Köln, Berlin |Nachdem München und Hamburg ein Alkoholverbot in S- und U-Bahnen erlassen haben, wird der Ruf nach einer bundeseinheitlichen Regelung lauter. Laut einem Bericht des „Spiegel“ wollen dies vor allem die Bahn selbst und Bundesinnenminister Friedrich nicht. Eine erlebte Szene aus einer Kölner S-Bahn am vergangenen Freitag Abend.

Die S-Bahn-Kaschämm

Stellen Sie sich vor, sie erreichen Köln-Deutz mit dem ICE aus Frankfurt. Es ist kurz vor Mitternacht am S-Bahnsteig. Sie müssen nach Ehrenfeld. Damit haben Sie den gleichen Weg, zur gleichen Zeit, wie das junge Partyvolk das dem Hansaring, Ehrenfeld oder Nippes zustrebt. In letzter Sekunde springen noch drei junge Männer mit Bierflaschen völlig aus der Puste in den Wagon. Zwei Bahn-Sicherheitsmitarbeiter stehen dort, spielen mit ihren Smartphones. Durch das Laufen schäumt das Bier aus den Flaschen, die jungen Männer halten den Daumen auf die Flaschen, lächeln verlegen in Richtung der DB-Security, die interessiert das nicht. Eine Station weiter am Hauptbahnhof quillt die S-Bahn dann über. Fast keiner mehr von den Jüngeren ohne Bierflasche, die DB Security steigt aus, dazu zwei Männer mit Fahrrädern ein. Die Stimmung steigt in der Bahn, Vorglühen auf der Anreise zu den Clubs, eine junge Frau schiebt dem Typen, den sie gerade knutscht die Hand in die Hose und fummelt an seinem Hintern, dabei schlingt sie auch noch ein Bein um ihn, zwei ältere Paare kommen bierselig, allerdings ohne Flaschen in der Hand, aus der Altstadt. Die Bahn gleicht jetzt vom Geräuschpegel und Spaßfaktor eher einer Kaschämm um die Ecke, ein junger Mann dreht seelenruhig einen Joint. In Ehrenfeld spuckt die Bahn dann das ineinander verkeilte Partyvolk und Radfahrer aus, es wird gedrängelt und geschubst. Der normale Bahnreisende ist jetzt so etwas wie ein Yeti und hat Glück, wenn er ohne Bierdusche auf Anzug oder Gepäck die Bahn verlassen hat.

Bundesweite Regelung gefordert

Wegen alkoholisierter Passagiere sei „die Aufenthaltsqualität im Öffentlichen Personennahverkehr massiv beeinträchtigt“, heißt es laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in einem Schreiben des Geschäftsführers des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Hans-Werner Franz, an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Der Nahverkehrsmanager verlange eine „gesetzliche Grundlage für ein bundesweit einheitlich gültiges Alkoholverkaufs- und -konsumverbot in Anlagen und Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs“.

Bei der Deutschen Bahn, dem Marktführer im Schienenverkehr, ist eine solche Forderung umstritten. Die Bahn fürchtet vor allem die Kosten für die Kontrolle und Durchsetzung eines bundesweiten Alkoholverbots, die nach internen Berechnungen des Konzerns über hundert Millionen Euro jährlich betrügen. Auch Bundesinnenminister Friedrich reagiert ablehnend. Eine bundesweite Regelung sei „nicht geplant“, teilte er dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg mit.

Autor: dts, ag
Foto: Deutzer Bahnhof bei Nacht von oben gesehen