Am 31. Mai 2023 soll das Haus in der Gummersbacher Straße 25, das bisher vom Projekt "Obdachlose mit Zukunft" genutzt wurde geräumt werden. | Foto: Bopp

Köln | aktualisiert | In der Kölner Südstadt begann das Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) mitten in der Corona-Pandemie in einem mehrstöckigen Haus im Besitz der Stadt Köln. Die Menschen die dort untergekommen waren konnten in die Gummersbacher Straße 25 weiterziehen in ein Gebäude das heute dem städtischen Immobilienunternehmen GAG gehört und das nun zeitnah abgerissen werden soll. Ab dem 1. September soll es für einige der Bewohner in der Winterberger Straße weitergehen. Dort soll die Führung eines Nachfolgemodells des OMZ von Sozialträgern übernommen werden. Die Stadt sagt das Projekt sei gescheitert, die Initiativen halten dagegen. Eines ist klar: Die Stadt ist entschlossen gegen Menschen die sich nach dem 31. Mai in der Gummersbacher Straße aufhalten Strafanzeige zu stellen.

Die Vorwürfe und Entgegnungen

Im Haus in der Gummersbacher Straße ist es zu Gewalt gekommen, das ist unstrittig. Das Haus ist der Initiative OMZ unentgeldlich von der GAG überlassen worden. Es kam zu Gewalt, Vorwürfe bis zur Zwangsprostitution werden genannt. Bewohner sollen gezwungen worden sein untereinander Miete zu zahlen. Die Polizei verzeichne viele Einsätze. Auf Anfrage von report-K schreibt eine Stadtsprecherin: „Das Projekt konnte sich nicht stabilisieren. Die vom Amt für Soziales, Arbeit und Senioren angebotene Unterstützung aus einem beteiligungsorientierten Kölner Wohn- und Arbeitsprojekt wurde nur von einigen Teilnehmenden vor Umzug in die Gummersbacher Straße angenommen. Insbesondere auch aufgrund der zunehmend heterogenen und wechselnden Bewohnerschaft ist ein Aufbau selbstverwaltender Strukturen nicht gelungen. Auch der Einsatz eines Sozialarbeiters vor Ort hat die Situation nicht nachhaltig verbessern können. Es kam zu zum Teil schweren Gewaltvorfällen und häufig notwendigen Interventionen der Polizei“.

Die Stadt zeigt sich aber dennoch grundsätzlich von der Idee eines selbstverwalteten Wohn- und Arbeitsprojekts, um obdachlose und hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen, überzeugt. Dazu habe die Stadt ein Nachfolgeprojekt mit dem Ziel einer Selbstverwaltung angestoßen. Das würde zum 1. September die Arbeit aufnehmen. Die Stadt arbeite hier mit „qualitätsgesicherten Kölner Trägern“ zusammen. Die Stadt will, dass die Menschen die Gummersbacher Straße freiwillig verlassen und ihnen Angebote machen, wo diese im Anschluss untergebracht werden können. Die Stadt habe ihre Pläne den Menschen im OMZ in der Gummersbacher Straße Ende März durch Aushänge bekannt gegeben.

Kritik von Initiativen

Die Initiativen und das OMZ selbst übt Kritik an der Stadt. So sei der von der Stadt genannte Sozialarbeiter nur einen Vormittag der Woche in einem Bus vor dem Haus gestanden. Damit sei eine konstruktive und langfristige Gewaltprävention nicht umzusetzen gewesen. Die Stadt hätte gegen Gewalttäter im Haus Gummersbacher Straße 25 deutlicher vorgehen müssen, so Initiativen, und diese des Hauses verweisen sollen. Die Stadtverwaltung übersehe zudem die positiven Entwicklungen im OMZ.

„Aus dem OMZ heraus wurde unbürokratische Hilfe beim Kontakt zu Ämtern geleistet für nichtdeutsche Bewohner:innen, Notschlafstellen für von sexualisierter Gewalt Betroffene wurden eingerichtet. Auch wenn es manchmal schwierig war, haben wir ein gemeinsames Miteinander bis heute gut hinbekommen.“ sagt André Salentin, Bewohner der ersten Stunde und Vorstand des OMZ e.V..

Die Erklärung „Obdachlose brauchen Zukunft!“

Initiativen und zwei Bezirksbürgermeister:innen aus Köln haben eine Erklärung zum möglichen Ende des OMZ in der Gummersbacher Straße 25 verfasst und unterschrieben: (Im Wortlaut, kursiv gesetzt)

Obdachlose brauchen Zukunft!

