Die „dramatischste Haltshaltssituation der Nachkriegsgeschichte“
Seit Monaten versucht Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters seine Bürger auf schwere Jahre einzustellen. Immer wieder betont er, dass Köln derzeit die „dramatischste Haltshaltssituation der Nachkriegsgeschichte“, so Roters, zu bewältigen habe. "Bei unserem aktuellen Rekorddefizit von 463,8 Millionen Euro ist das Umsteuern zwingend geboten", betonte Roters heute. Erst in zehn Jahren könne Köln erstmals wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, prognostizierte Kölns Oberbürgermeister. Dazu müsse jedoch in allen Bereichen drastisch gespart werden. Heute hat Kölns Oberbürgermeister den Haushaltsplan-Entwurf für die Jahre 2010/ 2011 in den Stadtrat eingebracht.

Der sieht pauschale Kürzungen in allen Dezernaten in Höhe von 7,5 bis 12,5 Prozent vor. Die sollen insgesamt rund 100 Millionen Euro in die leere Kasse spülen. Darüber hinaus sollen die Vorschläge der so genannten „Task Force“ umgesetzt werden, die für 2010 Einsparungen im Haushalt von 28,5 Millionen Euro und 2011 von 65,4 Millionen Euro vorsehen (Anm. d. Red.: Eine Liste der Kürzungsvorschläge finden Sie unten in diesem Artikel). Da die Stadt Köln dank einer ersten kleinen Erholung der Wirtschaft doch mehr Steuern einnimmt, als noch im Mai 2010 erwartet, konnte sie ihre Schätzung für das Jahr 2010 um 23,8 Millionen Euro erhöhen. Im Haushaltsplan rechnet sie nun mit Gewerbesteuer-Einnahmen von 850 Millionen Euro. Nach den Einsparungen bleibt daher, so Stadtkämmerer Dr. Norbert Walter-Borjans, 2010 ein Fehlbetrag von rund 414 Millionen Euro. Dieser soll durch die Ausgleichsrücklage und die Allgemeine Rücklage ausgeglichen werden. Der Haushaltsplan für das Jahr 2011 sieht einen Fehlbetrag von knapp 350 Millionen Euro vor, den die Stadt durch die Allgemeine Rücklage ausgleichen müsste. Roters betonte, dass Köln mit dem defizitären Haushalt in NRW nicht allein stehe. Gerade einmal zehn Prozent aller 398 Städte in NRW hätten einen echten Haushaltsausgleich geschafft.

Köln an der Grenze zum Haushaltssicherungskonzept
Derzeit drohe der Stadt noch kein verpflichtendes Haushaltssicherungskonzept, erklärte Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans. Laut der Gemeindeordnung muss Köln ein Haushaltssicherungskonzept erstellen, wenn bei der Aufstellung des Haushaltes geplant ist, in zwei aufeinander folgenden Jahren die Allgemeine Rücklage jeweils um mehr als fünf Prozent anzugreifen. Nach den derzeitigen Planungen würde Köln 2011 diese Fünf Prozent-Grenze überschreiten. Im Jahr 2012 müssten jedoch nur 4,8 Prozent der Allgemeinen Rücklage entnommen werden. Walter-Borjans weist jedoch darauf hin, dass die Abweichung bis zur Fünf Prozent-Grenze nur 9,83 Millionen Euro beträgt. Abweichungen in dieser Größenordung seien bei einem Haushalt von der Größe Kölns jedoch die Regel. Sollten sich die Ausgaben der Stadt also 2012 nu um knapp zehn Millionen Euro erhöhen, müsste Köln ein Haushaltssicherungskonzept erstellen. Insgesamt sieht der Haushaltsplan Ausgaben in Höhe von rund 3,3 Milliarden Euro vor.

Roters warnte davor, die Entscheidungsmacht über den eigenen Haushalt aus der Hand zu geben. "Wer den Kriterienkatalog der Kommunalaufsicht zur Haushaltssanierung kennt, der weiß, welch rigorser Stellenabbau welch einschneidende Kürzungen bei den freiwilligen Ausgaben und welche Restriktionen bei den Investitionen und Förderprogrammen zu erwarten sind", erklärte Roters. "Wir Kölner gestalten unsere Zukunft selbst", so Roters weiter. Um ein Haushaltssicherungskonzept zu verhindern, sollen daher weitere 150 Millionen Euro eingespart werden. Dies kündigte Roters heute an. Der Stadtvorstand habe daher die Kämmerei beauftragt, bis nach Ende der Sommerpause 2010 den Entwurf eines Konzeptes zur "Konsolidierung des Haushalts der Stadt Köln", so Roters, zu erarbeiten. Die noch einzusparenden 150 Millionen Euro sind in dem heute eingebrachten Haushaltsplan-Entwurfes noch nicht berücksichtigt.

