London | Das britische Unterhaus hat am Abend denkbar knapp für einen Gesetzentwurf gestimmt, der einen EU-Austritt ohne Abkommen unmöglich machen soll. 313 Parlamentarier stimmten für den parteiübergreifenden Vorstoß, 312 dagegen. Damit soll Premierministerin Theresa May gezwungen werden, notfalls die EU um eine Verlängerung zu bitten.
Zwischenzeitlich war ein Änderungsantrag deutlich gescheitert, der eine solche Verlängerung auf den 22. Mai limitieren sollte. Damit wird eine längere Verschiebung des Brexits und eine Teilnahme der Briten an der Europawahl immer wahrscheinlicher. Allerdings muss auch das Oberhaus dem Gesetzentwurf noch zustimmen.
EU-Kommission fordert May und Corbyn zur Einigung beim Brexit auf
Die Europäische Kommission appelliert an die britische Premierministerin Theresa May und den Labour-Chef Jeremy Corbyn, sich bei ihren Gesprächen über den Brexit zu einigen. „Es wäre außerordentlich wichtig, dass sich Theresa May und Jeremy Corbyn über die Grundsätze der künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien einigen und der Austrittsvertrag endlich verabschiedet wird im britischen Unterhaus“, sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans der „Welt“ (Donnerstagsausgabe). Eine solche Einigung wäre im Interesse Großbritanniens und der EU. „Ich hoffe, dass die beiden Vorsitzenden der wichtigsten Parteien ab sofort die nationalen Interessen berücksichtigen und nicht immer nur an die Parteiinteressen denken“, so Timmermans weiter, der auch Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei den Europawahlen im Mai ist.
Der Vizechef der EU-Kommission forderte London auf, sich mit Blick auf den Austritt aus der Europäischen Union zu entscheiden. „Wir können doch nicht unendlich so weiter machen bei den Brexit-Verhandlungen und immer wieder verlängern um ein paar Wochen. Das britische Parlament muss jetzt eine Entscheidung treffen und uns endlich sagen, was man in London will“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission.
Er erklärte weiter, dass britische Staatsangehörige im Falle eines harten Brexits kein Visum benötigen sollen, wenn sie für kurze Zeit in die EU einreisen wollen. „Wir müssen doch dafür sorgen, dass die Bürger möglichst wenig unter den Folgen eines harten Brexit leiden“, so Timmermans weiter. Ungewöhnlich scharf kritisierte er das Verhalten der britischen Regierung beim Brexit „In welchem Land würde es fast drei Jahre dauern, dass eine Regierung, die sich nicht einig ist, mal daran denkt, in einer lebenswichtigen Frage mit der Opposition zusammenzuarbeiten? Das ist eigentlich unvorstellbar, dass das in Großbritannien erst jetzt passiert“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission der „Welt“.
Autor: dts