Düsseldorf | Der Wähler hat entschieden: Linke raus, Piraten rein und Rot-Grün an die Macht. Bis das Votum der nordrhein-westfälischen Wähler in die Praxis umgesetzt wird, vergehen allerdings noch ein paar Tage. Es herrscht reges Treiben im Düsseldorfer Landtag. Enttäuschte Wahlverlierer packen ihre Kisten, während frisch gebackene Neu-Parlamentarier ihre künftige Wirkungsstätte erkunden.

Frischen Wind in die ehrwürdigen Räume des Landtages bringen in diesen Tagen die Piraten. Die Polit-Neulinge ziehen dank ihres starken Ergebnisses von 7,8 Prozent mit gleich 20 Abgeordneten in das Parlament ein. Keiner der 28 bis 54 Jahre alten Piraten verfügt über parlamentarische Erfahrungen. Die künftige Piraten-Fraktion fängt bei Null an.

Für die ersten Treffen steht den Piraten ein enger Raum im Erdgeschoss zur Verfügung. Eine lange Tischreihe, rund 20 Stühle und eine große Schrankwand – mehr gibt es nicht. Erst in den kommenden Tagen werden die neuen Abgeordneten ihre künftigen Büroräume beziehen können. Die Arbeit haben sie dennoch schon aufgenommen.

Gelebte Transparenz

Bevor die Fraktionssitzung beginnen kann, gilt die volle Aufmerksamkeit erst einmal der Technik. Standesgemäß bringt jeder Pirat einen Laptop mit und baut diesen vor sich auf. Auch die Live-Übertragung der Sitzung per Webcam muss eingerichtet werden. Jeder interessierte Internetnutzer soll die Möglichkeit bekommen, das Tun und Wirken der Piraten mitzuverfolgen. Gelebte Transparenz. Ist die Internetübertragung für ein paar Minuten gestört, wird gleich die ganze Sitzung unterbrochen.

Thematisch widmen sich die Piraten zum Anfang einer grundlegenden Frage: Wird in der Landtagskantine Club-Mate angeboten? Das koffeinhaltige Erfrischungsgetränk wird auch liebevoll Hackerbrause genannt und gilt als Lieblingsgetränk vieler Computerfreaks. Der Umstand, dass es bislang nicht zum Sortiment der Kantine gehört, wollen die Piraten ändern.

Auch mit der technischen Ausstattung im Landtag sind die neuen Abgeordneten noch nicht ganz so zufrieden. Tablet-PCs? Zu alt. Netbooks? Ganz brauchbar. Im parlamentarischen Alltag wollen die Piraten stattdessen überwiegend ihre eigenen Geräte benutzen. Sowieso haben sich frühere Landtagsabgeordnete offenbar nicht so sehr für Technik interessiert. „Noch nie wollte eine Fraktion die Serverräume sehen“, berichtet Pirat Lukas Lamla vom Treffen mit der Landtagsverwaltung. Breites Grinsen in den Gesichtern der übrigen Piraten. Alle sind sich bewusst, dass sie mit ihrer unkonventionellen Art und Weise noch häufiger anecken werden in den kommenden Wochen.

Linke müssen ihre Sachen packen

Eine Etage höher ist in den Räumen der bisherigen Linksfraktion die Stimmung nicht ganz so entspannt. Magere 2,5 Prozent erhielt die Partei bei der Wahl und fliegt damit nach nicht einmal zwei Jahren wieder aus dem Landtag. Zwar deuteten schon die Umfragen vor der Wahl darauf hin, dass die Linke nicht über die Fünf-Prozent-Hürde klettert. Dass es nun tatsächlich so gekommen ist, überrascht dennoch viele. Elf Abgeordnete und 55 Mitarbeiter müssen so schnell wie möglich ihre bisherigen Büros räumen. Über die eigene Gefühlslage wollen die meisten nicht sprechen. Zu groß die Enttäuschung und zu ungewiss die berufliche Zukunft.

Auch Christian Piest packt seine Sachen. Der Referent für Wissenschafts- und Hochschulpolitik arbeitet seit Oktober letzten Jahres für die Linksfraktion und unterzeichnete nur zwei Tage vor der Landtagsauflösung einen Mietvertrag für eine neue Wohnung – um näher am Landtag zu wohnen. Auch wenn Piest zusammen mit dem schlechten Wahlergebnis seinen Job verloren hat, gibt er sich pragmatisch. „Wer hier arbeitet, der weiß, dass man vom Wählervotum abhängig ist“, sagt er. Der Landtag sei nun mal ein Mietshaus und kein Eigenheim.

Ganz so sachlich sehen das nicht alle. Manch ein Linke-Politiker schämt sich in diesen Tagen sogar, mit seinen Kartons durch das Foyer des Landtages zu gehen. Der unbehelligte Gang durch die Tiefgarage wird bevorzugt. In spätestens fünf Jahren, wenn wieder gewählt wird, könnte es schon wieder anders sein. Dann entscheidet der Wähler aufs Neue über Kommen und Gehen im Düsseldorfer Landtag.

Autor: Christian Wolf, dapd | Foto: Nigel Treblin/dapd
Foto: Anhaenger der Piratenpartei probierten gleich am 13.5.2012 in Düsseldorf im Landtag die Stühle im Plenarsaal aus