Köln | Sechs Organisationen, darunter der BUND und Greenpeace, fordern von den SPD Delegierten des Parteikonvents am Montag in Wolfsburg ein klares Zeichen gegen „CETA“ zu setzen. Der Generalsekretär der CDU warnt die SPD vor einem Nein und eine Mehrheit der SPD-Wähler, so eine Umfrage ist gegen eine vorläufige „CETA“-Anwendung.

Gestern gingen nach Veranstalterangaben deutschlandweit mehr als 320.000 Menschen auf die Straße und forderten eine Stopp der aktuellen Freihandelsabkommen. Der der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, der Deutsche Kulturrat, foodwatch, Greenpeace und Mehr Demokratie haben einen offenen Brief (report-K dokumentiert diesen im Wortlaut am Ende des Artikels) an die SPD-Delegierten formuliert.

Umfrage: 69 Prozent der SPD-Wähler gegen vorläufige Ceta-Anwendung

69 Prozent der potentiellen SPD-Wähler stehen einer vorläufigen Inkraftsetzung auch von Teilen des Freihandelsabkommens Ceta zwischen der EU und Kanada kritisch gegenüber. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact sowie Greenpeace. Den Ergebnissen der Erhebung zufolge halten 16 Prozent der potentiellen SPD-Wähler die Absicht der Bundesregierung, Ceta vorläufig in Kraft zu setzen, „für eine gute Sache“.

Für die Einschätzung der potentiellen SPD-Wähler über das EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta insgesamt lieferte die Umfrage kein eindeutiges Ergebnis: 33 Prozent halten Ceta „insgesamt für eine gute Sache“, 32 Prozent halten es „insgesamt eher für schlecht“. Die übrigen 34 Prozent sehen Ceta weder gut noch schlecht, sind sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht sicher oder machen darüber keine Angaben. Mit Blick auf den Sonderkonvent glauben 38 Prozent, dass eine Zustimmung der Delegierten zu Ceta der SPD schaden würde.

30 Prozent glauben, es würde ihr nützen und 26 Prozent sind sich bei der Frage, ob es der SPD nützen oder schaden würde, nicht sicher.

SPD-Linke wollen Gabriels Ceta-Antrag verschärfen

Kurz vor dem Parteikonvent der SPD zum europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta am Montag verlangt der traditionell linke SPD-Bezirk Hannover Änderungen am Leitantrag der Parteiführung. „Der Antrag des Bezirks kann nach meiner Einschätzung eine gute Brücke zwischen den Positionen sein, da wir nicht ja oder nein sagen, sondern auf die Kraft der Parlamente setzen“, sagte Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL) in der SPD-Bundestagsfraktion, der „Welt am Sonntag“. Der SPD-Bezirk Hannover will vor allem eine rasche vorläufige Anwendbarkeit von Teilen von Ceta verhindern.

„Wir wollen, dass im Rat im Oktober noch nicht über die vorläufige Anwendung von bestimmten Teilen des Abkommens eine Vorentscheidung stattfindet, sondern erst nach der Anhörung des Europäischen Parlamentes mit den nationalen Parlamenten und nach dem breiten Diskurs mit der Zivilgesellschaft“, sagte Miersch der „Welt am Sonntag“. Ein Plazet durch die deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament und dem Bundestag will der SPD-Bezirk Hannover von weiteren inhaltlichen Zugeständnissen der Verhandlungspartner abhängig machen. „Zustimmungsfähig ist Ceta im parlamentarischen Verfahren nur, wenn einige Punkte wie Investitionsschutz und Vorsorge-Grundsatz geklärt sind“, sagte Miersch.

Entsprechend solle der Leitantrag der SPD-Führung „präzisiert“ werden. Außerdem verlangte Miersch: „Ceta muss sich verpflichten zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzvertrag und den globalen Nachhaltigkeitszielen.“

CDU-Generalsekretär Tauber warnt SPD vor Ceta-Ablehnung

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat die SPD vor ihrem kleinen Parteitag eindringlich vor einer Ablehnung der Freihandelsabkommen Ceta und TTIP gewarnt. „Die SPD ist eine Partei, die sich bekanntermaßen gerne selbst verletzt. Wenn sie aber Ceta und TTIP ablehnt, schadet sie Deutschlands Wohlstand und gefährdet sichere Arbeitsplätze“, sagte Tauber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Tauber nahm den SPD-Vorsitzenden persönlich in die Pflicht: „Sigmar Gabriel ist in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Delegierten auf dem kleinen Parteitag für Ceta stimmen. Die ehemalige Arbeiterpartei SPD muss Farbe bekennen, ob bei ihr die Ideologen das Sagen haben – oder ob für sie die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht doch wichtiger ist.“

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Der offene Brief an die Delegierten der SPD im Wortlaut

Offener Brief an die SPD-Delegierten: Bündnis wirbt für „Nein“ zu CETA – Zwei neue Gutachten belegen: SPD-Spitze kann ihre Versprechen nicht einlösen

Berlin: In einem Offenen Brief haben sechs zivilgesellschaftliche Organisationen die Delegierten des SPD-Parteikonvents am kommenden Montag aufgefordert, das geplante Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada abzulehnen. „CETA öffnet die Tür zu einer neuen demokratie-, bürger- und europafeindlichen Handelspolitik. Wir bitten Sie, verhindern Sie das! Machen Sie sich nicht mitverantwortlich und stimmen Sie gegen CETA und dessen vorläufige Anwendung!“, heißt es in dem heute veröffentlichten Schreiben. Unterzeichnet haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, der Deutsche Kulturrat, foodwatch, Greenpeace und Mehr Demokratie.

