz wichtig, dass diese Demokratie auch in Zukunft weiter leben kann durch Menschen, die bereit sind, sich in Gruppen, in Verbänden und Parteien einzusetzen. Von daher finde ich es gut, wenn Leute dieses Bekenntnis abgeben. Jeder weiß, dass nicht alles, was in einer Partei, Gewerkschaft oder in einem Verband gemacht wird, immer die eigene Zustimmung findet. Es gibt immer Dinge, die einen auch ärgern. Aber es gibt bestimmte Grundwerte für die man steht. Deshalb finde ich es gut, wenn Leute sich politisch engagieren und auch in Parteien aktiv sind.

Deshalb werde ich auch Einrichtungen wie den Kölner Jugendring, wo solche Leute zusammengeschlossen sind, auch als Oberbürgermeister massiv unterstützen, weil sie für die Zukunft der Demokratie wichtig sind. Mir ist vollkommen klar, dass man in den überregionalen Organisationen viel mehr Druck entfalten kann, wenn man im eigenen Laden, sei es nun gegenüber der Ministerpräsidentin im Landesverband der SPD,  oder sei es umgekehrt im CDU-Landesverband oder Bundespräsidium der CDU Frau Merkel gegenüber sitzt, Positionen klar und deutlich vertreten kann. Wichtig ist immer, dass man die innere Freiheit hat, sich auch kritisch mit der eigenen Partei auseinanderzusetzen. Ich bin bekannt dafür in dieser Stadt, dass ich nie einen Hehl daraus gemacht habe, meine eigene Partei zu kritisieren. Ich bin auf Bundes- und Landesebene und auch in Europa gut vernetzt. Ich glaube, dass es für Köln sicherlich eine Stärkung ist, wenn die Spitze diese Zugänge in Düsseldorf, Berlin und auch in Brüssel hat.

Metropolregionen werden immer wichtiger, denkt man etwa an London und die Olympischen Speile 2012 zurück. Ein Satz zur Metropolregion Köln, Bonn und Düsseldorf …

Also Jürgens Roters hat, und das lässt sich ja nachweisen, spätestens seit dem Antritt von Thomas Geisel im Zusammenspiel mit den IHKs im Bereich Niederrhein und Rheinland, was die Metropolregion Rheinland angeht, eine ganze Menge bewirkt. Auf Landesebene insbesondere die Frage, gibt es überhaupt noch ein Metropolregion? Es gab ja in Zusammenhang mit der Diskussion des Landesentwicklungsplans viele Diskussionen dazu. Die ersten Schritte sind getan. In der konkreten Umsetzung kommt die Bewährungsprobe noch. Region spricht sich im ersten Moment immer gut aus, weil viele wenn sie in Urlaub fahren sich als Kölner sehen, Karnevalslieder singen und sagen „ich bin us Kölle“, Köln geht ja im Zweifel bis nach Düren. Das Problem ist nur, wenn es hart auf hart kommt, wollen die Umlandgemeinden an vielen Stellen mit Köln gar nichts zu tun haben und ständig den großen Bruder fürchten. Wir brauchen eine neue Vertrauensoffensive.

An Fragen wie dem Großmarkt kann man das gut festmachen. Wir müssen die nächsten fünf Jahre nutzen die besten Ideen zu diskutieren und umzusetzen? Wie kann man in der Region gemeinsam ein Projekt entwickeln, wie Gewerbesteuereinnahmen und Kosten verteilen. Ich  gehe davon aus, dass man nur so einen Schritt weiterkommt. Oder nehmen Sie den Wohnungsbau: Da müssen die Schwarz-Grün regierten Kommunen rund um Köln, sich ganz einfach mal die Frage stellen, ob sie zum Großraum Köln gehören und wenn wir Wachstumsregion sind, dann muss da eben auch Wohnungsbau stattfinden. Dann kann die kleine Kommune nicht so tun und im Rat beschließen, wir sind keine Wachstumsregion, wir wachsen nicht. So funktioniert das nicht. Die Frage des Wachstums und die Frage der Zusammenarbeit in der Region muss ganz eng miteinander kommuniziert werden. Wir werden diese Herausforderung nur schaffen, wenn wir es gemeinsam angehen und da kommt auf den Oberbürgermeister sicherlich eine besondere Verantwortung zu.

Herr Ott, wir danken für das Gespräch.

Autor: Andi Goral