Die Kernziele des Oberbürgermeisters
In seiner heutigen Rede, die von der Zuschauertribüne im Ratssaal mit vielen "Buh"-Rufen quittiert wurde, formulierte Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters vier Kernziele, für die Zukunft der Stadt:
"1. Wir müssen die soziale Balance in unserer Stadt wahren und Integrtaion fördern.
2. Wir wollen ein modernes Erziehungs- und Schulsystem, das die strukturelle Bildungsbenachteiligung aufhebt.
3. Wir sind der kulturellen Vielfalt und der kreativen Potentiale unserer Stadt verpflichtet, weil sie das Lebensgefühl dieser Stadt prägen.
4. Wir brauchen ein dynamisches Wirtschaftswachstum und eine gesicherte Beschäftigung; dabei müssen wir die Innovations- und Technologiepotentiale weiter ausschöpfen."



Grafik: Übersicht über die geplanten Ausgaben für das Jahr 2010


Ausgaben 2010 und 2011
Insgesamt sieht der Haushaltplan für das Jahr 2010 Ausgaben in Höhe von 3.249.152.205 Euro vor. Den größten Teil der Ausgaben sollen dabei mit 21 Prozent (683.796.303 Euro) soziale Hilfen ausmachen, gefolgt von Ausgaben in Höhe von jeweils 16 Prozent für die Allgemeine Finanzwirtschaft und für die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Im Jahr darauf will die Stadt 3.248.854.652 Euro ausgeben. Davon sollen ebenfalls 21 Prozent an die sozialen Hilfen gehen. Hierbei steigt der Betrag insgesamt allerdings auf 695.223.618 Euro an. Die Allgemeine Finanzwirtschaft soll 2011 16 Prozent erhalten, die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe 17 Prozent.


Grafik: Übersicht über die geplanten Ausgaben 2011



Foto: Bürger-Protest vor dem Kölner Rathaus


Massive Bürger-Proteste vor und in dem Kölner Rathaus
Die Besetzter des „Autonomen Zentrums“ in Köln Kalk; das „Kölner Bündnis gegen Kultur- und Sozialabbau“ und die „Vollversammlung Soziale Kämpfe“ riefen heute gemeinsam zu einer lauten Protestversammlung vor dem Kölner Rathaus auf. Sie planen eine eigene Ratssitzung, auf der diskutiert werden soll, was ein lebenswerte Stadt Köln braucht und nicht braucht. „Wir lassen uns nicht mehr spalten, wir kämpfen zusammen gegen den Wahnsinn des Kultur- und Sozialabbaus in Köln. Lasst uns die Ratssitzung, wo Roters sein Kürzungsprogramm vorstellen will, nutzen um unser Recht auf Stadt wieder zu besetzen. Unser Recht auf ein würdiges Dasein, unsere Recht auf Teilhabe und Partizipation sowohl im sozialen als auch kulturellen Bereichen, gilt es ein zu fordern. Was wir brauchen sind viele autonome Zentren und selbstverwaltete Häuser zum tanzen, leben und reden, wie wir diesem patriarchalen und kapitalistischen Wahnsinn ein Ende bereiten können. Und weil sie nicht vom Himmel fallen: Was wir brauchen müssen wir uns nehmen“, schreiben sie in einem Faltblatt

Rote Karte für Politiker
Im Ratssaal selbst zückten heute Vertreter der 36 SeniorenNetzwerke in Köln im Zuschauerraum rote Karten. Damit wollten sie den Ratsmitgliedern ihren Unmut über die Verwaltungsvorgaben zeigen. „Sollte bei der Seniorenarbeit in Köln wirklich um 50 Prozent gekürzt werden, dann droht hier im nächsten Jahr ein nie da gewesener Kahlschlag“, so Christof Wild, einer der SeniorenNetzwerk-Koordinatoren. Öffnungs- und Beratungszeiten von Seniorentreffpunkten müssten stark reduziert werden und hochaltrige oder behinderte Senioren könnten nicht mehr ausreichend betreut werden. Für einige SeniorenNetzwerke würden die Kürzungen sogar das vollständige Aus bedeuten.