Nach Auffassung der sechs Organisationen bedeutet CETA trotz aller erreichten Veränderungen eine Gefährdung der Demokratie: Der parlamentarische Handlungsspielraum würde durch das Abkommen unverhältnismäßig eingeschränkt, eine Paralleljustiz für Investoren geschaffen und das europäische Vorsorgeprinzip untergraben. Die sechs Organisationen kritisieren, dass die SPD-Spitze zwar Verbesserungen in Aussicht stellt – diese jedoch erst nach der Unterzeichnung des Abkommens im parlamentarischen Verfahren zur Nachverhandlung vorschlagen will. Damit könnte CETA über Jahre hinweg ohne Änderungen „vorläufig angewandt“ werden. „Wer das Abkommen inhaltlich wirklich verbessern will, darf es deshalb jetzt weder unterzeichnen noch dessen vorläufiger Anwendung zustimmen“, heißt es in dem Brief an die SPD-Delegierten.

Zwei neue Gutachten belegen, dass die SPD-Spitze in ihrem Leitantrag zum Parteikonvent Versprechen aufstellt, die sie nicht einlösen kann.

Nach dem Willen der SPD-Spitze soll der Bundestag Korrekturen an CETA erwirken – und zwar nach der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung des Vertrags. Der Versuch, solche Korrekturen kurzfristig durchzusetzen, sei allerdings „zum Scheitern verurteilt, weil die Bundesrepublik nicht im Nachhinein einseitig den Umfang der vorläufigen Anwendung oder den Inhalt des CETA (…) ändern kann“, schreibt der Völkerrechtler Prof. Dr. Wolfgang Weiß von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer in einem Gutachten im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch. Einfacher wäre es noch, Änderungen durchzusetzen, die erst nach der Ratifizierung von CETA griffen – dann also, wenn nach voraussichtlich mehreren Jahren alle nationalen Parlamente dem Abkommen zugestimmt hätten. Doch auch dann müssen den Korrekturen alle Beteiligten zustimmen: die Europäische Kommission, alle EU-Mitgliedstaaten sowie Kanada. Das ist politisch kaum realistisch und liegt jedenfalls nicht in den Händen der deutschen Sozialdemokratie. „Das Vorhaben der SPD (…) erweist sich aus juristischen Gründen als wenig erfolgversprechend“, so Prof. Weiß.

In ihrem Leitantrag sichert die SPD-Spitze zu, dass „der politische Gestaltungsspielraum von Parlamenten und Regierungen nicht eingeschränkt werden darf“. Weiter heißt es (in der Fassung der Antragskommission vom 7.9.): „In keinem Fall darf die demokratische Gestaltungsfreiheit mittel- oder unmittelbar eingeschränkt werden.“ Dies kann CETA jedoch gar nicht gewährleisten, wie der Völkerrechtler Prof. Dr. Markus Krajewski von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in einem weiteren, heute veröffentlichten Gutachten belegt. Darin heißt es: „Alle Freihandelsabkommen, die sich mit nicht-tarifären Handelshemmnissen befassen, enthalten Vorgaben darüber, wie staatliche Regulierungen auszugestalten sind. Hieraus folgt, dass Regulierungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, rechtswidrig sind und insofern das staatliche Regulierungsrecht einschränken (…).“ Sowohl die geplante „regulatorische Kooperation“ mit Kanada als auch die Klagerechte für Investoren schränkten die Autonomie der Gesetzgeber „in ungewissem Maße ein“.

Der ausverhandelte CETA-Vertrag soll noch in diesem Herbst im EU-Ministerrat beschlossen, unterzeichnet und anschließend „vorläufig“ angewandt werden. Demnach wären die Regelungen des Abkommens bereits wirksam, bevor die Parlamente in den EU-Mitgliedstaaten darüber abgestimmt hätten. In ihrem Leitantrag zum Parteikonvent am kommenden Montag (19. September) in Wolfsburg hat die SPD-Spitze zwar Verbesserungen an CETA in Aussicht gestellt – diese sollen allerdings nicht mehr vor der Vertragsunterzeichnung, sondern erst im parlamentarischen Verfahren erreicht werden. Ein solcher Ratifizierungsprozess dauert nach allgemeiner Erwartung mehrere Jahre. Bevor sich der Bundestag überhaupt erst für Korrekturen an CETA aussprechen kann, wäre das Abkommen längst in Kraft getreten – ohne die von der SPD in Aussicht gestellten Verbesserungen.

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So lief die Demonstration zu CETA und TTIP in Köln >

Autor: Andi Goral
Foto: Mehr als 55.000 Menschen demonstrierten alleine in Köln gegen CETA und TTIP am 17. September