Taifun Keltek, Integrationsrat der Stadt Köln, Daniel Poštrak, künstlerisch verantwortlich für die Gedenktafel, Bürgermeister Andreas Wolter, Rechtsanwältin Edith Lunnebach, die die Familie vertritt, Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister Köln-Innenstadt und Jörg Detjen, Mitglied des Rates, die Linke.

Köln | Heute vor 22 Jahren explodierte im Geschäft einer iranischen Familie eine Bombe. Der Anschlag gehört zum NSU-Komplex und war Teil der Mord- und Anschlagserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Seit heute hängt eine Tafel an dem Haus an dem sich vor 22 Jahren, also am 19. Januar 2001 der Anschlag ereignete.

Es sei ein gutes Zeichen für die Familie, sagt Rechtsanwältin Edith Lunnebach, die die Familie vertritt und heute sprach. Der Familie sei ein Stück Heimat genommen worden, durch den Anschlag. Die Tochter habe schon frühmorgens vor der Schule im Laden der Eltern Brötchen geschmiert und sei von hier aus in ihre Schule gegangen. Sie war damals 19 Jahre alt, als die Bombe explodierte und sie wurde schwer verletzt. Sie hatte eine Keksdose geöffnet, die ein junger Deutscher in dem versteckt liegenden Laden, im Dezember zurückgelassen hatte.

Das eine ist das Attentat auf die Familie, das andere der Umgang der Behörden mit dem Anschlag. Die Opfer wurden zum zweiten Mal Opfer. Opfer von behördlichen Ermittlungen, die im Umfeld der Familie, nicht aber nach rassistisch motivierten und fremdenfeindlichen Straftaten suchten. Lunnebach kritisiert das deutlich und stellt fest, dass es Fragen gebe, die aufgeklärt werden hätten können, wenn sie nach dem Anschlag gestellt worden wären. Sind sie aber nicht, weil nicht wegen eines rassistischen Hintergrundes zur Tat ermittelt wurde. Erst die Selbstöffnung des NSU machte den Komplex für die Öffentlichkeit im Jahr 2011 sichtbar.

„So viele Leben, die zerstört wurden. Wofür? Was hat es euch gebracht? Wir hingegen können uns mit Stolz hinstellen und sagen, dass wir trotz allem, was ihr uns angetan habt, weitergemacht haben. Wir übernehmen Verantwortung für unser Leben.“

Eine Überlebende des Anschlages in der Kölner Probsteigasse, wie sie die Tafel zititert.

Auf der Tafel findet sich zudem ein Text des Rates der Stadt Köln. Er erinnert auch an den Nagelbombenanschlag in der Keupstraße, die Morde und zeichnet so ein größeres Bild des NSU. Auf der Tafel steht: „Wir sind bestürzt und beschämt, dass wir diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt haben, was sie waren: Morde und Mordversuche aus rassistischer Ideologie“, so der Rat der Stadt Köln, der ein Bekenntnis für eine antirassistische und offene Gesellschaft abgibt.

In die Jury zum Wettbewerb für die Gestaltung der Erinnerungstafel waren die Betroffenen eingebunden und das ist gut so. Denn sie waren es, die ein deutlich sichtbares Zeichen forderten und jetzt auch bekamen. Die Platte ist 60 Zentimeter breit und 1,80 Meter hoch. Daniel Poštrak, ist künstlerisch verantwortlich für den Entwurf der Tafel, die die beiden Texte zeigt und eine Schweißnaht wie eine Wunde. Postrak machte deutlich, dass es die Angehörigen selbst waren, die das Thema immer wieder auf die Agenda setzten und eine Aufarbeitung einforderten. Sie haben Fragen gestellt und Wissen generiert und so die Aufklärung vorangetrieben. Und sie waren es auch die aufforderten, die Taten nicht zu vergessen. Aber auch die Initiativen, die entstanden trieben Aufklärung und Erinnerung voran, wie etwa „Keupstraße ist überall“. Postrak verdeutlichte, dass bis heute immer noch nicht alles aufgeklärt sei und Fragen, wer etwa die Helfer vor Ort waren, geklärt seien. Oder welche Rolle der Verfassungsschutz gespielt habe. Diese Fragen müssten, so Postrak, weiter gestellt werden.

Bürgermeister Andreas Wolter bei der Einweihung der Tafel

Die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und ihr Unterstützer*innennetzwerk sind für zehn Morde an Bürger*innen mit Migrationsgeschichte und einer Polizistin sowie für weitere rassistische Straftaten verantwortlich.

Dîlan Yazicioglu, Migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Kölner Rat, sagt zur Einweihung der Gedenktafel: „Wie auch in der Keupstraße haben wir Grüne uns immer dafür eingesetzt, dass an die Anschläge des NSU angemessen erinnert wird. Die Gedenktafel in der Probsteigasse schafft einen sichtbaren Erinnerungsort in Absprache mit der betroffenen Familie. Für sie ist das ein ganz wichtiger Schritt. Gleichzeitig ist die Tafel eine Mahnung an uns alle: Rassismus tötet. Wir müssen uns stärker mit rechter Gewalt in unserer Gesellschaft auseinandersetzen.“

Heute Abend weiteres Gedenken

Heute Abend rufen mehrere Gruppen, darunter die „Omas gegen Rechts“, Initiative „Herkesin Meydani – Platz für Alle“, Interventionistische Linke Köln, „LUX! Wir sind dabei“ und die „Initiative „Keupstraße ist überall“ zu einer Gedenkkundgebung in die Probsteigasse. Im Aufruf zur Kundgebung heißt es: „Die Anschläge des NSU sind Teil einer rechten und rassistischen Kontinuität. Dass Anschläge häufig nicht umfassend aufgeklärt und nur vermeintliche „Einzeltäter:innen“ verurteilt werden, trägt weiter zur Verharmlosung bei – und dazu, dass Betroffene weiterhin in Angst leben müssen. So ist der Anschlag in der Probsteigasse nicht das einzige unaufgeklärte rassistische Attentat in Köln und Umgebung. Bis heute sind die Täter:innen zahlreicher weiterer Verbrechen auf freiem Fuß, darunter einer Serie von Brandanschlägen seit 1992, unter anderem  auf ein Flüchtlingsunterkunft in Humboldt-Gremberg, bei dem neun Rom:nja zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Eine 61-jährige Frau starb zwei Wochen später an den Folgen ihrer Verletzungen. Bei einem weiteren Brandanschlag auf einen Lebensmittelladen in der Trierer Straße Anfang Februar 1994 kam nur deshalb niemand zu Schaden, weil ein Taxifahrer die Explosion der Molotowcocktails gesehen und sofort die Feuerwehr verständigt hatte.“

Die Kundgebung startet gegen 18 Uhr in der Kölner Probsteigasse.

ag