Düsseldorf | Der jahrelange Rechtsstreit zwischen der Witwe eines KZ-Überlebenden und dem Land Nordrhein-Westfalen über die verweigerte Zahlung einer Hinterbliebenenrente ist beigelegt. Die Bezirksregierung Düsseldorf schloss heute vor dem örtlichen Landgericht einen Vergleich mit den Anwälten der Frau. Er sieht eine lebenslange Beihilfe von monatlich 600 Euro vor. Zudem will das Land die Übernahme der Krankenversorgung der Frau prüfen lassen.

Nach dem Tod des Sinto 2009 hatte die Bezirksregierung dessen krankheitsbedingten Anspruch auf eine Opferrente angezweifelt und die Zahlung einer Hinterbliebenenrente verweigert. Dafür war sie vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma öffentlich scharf kritisiert worden. Die Witwe hat nun drei Wochen Zeit, den Vergleich zu prüfen und gegebenenfalls zu widerrufen. In diesem Fall will das Landgericht Ende September eine Entscheidung verkünden.

Der 1924 geborene Sinto hatte als einziges von elf Geschwistern das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Ihm wurden 1957 nach Angaben des Gerichts eine Entschädigungsrente zugesprochen und schwere gesundheitliche Schäden durch die Zeit im KZ attestiert. Im Jahr 1985 wurde ihm zudem wegen eines Herzleidens eine „verfolgungsbedingte“ Minderung der Erwerbstätigkeit um 70 Prozent anerkannt. Zwei Wochen nach Einsetzen eines Herzschrittmachers war der Mann vor drei Jahren 84-jährig an einer Lungenembolie gestorben.

Nicht um jeden Cent feilschen

Die Bezirksregierung hatte durch ein Gutachten sowohl einen Zusammenhang zwischen dem jahrzehntelangen Herzleiden des Mannes und dessen Zeit im KZ sowie die tödliche Lungenembolie als Folge der Herzoperation angezweifelt. Auf dieser Grundlage wurde der Witwe die Zahlung einer Hinterbliebenenrente verweigert. Die Verteidigung der Frau nannte diese Entscheidung „substanzlos“ und „skandalös“.

Auch das Gericht machte deutlich, dass die Aberkennung des Rentenanspruchs bei der Klägerin zur einer „verständlichen Irritation“ geführt habe. Durch den Tod seiner Geschwister und seines Vaters im KZ sowie durch Zwangsarbeit und Misshandlungen als KZ-Häftling habe der Mann ein „vergleichsweise schweres Verfolgungsschicksal“ erlitten.

„Künftig andere Maßstäbe“

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, der die Klägerin auch vor Gericht vertrat, zeigte sich mit dem geschlossenen Vergleich zufrieden. Es sei zu hoffen, das die Behörden in Angelegenheiten der Hinterbliebenen von KZ-Opfern „künftig andere Maßstäbe“ anlegten, sagte der Ratsvorsitzende Romani Rose nach der Verhandlung. „Die Berücksichtigung eines Verfolgungsschicksals muss im Vordergrund stehen“, fügte er hinzu.

Die Grünen im Bundestag kündigten in diesem Zusammenhang Nachbesserungen beim Entschädigungsrecht an. Es müsse Schluss damit sein, dass mit den noch lebenden Opfern des Nationalsozialismus und ihren Hinterbliebenen um jeden Cent gefeilscht werde, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck.

Autor: Frank Bretschneider/ dapd | Foto: Hugo Berties/ fotolia