Das Foto zeigt den Eingang der Substitutionsambulanz des Gesundheitsamtes der Stadt Köln in der Lungengasse in der Nähe des Neumarkts. | Foto: Bopp

Köln | Eine wissenschaftliche Studie hat das Konsumverhalten suchtkranker Menschen rund um den Kölner Neumarkt untersucht. Heroin steht an der Spitze der Drogen, die am Kölner Neumarkt konsumiert werden und Crack erreichte den Platz. Und es gibt viele Obdachlose unter den Suchtkranken. Die Kölner Polizei äußerte sich zum Thema Crack im Juli auf Anfrage von report-K.

Im Gesundheitsamt der Stadt Köln am Neumarkt stellte Prof. Dr. Daniel Deimel, Professor für Klinische Sozialarbeit an der Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen gestern die Studie „Open Drug Scene Cologne – Survey“ (ODSC) – also offene Drogenszene in Köln vor. Die Forschenden aus Aachen untersuchten das Konsumverhalten suchtkranker Menschen im Umfeld des Neumarktes.

Die Rahmenbedingungen der Studie

Insgesamt wurden zwischen Ende April und Ende Juni in einem Zeitfenster von acht Wochen 119 Menschen befragt. In Form von Interviews mit geschlossenen und offenen Fragen machten die suchtkranken Menschen Angaben zu ihrem Konsumverhalten. 79 Prozent der befragten Konsumentinnen und Konsumenten ist männlich und 65 Prozent sind deutscher Herkunft. Das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren. 

Jede:r Zweite – also 55 Prozent – hatte Erfahrungen mit Drogenüberdosierungen, die im Zusammenhang mit Heroin lebensbedrohlich sein können. Mit einem Anteil von 32,2 Prozent ist rund ein Drittel der Befragten obdachlos und übernachtet auf der Straße.

Die meistkonsumierte Droge am Neumarkt ist Heroin

65 Prozent der Befragten rund um den Neumarkt konsumieren Heroin. Dies erfolgt in den sehr späten Abendstunden. Heroin-Konsumentinnen und Konsumenten, die zwischen 22 und 24 Uhr, zum letzten Mal am Tag die Droge konsumieren, schlafen laut der Studie zudem eher auf der Straße. Diese Angabe machten 50 Prozent, während 22 Prozent bei Freunden übernachten.

Crack ist am Kölner Neumarkt angekommen

„ODSC“ zeigt: Crack ist in der offenen Drogenszene am Neumarkt angekommen. 105 der 119 Befragten gaben an bereits einmal in ihrem Leben Crack konsumiert zu haben. Zudem gaben 21 Prozent der Befragten an, am Befragungstag Crack konsumiert zu haben. Laut der Studie seien Crack-Konsumentinnen und Konsumenten am Neumarkt zudem jünger – im Durchschnitt 36 Jahre alt. Sie übernachten häufiger draußen als andere Drogenkonsumenten und sind seltener in Substitutionsbehandlungen, wünschen sich aber mehr Unterstützung bei der Vermittlung.

„Einen nennenswerten Crack-Konsum kannten wir bisher nur aus den Städten Hamburg, Frankfurt, Hannover oder Bremen. In NRW ist ein Anstieg der Konsumentinnen und Konsumenten seit 2016 zu verzeichnen“, sagte Prof. Dr. Deimel am Mittag in Köln. „Allerdings sind hochfrequente Konsummuster, welche für Crack aufgrund der kurzen Wirkungsdauer typisch sind, in Köln die Ausnahme. Mit rauchbarem Crack, also Kokain-Steinen, wird aktuell noch nicht in der Szene gehandelt.“

Das sagt die Kölner Polizei zu Crack in Köln

Mitte Juli fragte die Redaktion von report-K bei der Kölner Polizei zum Thema Kokain und Crack an. Ende Juli lagen die Antworten der Ordnungsbehörde vor. Die Polizei in Köln spricht davon, dass die Verfügbarkeit von Kokain in Köln gestiegen ist und durch die mittlerweile erschwinglichen Preise auch innerhalb der lokalen Drogenszene deutlich präsenter sei. Nach einer Prüfung des Eingangs der Vorgänge sei aber kein vermehrter Konsum und Besitz von Crack in der Kölner Drogenszene feststellbar. In Köln fänden die Beamten vor allem Kokain in Pulverform. Unregelmäßig werde bei Personenkontrollen auch Natron bei Konsumentinnen und Konsumenten von Drogen gefunden. Der Besitz von Natron ist aber legal und werde daher auch statistisch nicht von der Polizei erfasst.

