Köln | Magali Mohr hat am University College London im Studiengang Msc Global Migration ihre Masterarbeit über Geflüchtete und deren Unterbringung in der Stadt Köln geschrieben. Der Titel der Arbeit „The Construction of Refugee Housing and „Home“ in the Dispersed City – A Case Study of the City of Cologne“. Report-K sprach mit Magali Mohr über den Rückbau von Wohnheimen für Geflüchtete, den runden Tisch für Flüchtlingsfragen und die Kölner Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen.

Warum hat Köln Leitlinien für die Flüchtlingspolitik

Mohr untersuchte in ihrer Arbeit Köln, weil die Stadt lange als Einzige Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen hatte. Seit 2004, denn damals beschloss der Rat der Stadt, diese Grundsätze. Grund für die Leitlinien war die skandalöse Unterbringung von Flüchtlingen kurz nach der Jahrtausendwende. Die Polizei führte Razzien in Flüchtlingsheimen durch und im Dezember 2002 wurden Flüchtlinge auf einem Schiff mit Wohncontainern untergebracht. 190 Flüchtlinge wohnten damals zu viert in 16 Quadratmeter großen Kabinen. Die Menschen konnten sich nichts kochen und die Bedingungen waren skandalös. Die Unterbringung auf dem Schiff wurde 2003 eingestellt und 2004 beschloss der Rat die wegweisenden Leitlinien, dass Flüchtlinge dezentral untergebracht werden sollten. Im Jahr 2003 wurde Marlis Bredehorst Sozialdezernentin der Stadt Köln.

Weniger Wohnheime für die Erstaufnahme trotz Warnungen und steigender Flüchtlingszahlen

Das Amt für Wohnungswesen führt eine Statistik, die Mohr ausgewertet hat. Sie zeigt die Zahl der Flüchtlinge, die in Köln von 2004 bis 2013 untergebracht waren und nennt die Zahl der Wohnheime. Waren 2004 noch über 4.000 Flüchtlinge in Köln, so waren es am 31. August 2013 noch 2.463 Flüchtlinge. Heute sind es über weit über 10.000. Die Stadt Köln betrieb 2004 genau 56 Wohnheime und 2013 nur noch 31 Wohnheime für Geflüchtete. Im Zuge des Ratsbeschlusses waren 2007 bis 2008 rund 3.000 Menschen in Privatwohnungen untergebracht, eine positive Entwicklung, wie Mohr feststellt, die den Leitlinien entspricht. Aber genau in diesem Zeitraum wurden auch 3.000 Plätze in Wohnheimen abgebaut. Die Zahl der Flüchtlinge war auf knapp über 1.500 gefallen.

Im Jahr 2009 erreichte sie den niedrigsten Wert, allerdings deutete sich in diesem Jahr ein Anstieg an. Am 31. März 2009 wurde bekannt, dass bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer mehr als 200 Bootsflüchtlinge ums Leben gekommen waren. Sie wollten von Libyen aus nach Lampedusa übersetzen. 2010 meldete die Bezirksregierung Arnsberg, die in NRW zentral für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist, an die Kommunen, dass diese mit rapide steigenden Flüchtlingszahlen rechnen müssten. Auch die Kirchen, so Mohr, warnten damals. In Köln passierte aber zunächst einmal nichts, die Mitteilung wurde anscheinend einfach ignoriert. Im Jahr 2010 übernahm die heutige Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Amt der Sozialdezernentin von Marlis Bredehorst. Die wechselte als Staatssekretärin ins nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium, wo sie bis Dezember 2013 tätig war.

Versäumnisse beim Bau von Wohnheimen

In den Jahren nach 2010 stiegen in Köln die Flüchtlingszahlen an. 2011 waren es fast 2.000, im Jahr 2012 schon über 2.000 Geflüchtete. Politik und Verwaltung in Köln haben auf die steigenden Zahlen genauso wenig reagiert, wie auf die Warnung aus Arnsberg. Mohr folgert, dass es zu wenig Handlungsdruck auf Politik und Verwaltung gab und diese daher nicht vorgesorgt haben und die Zahl der Wohnheime nicht erhöht haben. Erst als ab 2013 der Druck stieg hat man gehandelt. 2014 wurde die ehemalige KFZ-Zulassungsstelle an der Herkulesstraße zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut.

Dabei ist, so Mohr nicht alles schlecht in der Kölner Flüchtlingspolitik. Das Auszugsmanagement, dass 2011 eingerichtet wurde, hat über 5.000 Wohnungen an Flüchtlinge vermittelt. Eine besondere Leistung, wenn man bedenkt gegen welche Widerstände oft Wohnungen für Geflüchtete gefunden werden müsssen. Aber so Mohr, die Flüchtlinge sind auch konfrontiert mit dem hohen Druck der auf dem Wohnungsmarkt lastet, vor allem im Segment der bezahlbaren Wohnungen. Dort herrscht Mangel und die Konkurrenz ist groß.

Das Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht seien, sei mit den 2004 vom Rat der Stadt Köln beschlossenen Leitlinien nicht vereinbar, stellt Mohr fest. Es gibt dort weder Fenster, noch eine Privatsphäre. Sie hat auch mit fünf Geflüchteten sprechen können, anders als es der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen tue. Das dieser, in seiner Funktion als Runder Tisch, anders als einzelne in ihm vertretende Organisationen und Institutionen, nicht das direkte Gespräch mit Flüchtlingen suche, sei irritierend. Dennoch hält sie den Runden Tisch für einen Erfolg, denn er schaffe Dialog und Kommunikation zum Thema. Mohr mahnt an, dass es wichtig sei, stärker mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen, etwa um durch Umfragen mehr über Befindlichkeiten zu erfahren, aus denen sich Handlungen ableiten lassen.

Auch Notunterkünfte brauchen Mindeststandards, so Mohr, die die Leitlinien aber nicht abdecken. Vor allem seien die Leitlinien zu wenig konkret formuliert. Dennoch ist Köln Vorreiter bei den Leitlinien und Vorbild. Auch Berlin will sich jetzt Leitlinien geben und diese umsetzen.

Autor: Andi Goral
Foto: Wurden Flüchtlinge nur deshalb in Turnhallen untergebracht weil Politik und Verwaltung es versäumt haben – trotz Mitteilungen – genügend Wohnheime für die Erstaufnahme zu errichten?