Wir die Unterzeichnenden setzen uns für ein Grundrecht auf menschenwürdiges Wohnen ein. Deshalb unterstützen wir die Pläne des OMZ e.V., für einen großen Teil der Bewohner*innen des selbstverwalteten Projekts Obdachlose mit Zukunft (OMZ) einen nahtlosen Übergang vom Interims-Domizil in der Gummersbacher Straße in die Winterberger Straße sicherzustellen. Wir appellieren an die Stadt Köln, allen sich glaubhaft zur Gewaltfreiheit bekennenden Bewohnern unabhängig von deren Staatsbürgerschaft ein Angebot für eine dauerhafte, menschenwürdige Unterbringung zu machen und alle Schritte zu unterlassen, die zur Entstehung von Obdachlosigkeit führen können. Insbesondere fordern wir die Stadt Köln mit Nachdruck auf, von einer gewaltsamen Räumung der Gummersbacher Straße abzusehen, die derzeit für Ende Mai angedroht wird. Ein solcher Schritt gefährdet die Verhandlungen zu einer einvernehmlichen Lösung, stellt das liberale Image unserer Stadt in Frage und droht die Situation unnötig zu eskalieren.

Wir sagen: Reden statt Räumen!

Gemeinsam oder einsam?

Das OMZ versteht sich als Gruppe, die als Gruppe untergebracht und sozialarbeiterisch betreut werden soll. So gibt es eine Teilnehmerliste des OMZ für die Menschen, die im Projekt bleiben wollen. Eine der Forderungen ist, dass diese Liste Gewicht habe. Und es solle Werkstätten und ein Lager geben, um die Idee von Arbeit und Leben umzusetzen. Etwas was schon in der Gummersbacher Straße fehlte, wie auch ausreichend große Räume, für Aussprachen. So befürchten Kritiker des von der Stadt und den zukünftigen Trägern angestoßenen Bewerbungsverfahren für die Winterberger Straße, dass die Gruppe auseinandergerissen werde und unter „immensen künstlichen Konkurrenzdruck“ gesetzt werde. Ein weiterer Kritikpunkt am Handeln der Stadtverwaltung ist, dass die Sozialträger kein Konzept vorlegen können und das Bewerbungsverfahren intransparent sei. Nicht akzeptabel für das OMZ sei die Gummersbacher Straße zum 31. Mai zu verlassen und sich auf ein undefiniertes Bewerbungsverfahren für ein undefiniertes Projekt einzulassen.

„Die Probleme im bisherigen Projekt zeigen, dass besonders schutzlose Menschen schnell in große Not geraten. Um ein Gelingen des OMZ am neuen Standort sicherzustellen, darf es zu keiner Eskalation der Lage kommen.“

Anna Kipp, Politische Geschäftsführerin der Grünen Köln

Gibt es eine Zwischenlösung?

So schreibt das OMZ in einer Pressemitteilung: „Das OMZ ist bereit, als Zwischenlösung für den Übergang von der Gummersbacher in die Winterberger Straße eine gemeinsame menschenwürdige Unterbringung zu akzeptieren. Derzeit scheint eine solche Zwischenlösung zum Greifen nahe – auf einem Gelände des Trägers, der die vier Doppelzimmer zur Verfügung stellt, kann die Verwaltung Container für die übrigen Personen aufstellen und dazu fordern wir sie hiermit auf. Damit wäre dort in einem geschützten Rahmen ein Kennenlernen von Träger, Teilnehmer*innen und Unterstützenden in Verbindung mit einleitenden Gruppenprozessen und der Entwicklung eines auf die Gruppe und die Wiedererlangung ihrer Selbstverwaltung zugeschnittenen Konzepts möglich.“

Heute gibt es ab 10 Uhr eine Kundgebung vor dem OMZ in der Gummersbacher Straße. Daran beteiligen sich unterschiedliche soziale Akteure, aber auch die Jugendorganisationen Jusos, Grüne Jugend und Linksjugend. Deren Kölner Sprecher äußern sich ebenfalls zum OMZ.

Jurek Schülke, Sprecher der Grünen Jugend Köln dazu: „Eine Räumung dieses wichtigen Projekts ist völlig inakzeptabel. Die Stadt muss Obdachlosigkeit verhindern, nicht schaffen! Wir stehen hinter dem OMZ und verlangen das auch von der Stadt!“

Sercan Karaagac, Vorsitzender der Jusos Köln dazu: „Wenn der Sozialdezernent keinen Wert mehr auf vulnerable Gruppen unserer Gesellschaft legt, dann ist er überflüssig! Die Stadt hat einen Auftrag ihren Bürger*innen gegenüber und dazu gehört nicht Wohnungslosigkeit noch zu befeuern.“

Sofia Fellinger, Sprecherin der Linksjugend[‚Solid] Köln dazu: „Es kann nicht sein, dass Menschen, die es geschafft haben, runter von der Straße zu kommen, wieder auf diese vertrieben werden. Die Räumung wäre ein Verbrechen, das die Stadt Köln auf keinen Fall begehen darf“

ag

Aktualisierung: Der Veröffentlichungszeitpunkt wurde aus technischen Gründen von 31. Mai 2023, 8.20 Uhr auf 10:52 verändert.