Auf die Frage, ob es in Bezug auf den öffentlichen Raum und dortigen Drogenkonsum von Crack zu neuen Problemlagen komme, vor allem an den bekannten Hotspots, stellt die Kölner Polizei fest: „In der Kölner Innenstadt sind der Polizei aktuell keine speziellen „Crackkonsumorte oder -szenen“ bekannt. Der direkte Verkauf von Crack konnte bisher nicht festgestellt werden. Gleichwohl finden im Rahmen der Netzwerkarbeit zwischen Polizei Köln und dem Gesundheits- und Ordnungsamt der Stadt Köln regelmäßige Austausche statt. Der Konsum von Kokain in Form von Crack wurde in den wiederkehrenden Sitzungen bereits thematisiert. Eine Kausalität zwischen Crackkonsum und einem erhöhten Gewalt- oder Aggressionsverhalten ist nach bisherigem Kenntnisstand nicht belegt.“

Im Juli fragte report-K auch bei der Stadt Köln zum Thema Crack bei der Stadtverwaltung Köln nach. Diese stellte in ihrer Antwort am 19. Juli fest, dass hochfrequente Konsummuster von Crack in Köln bisher die Ausnahme seien. Die Stadt schreibt: „Mit rauchbarem Kokain (Crack-Steine) wird in Köln im Gegensatz zu Städten wie Frankfurt und Hamburg noch nicht auf der Szene gehandelt. Sollte dies passieren, dürfte dies mit einem Anstieg der Konsument:innen-Zahlen einhergehen.“ Und sie verwies auf die Studie, die gestern vorgestellt wurde.

Konsumräume zwar bekannt, aber nicht genutzt

Das Ergebnis der Studie zeigt auch, dass die Drogenkonsumräume am Kölner Hauptbahnhof und am Neumarkt unter den befragten suchterkrankten Befragten bekannt sind. 72,9 Prozent gaben an diese Möglichkeit zu kennen – doch nutzen nur 48,3 Prozent aller Befragten die Räume. Lediglich 14,4 Prozent der Befragten kannte den Drogenkonsumraum am Neumarkt gar nicht. Die Studie empfiehlt daher mehr für die Drogenkonsumräume zu werben. Laut Deimel sei bei der Nutzung der Räume in Köln noch „Luft nach oben.“

Dr. Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln sagte am Mittag „Ich bin froh, dass wir nun eine solche Datenbasis haben. Diese Studie hilft dabei, unsere Unterstützungsangebote noch besser an die Bedürfnisse der suchtkranken Menschen anzupassen. Insbesondere die Konsumzeiten in den späten Abendstunden zeigen nochmal, wie wichtig es ist, die Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums deutlich auszuweiten.“ Diese Ausweitung der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums am Kölner Neumarkt beschloss der Rat in seiner Februarsitzung.

Die Drogenkonsumräume passen ab dem 1. September ihre Öffnungszeiten an und haben länger geöffnet. Künftig schließen die Konsumräume um 20 Uhr und nicht mehr – wie aktuell um 18.30 Uhr. Um die Öffnungszeiten noch weiter auszuweiten, fehle es aktuell laut Rau an Fachpersonal. Wichtig sei es aber die Erkenntnisse aus der Studie ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Bei der Anfrage dieser Internetzeitung im Juli erklärte die Stadtverwaltung das sie zudem an der Ausweitung des aufsuchenden Suchtclearings, im Klartext Streetwork und dem Auf- und Ausbau weiterer Suchthilfeangebote arbeite.

Weitere Aufenthalts

Viele der suchterkrankten rund um den Neumarkt sind obdachlos. Besonders der Unterstützungsbedarf nach Wohnraum ist besonders hoch. 69,5 Prozent aller Befragten wünschen sich dabei mehr Unterstützung. Allgemein bestehe unter den befragten Suchterkrankten laut der Studie zudem der Bedarf nach niederschwelligen Hilfen wie Tagesruheräumen – in denen sich die Nutzerinnen und Nutzer von Drogen etwa tagsüber hinlegen können.

mit ag