Ebenfalls vor dem Kölner Rathaus protestierte das Bündnis Automomer Frauenprojekte gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, Lila in Köln, gegen die Kürzungen. Von Gewalt betroffene Frauen, Mädchen und Jungen sind  in erheblichem Maße von diesen Kürzungen betroffen. So sind sie über die erlebte Gewalt in der Familie hinaus, zusätzlich mit den Auswirkungen struktureller Benachteiligung konfrontiert. „Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen sozial benachteiligte Menschen zunehmend unter den Auswirkungen der Finanzkrise zu leiden haben, halten wir  Kürzungen im sozialen Bereich für ein falsches und unverantwortliches politisches Signal“, erklärt das Bündnis.

Roters verweist Bürger von der Tribüne
Die Reden von Oberbürgermeister Jürgen Roters und Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans wurden heute immer wieder durch Zwischenrufe von Kölner Bürgern auf der Zuschauertribüne gestört. Lautstarkt machten sie ihrem Unmut Luft, bis Roters sie nach mehrmaliger Verwarnung von der Tribüne verwies. Die Ratssitzung wurde mehrere Minuten unterbrochen, da die Bürger nicht bereit waren, die Tribüne des Ratssaals im Spanischen Bau zu verlassen. Kölns Oberbürgermeister rief schließlich die Polizei Köln, die die Bürger von der Tribüne begleitete. Die rund sechs Bürger gingen ohne Widerstand mit der Polizei mit.


Foto:Zahlreiche Kölner Bürger ließen heute rosa Luftballons stiegen heute als Zeichen des Protestes gegen die geplanten Kürzungen der Stadt vor dem Kölner Rathaus in den Himmel steigen.


Die Kürzungsliste der „Task Force“
Die so genannte Task Force wurde auf Beschluss des Stadtvorstandes vom 10. November 2009 damit beauftragt, zu prüfen, bei welchen Ausgaben die Stadt in den kommenden Jahren sparen könnte. Im Haushaltsplan-Entwurf, den Oberbürgermeister Jürgen Roters heute in den Rat einbrachte, formuliert sie rund 150 Vorschläge für Kürzungen. Sie sollen laut dem Haushaltsplan-Entwurf 2010 rund 28,5 Millionen Euro, 2011 etwa 65,4 Millionen Euro, 2012 rund 76,3 Millionen Euro sowie 2013 und 2014 jeweils rund 85 Millionen Euro einsparen.

Auszug aus den geplanten Kürzungen
Erhöhung der Eintrittspreise für Kultureinrichtungen um fünf Prozent – Ertrag: 2.040 Euro pro Jahr

Reduzierung der Zuschüsse für die freie Wohlfahrtpflege – Einsparung: 52.000 Euro (2010), 551.500 Euro (2011)

Einführung einer Gebühr für den Winterdienst – Ertrag: 0 Euro (2010), 2.925.000 Euro (2011)

Erhöhung der Parkgebühren – Ertrag: -102.000 Euro (2010), 1.770.000 Euro (2011)

Einstellung der Musik-Triennale nach 2010 – Einsparung 87.500 Euro (2011)

Verzicht auf die Herausgabe eines elektronischen Pressespiegels ab 2011 – Einsparung: 162.900 Euro

Einsparung im gesamten Bereich der Stadtentwicklung und Statistik durch Reduzierung für Vergaben in Höhe von 450.000 Euro (2010)

Einsparung von neun Stellen A7 in den Bürgerämtern für den Bürgerservice – Einsparung: 360.400 Euro (2010), 381.600 Euro (2011)

Mehr Geschwindigkeitskontrollen durch mehr Personal und 3 weitere Starenkästen – Ertrag: etwa – 89.000 Euro (2010), etwa 500.000 Euro (2011)

Fünfprozentige Reduzierung des freiwilligen städtischen Anteils an der Offenen Ganztagsschule – Einsparung: etwa 356.000 Euro (2010), rund 642.000 Euro (2011)

Erhöhung der Gebühren für die Rheinische Musikschule um 5 Prozent – Ertrag 2011: 50.000 Euro

Abbau von zwei Stellen Familienbeauftragter- Einsparung 71.000 Euro (2010), 142.500 Euro (2011)

Schließung von Kinderspielplätzen ab 2012

Weitere Entscheidungen und Debatten der heutigen Ratssitzung finden Sie hier >>>

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
[Grafiken: Stadt Köln]