Köln | aktualisiert 14:56 Uhr | Nach dem umstrittenen Beschneidungs-Urteil gehen die muslimischen Verbände in die Offensive und prüfen den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Darüber beraten derzeit die Unterorganisationen des Koordinationsrates der Muslime (KRM), wie KRM-Sprecher Ali Kizilkaya am Mittwoch in Köln sagte. In einer gemeinsamen Erklärung riefen die Verbände den Bundestag auf, die Rechtsunsicherheit schnellstmöglich zu beheben und eine gesetzlich geschützte Regelung für die Beschneidung von Jungen zu erlassen. Auch der Zentralrat der Juden fordert ein eigenes Gesetz.

Das Landgericht Köln hatte in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil die Beschneidung von kleinen Jungen aus religiösen Gründen als eine Körperverletzung und damit als Straftat gewertet. Bei Muslimen und Juden löste die Entscheidung einen Sturm der Entrüstung aus. Auch Spitzenpolitiker wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und Vertreter anderer Religionen äußerten sich kritisch.

Dämpfer für Integration

Der Koordinationsrat der Muslime, zu dem unter anderen die türkisch-islamische Union Ditib, der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland zählen, wertete das Urteil als einen Rückschritt in Sachen Integration. „Die Religionsfreiheit wird eingeschränkt“, sagte Kizilkaya. „Über vier Millionen Muslime in Deutschland bekommen nicht unbedingt das Gefühl, dass sie ihre Religion praktizieren können.“ Das gelte auch für Juden. Muslimische Eltern, die die Beschneidung den Angaben zufolge privat finanzieren, stünden nun vor einem Gewissenskonflikt. „Wir wollen keinen Beschneidungs-Tourismus ins Ausland“, warnte Kizilkaya. Das nicht am gesellschaftlichen Konsens orientierte Urteil müsse korrigiert werden.

Rückendeckung bekam das Gericht derweil von der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Das Urteil gebe Rechtssicherheit und unterstreiche das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes, teilte die Gesellschaft am Mittwoch in Stuttgart mit. Eine elterliche Einwilligung zu einer Operation sei nur rechtswirksam, wenn sie medizinisch dem Wohle des Kindes diene. Es gehe nicht um die Diskriminierung von Religionsgemeinschaften, sondern um ärztliche Ethik. Die Gesellschaft rät Kinderchirurgen von Beschneidungen bei nicht einwilligungsfähigen Jungen ab.

Autor: Fabian Wahl/ dapd | Foto: Hugo Berties/ fotolia