Köln | Der Fotograf heißt Wilhelm Schreiner und war gelernter Ingenieur für Chemie und das Hüttenwesen. Stieg dann allerdings im Atelier des Vaters ein, der erfolgreich Industrie- und Stadtansichten aus der Vogelschauperspektive im 19. Jahrhundert malte. Schreiner war bislang bekannt als Aquarellmaler der das alte Köln in hellen Farben und ein wenig verniedlicht darstellte. Jetzt zeigt das Kölnische Stadtmuseum seine Fotos, die ihm oft als Vorlage für seine Aquarellmalerei dienten. Sie sind nicht aufgehübscht.

Den Umbruch in den großen Städten dokumentiert

Wilhelm Schreiner, geboren 1852 in Siegen lebte bis 1922 in Köln. Bekannt sei er, so Mario Kramp, der Direktor des Kölnischen Stadtmuseums durch seine Kölner Idyllen. Und so sei er zunächst gar nicht begeistert gewesen, als ihm Rita Wagner, die Kuratorin der Ausstellung, diese angetragen habe. Dafür begeistert sich Kramp jetzt umso mehr und setzt die Fotos von Schreiner, die bislang eher unbeachtet blieben, in eine Reihe mit Fotografen wie August Stauda aus Wien oder Charles Marville aus Paris. Diese haben eines gemeinsam. Sie zeigen in dokumenarischer Form wie das Alte in Zeiten des Neuen sich verändert. Die Städte wachsen, in den mittelalterlich geprägten Zentren herrscht drangvolle Enge. Rita Wagner erklärt sich die vielen Kinder auf den Fotos von Schreiner, damit, dass diese auf die Straße im Sommer, wie im Winter geschickt wurden. 10-köpfige Familien hätten zu der Zeit als die Fotos entstanden sind zu zehnt in einem Zimmer gewohnt.

Der Dreck, der Abbruch des Alten Köln

160 Fotografien Schreiners sind im Bestand des Kölnischen Stadtmuseums. Es gibt einen weiteren Bestand an Arbeiten im Siegerland Museum, diese sind aber wegen Umbauarbeiten nicht zugänglich. Die Kölner Bestände fanden 1907 den Weg in das damalige Historische Museum der Stadt Köln für 10.000 Reichsmark. Rita Wagner, die den Schatz gehoben hat, sagt, die Fotos geben einen ungefilterten Eindruck auf die Kölner Altstadt in den Jahren 1880/90 wieder. Schreiner war mit seiner Plattenkamera unterwegs, um vor allem die Architektur festzuhalten, die er dann im Atelier auf seine Aquarelle übertrug Die Personen, die auf den Fotos zu sehen sind, nutzte der Maler Schreiner nicht und wenn dann nur idealisiert, zog ihnen weiße Schürzen an. Die Fotos zeigen Köln ungeschönt mit seinem Dreck, seinen schiefen Häusern, den Abbruch. Die Aquarelle idealisiert. Dabei liegt der Fokus des Fotografen auf der Altstadt und weniger auf der Neustadt, die gerade entsteht. In der Altstadt leben die Armen, die Reichen sind längst der Enge entflohen und wohnen in Lindenthal. Als die Fotos von Schreiner entstehen, leben in der Kölner Altstadt 39.000 Menschen auf einem Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Mumbai leben auf der gleichen Fläche heute 29.000 Menschen.

Faszinierende Fotos aus dem alten Köln

Die Fotos faszinieren. Da muss man Kramp und Wagner Recht geben, die zur Ausstellung einen Katalog aufgelegt haben. Da steht das kitschige Aquarell eines Abbruchs eines Halbturmes der alten Stadtbefestigung, neben der realen Darstellung. Die Eigelsteintorburg nicht hübsch restauriert, sondern fleckig und dreckig. Bemerkenswert ist auch ein Foto und Aquarell des Deutzer Schützenfestes. Auf dem Boden liegt Müll. Den kopiert Fotograf und Maler Schreiner, beschönigt nichts, aber die Frauen werden mit strahlend weißen Kleidern und nicht schwarzen dargestellt. Die Fotos des Abbruchs der Stadtmauer am Thürmchenswall zeigen eindrucksvoll die Dimension der Mauer. Auch das Foto des Alten Zollhafens, der sich vor dem heute so bekannten Altstadtpanorama befand, zeigt eine ganz andere Ansicht auf Köln. Das Chaos der Schiffe die festgemacht haben. Es sind Schienen zu sehen, ein Turm.

Die Ausstellung ist sehenswert. Wer allerdings mit großen Bildformaten rechnet, der wird entäuscht sein, denn die Fotos sind allesamt klein. Schreiner brauchte sie für seine Vorlagen nicht größer. Für Liebhaber der Kölner Geschichte und die Zeit des Umbruchs in den großen Städten ist der Katalog zur Ausstellung sehr empfehlenswert, weil dieser einen Blick auf den europäischen Kontext wirft und die Kölner Entwicklung in einem erweiterten historischen Kontext zeigt.

Die Ausstellung

„Köln ungeschönt. Wilhelm Scheiner als Fotograf“

Das Kölnische Stadtmuseum zeigt die fotografische Arbeit Wilhelm Schreiners
November 2015 bis 24. April 2016
Kölnisches Stadtmuseum
Zeughausstraße 1-3

Der Katalog

Köln ungeschönt

Wilhelm Schreiner als Fotograf
Nünnerich-Asmus Verlag
128 Seiten, 122 Abbildungen
22 x 27 cm gebunden
ISBN 978-3-945751-29-9
24,90 Euro

Autor: Andi Goral
Foto: Köln am Buttermarkt um 1890, fotografiert von Wilhelm Schreiner. Gesehen von Norden.