Köln/Berlin | Angela Merkel gab in der „ARD“-Talkshow „Anne Will“ ein Einzelinterview. Sie sparte nicht mit Kritik und dachte öffentlich über eine Veränderung des Infektionsschutzgesetzes und mehr Rechte des Bundes in der Pandemie nach. Die Kritik kam prompt, etwa von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet, von Merkel genannt, kommt zunehmend unter Druck und fordert jetzt eine MPK in Präsenz in kleinerem Teilnehmerkreis. Aus der FDP meldete Wolfgang Kubicki zu Wort und empfahl der Kanzlerin sich mit dem Rechtsaufbau der Bundesrepublik Deutschland auseinanderzusetzen.

Laschet fordert Präsenz-MPK

CDU-Chef Armin Laschet hat eine Abkehr von den Bund-Länder-Runden in Form von Videokonferenzen gefordert. Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz müsse in Präsenz tagen, sagte der nordrhein-westfälische Regierungschef am Montagmittag in Berlin. „Der Teilnehmerkreis muss wieder beschränkt werden.“

Eine MPK wie die letzte könne so nicht wieder stattfinden. „Es kann kein `Weiter so` geben.“ Man dürfe nicht mehr „über Stunden vor Bildschirmen sitzen“, wobei jedes Wort durchgestochen werde, so Laschet.

An seiner Corona-Strategie will der CDU-Politiker auch nach Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offenbar festhalten. Man müsse Anreize schaffen, damit sich mehr Menschen testen lassen – unter anderem durch die Öffnung von Geschäften für negativ getestete Personen. Merkel den Ministerpräsidenten am Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“ eine zu abwartende Haltung in der Coronakrise vorgeworfen und sie zu einer härteren Gangart aufgefordert.

Dabei nannte sie auf Nachfrage auch explizit Laschet, auch wenn er „nicht der Einzige“ sei, der die Vereinbarungen der Bund-Länder-Runden nicht einhalte.

NRW-Vizeministerpräsident weist Kritik des Kanzleramts zurück

NRW-Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) hat die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an den Bundesländern zurückgewiesen. Die Kritik des Bundeskanzleramts sollte sich „auf die eigenen Versäumnisse konzentrieren und diese Mängel beheben“, sagte Stamp der „Welt“ (Dienstagsausgabe). Das gelte gerade „angesichts der Mängel bei der Impfstoffbeschaffung, der langen Dauer der Zertifizierung von Tests und der traurigen Bilanz der Corona-Warn-App, für die der Bund verantwortlich ist“.

Der Landesfamilienminister sagte weiter mit Blick auf Merkels Aussagen bei „Anne Will“: „Kontaktreduzierung ist weiterhin richtig und dringend notwendig. Mittlerweile gibt es aber weitere Instrumente zur Eindämmung der Pandemie. Dazu gehört die umfassende Testung. Daher ist es richtig, verstärkt auf personalisierte Schnelltests zu setzen, mit denen ein Einkauf möglich ist. So wird ein Anreiz zum Testen und damit verbunden auch eine verstärkte Entdeckung von asymptomatischen Infektionen ermöglicht. Dies setzen wir in Nordrhein-Westfalen um.“

Kubicki kritisiert Merkels Talkshow-Auftritt

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat harte Kritik an den Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Talkshow „Anne Will“ geübt. „Als es letzte Woche hieß, man wolle das Format der MPK überdenken, war meine Erwartung nicht, dass die Kanzlerin nun über Talkshows mit den Ministerpräsidenten verhandelt“, sagte Kubicki dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Der Vorwurf der Bundeskanzlerin, die Länder würden das Recht nicht richtig anwenden, und die „unverhohlene Drohung“, das Infektionsschutzgesetz in Reaktion darauf zu ändern, sei „keine Lappalie“, fügte er hinzu.

Kubicki kritisierte, offensichtlich werde die Kanzlerin „schon lange rechtlich gar nicht mehr oder sehr schlecht beraten, siehe Osterruhe“. Mit Blick auf die Sendung am Sonntag könne er ihr nur empfehlen, „sich nochmal explizit mit unserem Staatsaufbau und dem Rechtscharakter der Ministerpräsidentenkonferenz auseinanderzusetzen“. Deutschland bleibe auch in der Pandemie ein Bundesstaat.

Ramelow kritisiert Merkel-Auftritt bei Anne Will

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für Äußerungen in der ARD-Sendung „Anne Will“ kritisiert. „Ich reagiere da jetzt mit einer gewissen Schärfe, weil ich es wirklich leid bin, mir anhören zu müssen, was man hätte tun müssen, aber selbst tatsächlich nichts getan hat“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Er fordere schon seit Langem einen Stufenplan und einheitliche Regeln für ganz Deutschland.

„Wenn die Kanzlerin das auch thematisiert, soll es mir recht sein. Ich bin nur irritiert, dass sie das jetzt als Drohkulisse aufbaut. Denn es waren mehrere Ministerpräsidenten, die bei der vorletzten Ministerpräsidentenkonferenz ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht haben, dass es wieder keinen Stufenplan gibt und nur ein paar dürre Eckpunkte über Inzidenzen. Deshalb ärgere ich mich ein bisschen über die Tonart.“ Ramelow beklagte zudem, dass das Saarland zusätzliche Impfdosen bekommen habe, obwohl die Inzidenzen in großen Teilen Thüringens viel höher lägen. Auch habe Bayern kurz vor der letzten Ministerpräsidentenkonferenz „die Baumärkte aufgemacht“.

Merkel müsse deshalb „Ross und Reiter nennen“. Gegen eine von Merkel ins Spiel gebrachte Änderung des Infektionsschutzgesetzes, um einheitliche Regeln verbindlich zu machen, habe er jedenfalls nichts einzuwenden, sagte der Linken-Politiker. Doch eine kurzfristig angesetzte neue Ministerpräsidentenkonferenz bringe nichts, wenn nicht klar sei, was dabei herauskommen solle.

Autor: dts, red