Auf dem Parteitag der NRW SPD in Münster am 26. August 2023 gab sich diese zum ersten Mal eine Doppelspitze. Das Foto zeigt den neuen Generalsekretär Frederick Cordes, MdL, die Co-Vorsitzende Sarah Philipp, MdL, den Co-Vorsitzenden Achim Post, MdB und den Co-Vorsitzenden der SPD Lars Klingbeil, MdB. | Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk

Köln/Münster | Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat eine neue Doppelspitze. Es sind die 40-jährige Sarah Philipp aus dem Ruhrgebiet, die eigentlich Fraktionschefin im NRW-Landtag werden wollte aber gegen den Kölner Jochen Ott unterlag und der 64-jährige Achim Post der Vizechef der Bundestagsfraktion der SPD ist. Und um das Trifolium komplett zu machen gibt es einen neuen Generalsekretär: Es ist der 37-jährige Frederick Cordes.

In die Halle Münsterland kamen 486 stimmberechtigte Mitglieder der SPD aus 54 Unterbezirken zum SPD-Landesparteitag. Sie wählten die erste Doppelspitze der NRW-SPD. Zuvor war eine Satzungsänderung nötig, um diese überhaupt zu ermöglichen. Auf den Parteitagsbildern, die die NRW SPD veröffentlichte gab es auch bekannte Gesichter zu sehen. Die ehemalige Ministerpräsidentin von NRW Hannelore Kraft und Thomas Kutschaty. Der war erst im März dieses Jahres zurückgetreten. Bei der NRW-Landtagswahl schnitt die von ihm geführte NRW SPD miserabel ab und landete 9 Punkte hinter der CDU von Ministerpräsident Wüst. Auch als Fraktionsvorsitzender agierte er wenig Öffentlichkeitswirksam. Der Kölner Jochen Ott versucht dies zu ändern und hat die Schlagzahl an Mitteilungen aus dem Landtag deutlich erhöht. Auf dem Rednerpult prangte der Slogan „Die neue SPD im Westen“. Dabei sind die Protagonisten alles andere als neu.

Wer aber sind die Neuen an der Spitze der NRW-SPD?

Sarah Philipp ist 40 Jahre alt und stammt aus Duisburg. Sie vertritt den Wahlkreis Duisburg I im NRW Landtag und ist parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion. Dem NRW-Landtag gehört sie viele Jahre und zog 2012 zum ersten Mal in das Landesparlament. Landesweit bekannt wurde Philipp in der „Mallorca Affäre“ um die damalige aus Köln stammende NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Die war während der Flutkatastrophe nach Mallorca gereist. Philipp musste später Heinen-Esser um Entschuldigung bitten, da von ihrem Instagram-Account aus ein Mitarbeiter von Philipp der Tochter eine Freundschaftsanfrage schickte, um diese auszuspähen. Das Ziel des Mitarbeiters der parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD Philipp könnte es gewesen sein, so an private Bilder von Heinen-Essers Mallorca-Tripp zu kommen. Es gibt Stimmen, die behaupten die NRW SPD konnte daher die „Mallorca Affäre“ nicht im NRW Wahlkampf nutzen. Heinen-Esser schrieb einen Brief an Philipp indem sie die Einhaltung der Grenze zwischen der Person als Politikerin und der Privatperson und deren Angehörigen forderte. Philipp schrieb zurück, wie die „Rheinische Post“ damals berichtete und übernahm die Verantwortung. Philipp machte 2002 Abitur in Duisburg, studierte bis 2008 an der RWTH Aachen mit Abschluss Wirtschaftsgeografin und arbeitete als Projektmanagerin in einem Dortmunder Stadtplanungsbüro bevor sie 2012 in den NRW-Landtag einzog.

Achim Post gehört der Boomer-Generation und wurde 1959 in Minden in Westfalen geboren. Er ist Diplom-Soziologe. Nach Abschluss seines Studiums im Jahr 1986 heuerte er für vier Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Wischnewski, Kurt Vogelsang und Dieter Heistermann an. Von 1990 war er für neun Jahre Referent, Büroleiter und Geschäftsführer der SPD-Gruppe im Europäischen Parlament. Dann wechselte er für vier Jahre nach Berlin als Leiter der Abteilung Internationale Politik beim SPD-Parteivorstand und war von 2002 bis 2012 stellvertretender Bundesgeschäftsführer der SPD und seit 2012 Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas. Mit dem Jahr 2013 wurde Post Mitglied im Deutschen Bundestag und ist seit 2015 Vorsitzender der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2017 wurde er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Europa, Haushalt und Finanzen. Er gehört dem konservativen Seeheimer Kreis an. Die Vita von Post zeigt deutlich, dass er innerhalb der SPD alles andere als ein Unbekannter ist, sondern über ein gewebtes Netzwerk an Kontakten verfügt und über Jahrzehnte an unterschiedlichen Positionen und Konstellationen studiert haben dürfte, wie Macht funktioniert. Dabei blieb Post über Jahrzehnte in der zweiten Reihe und für die breite Öffentlichkeit eher unsichtbar. Nur einmal wurde breit spekuliert, ob er 2019 gegen Andrea Nahles antreten werde, als deren Wiederwahl zur Fraktionschefin im Deutschen Bundestag anstand. Als Nahles zurücktrat veröffentlichte Post ein Statement auf seiner Website „achim-post.de“: „Die Entscheidung von Andrea Nahles verdient Respekt. Gerade jetzt müssen für die SPD Besonnenheit und Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Es geht um die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie und gleichermaßen um Verantwortung für unser Land. In den nächsten Tagen und Wochen müssen alle in Partei und Fraktion ihren Beitrag leisten, um die Weichen für eine selbstbewusste und starke SPD neu zu stellen. Das erwarten die Mitglieder der SPD und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes völlig zu Recht.“ Post wurde nicht der Nachfolger von Nahles, sondern ein Kölner SPD-Mann: Rolf Mützenich. Der übernahm am 4. Juni 2019 zunächst kommissarisch das Amt und wurde am 24. September 2019 mit 97,7 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt und hat dieses Amt bis heute inne.

