Köln | aktualisiert | Generalbundesanwalt Harald Range lässt die Ermittlungen gegen Andre Meister und Markus Beckedahl von „Netzpolitik.org“ vorerst ruhen. Das sagte er der F.A.Z. Dies geschehe „mit Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit“. Zunächst wolle er die Frage klären, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelte. In Köln solidarisierten sich heute Journalisten und Aktivisten des Bündnisses #StopWatchingUs Köln mit den Journalisten von „netzpolitik.org“. Die Journalisten von „netzpolitik.org“ rufen für Samstag um 14 Uhr zur Demonstration nach Berlin. 

Das dazu gewünschte externe Sachverständigengutachten sei nur einholbar gewesen, wenn förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. „Bis zum Eingang des Gutachtens wird mit den Ermittlungen innegehalten“, zitiert die Zeitung den Generalbundesanwalt weiter.

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Macher von netzpolitik.org freuen sich über neue Fans – Demoaufruf

Nach der Aufnahme von Ermittlungen gegen Journalisten von netzpolitik.org freuen sich die Macher über Tausende neue Fans – und haben zu einer Protestkundgebung aufgerufen. Auf Facebook überschritt die Seite am Freitag die Marke von 50.000 „Likes“, ein Plus von über 10.000 Anhängern innerhalb eines Tages. Die eigentliche Internetseite war zwischenzeitlich wegen Überlastung immer wieder nicht zu erreichen.

Aus Anlass der aktuellen Entwicklung gebe es in der Redaktion heute „Streisand-Kuchen“, hieß es in einem Posting. Gleichzeitig riefen die Macher zu einer Protestkundgebung auf: Am Samstag wollen die Internet-Aktivisten ab 14 Uhr vom Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße zum Justizministerium in der Mohrenstraße ziehen. Dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen vorübergehend ruhen lassen wolle, sei nicht ausreichend.

„Wir fordern eine Einstellung des Verfahrens! Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit“, hieß es auf der Facebook-Seite. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der Generalbundesanwalt auch gegen Gründer Markus Beckedahl und gegen den Redakteur Andre Meister Ermittlungen wegen „Landesverrats“ aufgenommen hat – und nicht nur gegen die unbekannte Quelle. Die Journalisten hatten unter anderem Dokumente online gestellt, die belegen sollen, dass der Geheimdienst die Überwachung von sozialen Medien ausweiten will.
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Grünen-Politiker: Ermittlungen gegen Netzpolitik.org sind „maximal bizarrer Vorgang“

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hat die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Verantwortliche der Online-Plattform Netzpolitik.org wegen Landesverrats als „maximal bizarren Vorgang“ bezeichnet. „Natürlich müssen manche Dinge geheim bleiben, aber man muss sich fragen, worum es geht“, sagte von Notz am Freitag im Deutschlandfunk. Es gebe hinreichend Beweise, dass es in der Bundesrepublik zu rechtswidrigen Überwachungen gekommen sei, die deutsche Interessen betreffen – da bleibe die Bundesanwaltschaft inaktiv.
„Da scheint einiges aus dem Lot geraten“, so Notz, der auch Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss ist.
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Künast kritisiert Ermittlungen durch Generalbundesanwalt gegen Journalisten

Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsauschusses, Renate Künast (Grüne), hat die Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft gegen die Verantwortlichen der Online-Plattform Netzpolitik.org wegen des Verdachts auf Landesverrats kritisiert. „Mich ärgert das Missverhältnis“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitagausgabe). „Auf eine Anzeige hin prüft er nicht lange. Da geht das zack, zack.“ Da werde auch nicht die Verhältnismäßigkeit abgewogen. „Auf der anderen Seite hat man ein massenhaftes Ausspähen und Abhören durch die NSA. Und da passiert gar nichts. Das erbost mich und ist rechtsstaatlich eine Blamage.“ Künast fügte mit Blick auf die NSA-Abhörmaßnahmen hinzu: „Wenn es keinen investigativen Journalismus gäbe, dann wüssten wir gar nichts.“ Zuvor war bekannt geworden, dass die Bundesanwaltschaft zum ersten Mal seit Jahrzehnten Journalisten wieder Landesverrat und die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen vorwirft.
Nach Informationen von der „Süddeutschen Zeitung“, NDR und WDR fiel diese Entscheidung nach Prüfung einer Strafanzeige, die der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, zuvor beim Landeskriminalamt in Berlin gestellt hatte. Diese war dann an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe weitergeleitet worden.

Autor: dts
Foto: Proteste vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz heute in Köln