Berlin | Der Leiter der Türkischen Gemeinde ist skeptisch vor Merkels Türkei-Besuch. Aus der Politik kommt die Forderung, dass Merkel Klartext reden solle.

Leiter der Türkischen Gemeinde skeptisch vor Merkels Türkei-Besuch

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat sich mit Blick auf das Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan skeptisch gezeigt. „Wir hatten gehofft, dass durch die Vereinbarungen mit Davutoglu eine Annäherung möglich ist; aber das ist vorbei“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Montag-Ausgabe). „Ich glaube nicht, dass sie noch Gültigkeit haben. Man muss jetzt neue Verhandlungen führen.“ Erdogan habe die Verabredungen selbst infrage gestellt, fügte Sofuoglu hinzu. „Und ich nehme nicht an, dass der neue Ministerpräsident etwas zu sagen hat.“

Der ehemalige Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei ausgehandelt. Sein Nachfolger Binali Yildirim gilt als Erdogan-treu.

Mützenich: Merkel muss mit Erdogan Klartext reden

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat Kanzlerin Angela Merkel vor ihrem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgefordert, deutliche Worte zu finden und indirekt die Nato-Mitgliedschaft der Türkei infrage gestellt. „Frau Merkel muss Herrn Erdogan klar machen, dass dieser Weg nicht in die Europäische Union hineinführt, weil er nicht durch gemeinsame Werte gedeckt ist“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Überdies müsse man „sehr deutlich sagen: Die Türkei ist auch Mitglied der Nato. Und Mitglied der Nato sollten Demokratien sein. Wir hatten während des Kalten Krieges schon mit Griechenland, Portugal und Spanien Probleme. Ich möchte da keine neuen Probleme sehen.“

Özoguz: Kanzlerin muss bei Türkei-Besuch Defizite klar ansprechen

 Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, bei ihrem Türkei-Besuch Streitpunkte offen anzusprechen. „Selbstverständlich müssen die Details der Flüchtlingsversorgung sowie Defizite bei der Meinungsfreiheit oder bei anderen Menschenrechten klar angesprochen werden“, sagte Özoguz im Interview mit der „Welt“. Die innere Zerrissenheit des Landes sehe sie mit großer Sorge.

Mit Blick auf das Flüchtlingsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei erklärte die Migrationsbeauftragte: „Bei den Menschenrechten werden wir keine Abstriche zulassen.“ Es müsse gewährleistet sein, dass alle Menschen, die aus Griechenland zurück in die Türkei geschickt werden, dort auch vernünftig behandelt werden. „Sie müssen Flüchtlingsschutz, also ein faires Asylverfahren aber auch Zugang zu Bildung und Arbeit erhalten“, forderte Özoguz.

„Die Vereinbarung mit der Türkei fußt ja auf EU-Recht, das heißt Europa entkommt seiner Verantwortung für Flüchtlinge nicht dadurch, dass es eine Absprache mit der Türkei trifft.“ Die stellvertretende SPD-Vorsitzende forderte zudem, den Visumzwang für türkische Bürger trotz der aktuellen Kritik an der Türkei aufzuheben. „Es wäre gut, wenn wir die Frage unabhängig von der aktuellen Flüchtlingslage betrachten würden“, erklärte Özoguz.

Die Menschen sollten im Vordergrund stehen.

Für den erforderlichen Klartext sei es freilich „schon fast zu spät“, fuhr Mützenich fort. „Man hätte schon in den letzten Monaten viel deutlicher werden können.“ Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung, mahnte in der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Die getroffenen Vereinbarungen müssen gelten.“

Autor: dts, ag