2018 war Post Teil der Findungskommission als die NRW-SPD einen neuen Vorsitzenden suchte. Ihm wurde damals zugeschrieben den bis dahin eher unbekannten Sebastian Hartmann ins Spiel gebracht zu haben. Er soll ein Freund Posts sein. Jetzt steht er selbst an der Spitze der NRW-SPD.

Der neue Generalsekretär Frederick Cordes ist wie Philipp Mitglied der SPD Landtagsfraktion seit der letzten Landtagswahl. Der 37-jährige ist studierter Geograph mit Schwerpunkt Stadt- und Regionalentwicklungsmanagement. Von 2017 bis 2020 leitete er das Wahlkreisbüro der SPD Bundestagsabgeordneten Wiebke Esdar, bevor er in den NRW-Landtag einzog. In der SPD Fraktion liegen seine aktuellen Schwerpunkte im Bereich Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie Verkehr. Er ist im parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Brückendesaster und Infrastrukturstau“ aktiv.

Das betonten die Neuen

Philipp kritisierte die Schwarz-grüne Landesregierung, die sich nicht um eine echte Entlastung für die Bürger:innen in NRW kümmere. Der Ministerpräsident von der CDU kümmere sich vor allem um gute Fotos. Bezahlbarer Wohnraum und Kita-Plätze stellte Philipp in den Fokus ihrer Rede. Sie stellte einen Mangel an Gerechtigkeit und Chancengleichheit in der Gesellschaft fest. Post betonte die Wirtschaft und sieht die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Betriebe auf dem Spiel. Er forderte den „Industriestrompreis“. Den will nun aber gerade der SPD Bundeskanzler Olaf Scholz nicht, der das Thema so kommentierte: „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben. Das wäre ökonomisch falsch, fiskalisch unsolide und würde sicherlich auch falsche Anreize setzen.“ Nimmt Scholz hier Rücksicht auf die FDP? Anfang kommender Woche soll eine Fraktionsklausur der SPD dies klären, auch Bundeskanzler Scholz kündigte sein Kommen an.  Post gilt bislang als Unterstützer von Scholz. Ganz Sozialdemokrat betonte Post, dass er Politik mit der SPD für Millionen und nicht für Millionäre mache. Cordes betonte die Wichtigkeit der SPD für soziale Gerechtigkeit und zur Überwindung der sozialen Spaltung.

Nach Münster kam auch SPD Chef Lars Klingbeil, der sich nicht nur ebenso für einen Industriestrompreis aussprach, sondern eine Prognose wagte: „Die SPD in NRW will regieren, kann regieren und sie wird regieren“.

Mit der Europawahl 2024 steht die erste wichtige Wahl für den neuen SPD-Vorstand in NRW auf dem Programm. Entscheidend wird aber das Jahr 2025. Dann werden in NRW die Kommunalparlamente und die Oberbürgermeister:innen neu bestimmt bevor die Bundestagswahl ansteht. Die kann die SPD im Bund nur erfolgreich bestreiten, wenn sie ein starkes Ergebnis in NRW einfährt. Bei der letzten Bundestagswahl erreichten die Sozialdemokraten in NRW 29 Prozent. Auf diesem Niveau liegen sie derzeit in Umfragen nicht, dort dümpeln sie bei 20 Prozent. Das neue Trifolium der NRW-SPD dürfte vielen Bürger:innen im Land völlig unbekannt sein, anders als in der Partei. Ein Manko, dass auch schon Thomas Kutschaty prägte. Gelingt es Philipp, Post und Cordes in kurzer Zeit die Menschen in NRW zu erreichen und von sich und der Politik der SPD zu überzeugen?

Die Stellvertreter:innen und Beisitzer:innen

Aus Köln wurde die Bundestagsabgeordnete Sanae Abdi zu einer der Stellvertreterinnen mit dem besten Ergebnis gewählt. Weitere sind: Marc Herter, Veith Lemmen, Dörte Schall und Svenja Schulze. Schatzmeister NRW-SPD ist André Stinka. Lisa Steinmann aus Köln wurde Beisitzerin. Weitere Beisitzer:innen: Konstantin Achinger, Jens Bennarend, Beatrice van Berk, Dilek Engin, Felix Heinrichs, Micha Heitkamp, Nadine Heselhaus, Peter Kammerevert, Nadia Khalaf, Dr. Dietmar Köster, Tim Kurzbach, Joline Macek, Zanda Martens, Andreas Müller, Stimmen Natascha Nemetsche, Thorben Peping, Martin Peters, Markus Ramers, Isabel Razanica, Andre Schirmer, Rainer Schmeltzer, Marion Schunck-Zenker, Birgit Sippel, Anna Spaenhoff, Ellen Stock. Alexander Vogt, Denis Waldästl, und Ibrahim Yetim.

ag