Köln | Es ist Europas größtes Reggae-Festival, das auch in Übersee längst seine Anerkennung gefunden hat. Bereits seit 25 Jahren ist Andrew Murphy die Stimme des Summerjam.“Ich fühle mich dem Festival verbunden. Inzwischen sehe ich schon die Enkel mancher Besucher im Publikum. Es ist schön, wenn die Leute vor der Bühne ihren Spaß haben und zufrieden nach Hause gehen.“

Die Musik ist für ihn deutlich schnelllebiger geworden. „Die Zeiten des reinen Reggae-Festivals sind vorbei. Der Trend geht zu den Sean Pauls dieser Welt. Richtige Bands wie die Wailers findet man kaum noch. Mir fehlt manchmal der Spirit in der Musik“, sagt Murphy. Bedenken hat er, weil sich derzeit in Sachen Reggae im Ursprungsland Jamaika zu wenig tut. „Viele aktuelle Entwicklungen passieren derzeit in Europa oder in den USA. Gerade Deutschland ist zur Hochburg des Reggae geworden. Ich hoffe, dass dies auch in Jamaika bald wieder stärker der Fall sein wird und es dort mehr spirituelle Befruchtung gibt.“

Junge Künstler entdecken in Jamaika den Roots-Reggae neu

Hoffnung dazu geben junge jamaikanische Bands wie Raging Fyah: „Für uns ist ein Traum war geworden. Es ist eine große Ehre, hier beim Summerjam dabei zu sein“, sagt Sänger Kumar Bent, der zum ersten Mal am Fühlinger See auf der Bühne steht. „Der Mainstream ist bei uns nach wie vor auf Dancehall festgelegt. Die Zahl der jungen Künstler, die sich auf RootsReggae festlegen wird aber immer größter“, ist sich Bent sich. In Köln bewundert er vor allem die Offenheit des Publikums und die große Party vor der Bühne.

Bereits zum siebten Mal ist Christopher Martin beim Summerjam. 2005 gewann er die jamaikanische Version des Superstar-Wettbewerbs. „Das ist ein international anerkanntes Festival. Es ist toll Teil davon zu sein“, sagt Martin. Die Castingshow war für ihn der Start der Musikkarriere. Auch er gehört zur jungen Szene Jamaikas: „Es ist wichtig, die Standards hoch zu halten, dann erreichen wir auch weiter die jungen Leute in der ganzen Welt“, sagt der Mann zu dessen Vorbilder natürlich der große Bob Marley gehört, dessen Sohn Stephen gestern auf der Bühne stand. Mit dem Kölner Lokalmatadoren Gentleman hat Martin einen gemeinsamen Songs aufgenommen. „Er ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit und ein guter Repräsentant für Reggae in Europa.“

Soja sind in den USA bei Fans zwischen 14 und 25 angesagt

Dass es gute Reggae-Künstler nicht nur in Europa sondern auch in den USA gibt, beweisen Soja aus Washington, die auf der großen Bühne von den Fans gefeiert werden. „Mich freut am Summerjam, dass die Leute offen sind für das ganze Spektrum des Reggae und das unabhängig davon, woher Künstler kommen oder welche Hautfarbe sie haben“, sagt Sänger Jacob Hemphill. In den Staaten spiele seine Bands zwar auf Musikfestivals, aber nie auf Reggaefestivals. „Da haben nur die Bands aus Jamaika ihren Platz, der Rest wird ignoriert.“ Zu seinen Vorbildern zählt er Bob Marley und Peter Tosh aber auch Paul Simon und Sade. Bei den jungen US-Amerikanern zwischen 14 und 25 ist seine Band in Sachen Reggae derzeit die Nummer eins.

Summerjam zieht Reggaefans aus ganz Europa an

Thierry Moutoussamy alias Lord Kossity ist in einem Pariser Vorort geboren. Seine Familie wanderte nach Martinique aus, als er elf Jahre alt war. Nachdem er als Rapper seine Musikkarriere gestartet hat, entdeckt er immer mehr seine Liebe zum Reggae. „Zum Sumerjam kommen Leute aus ganz Europa. Es ist eine gute Möglichkeit, als Musiker hier Neues zu präsentieren“, sagt der Lord. Dass viele junge Leute eher auf HipHop oder Dancehall stehen, ist für ihn völlig in Ordnung: „Das passt besser zu ihrem Leben. Gut ist in Köln, dass verschiedene Generationen im Publikum sind und so ein breites Spektrum kennenlernen können“, sagt der Musiker, der im November sein neues Album an den Start bringt.

Aufgewachsen in Kenia entdeckte Jahcoustix alias Dominik Haas mit 14 Jahren auf den Straßen Nairobis den Reggae als die Musik, die ihn am stärksten berührte. Er begann, sich für die Kultur dieser Musik zu interessieren, fing an Gedichte zu schreiben und Gitarre zu spielen. „Es ist großartig, dass beim Reggae jeder seine eigene Version schaffen kann, die trotzdem eine gemeinsame Wurzel hat. Dazu kommen die Einflüsse, die jeder im Lauf seines Lebens mitnimmt“, sagt Haas, der auch von Künstlern wie Michael Jackson oder Pink Floyd beeinflusst wurde. Begeistert ist er, dass der Summerjam sich in so vielen Ländern seinen Namen gemacht hat: „Ich toure viel im Ausland und überall wo ich bin, kennt man dieses Festival.“

Rapper Prinz Pi ist überrascht von der Offenheit der Fans

Völliges Neuland ist der Summerjam für den deutschen Rapper Prinz Pi: „Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Musik hier so gut ankommt und dass wir hier so viele Fans haben.“ Begeistert ist Prinz Pi auch von der Stimmung am See. „Hier ist alles absolut friedlich und locker“, sagt der Mann, der im Herbst in die Live Music Hall kommt.

Dagegen war die französische Reggae-Formation  Danakil in den vergangenen vier Jahren drei Mal am Fühlinger See. „Wir haben nicht die ganz großen Plattenverkäufe. Für uns sind die Liveauftritte entscheidend und der Summerjam ist eines der wichtigsten Festivals für uns“, sagt Sänger Balik. In Frankreich ist Roots-Reggae derzeit angesagt und auch in Köln finden sich zahlreiche Landsleute Baliks.

Erst als Fan dann als Musiker kam Sebastian Sturm zum Summerjam. „Bei meinem ersten Festival war ich nur in der Zeltstadt und habe die Vibes genossen. Auf die Bühne, auf der meine Heroes standen, wolle ich auch mal stehen“, sagt der Aachener. Viel Inspiration findet er der US-Band Groundation: „Da trifft Bob Marley auf Miles Davis – sehr spannend“, sagt Sturm, der mit „Get up & get going“ gerade ein neue CD veröffentlicht hat.

Zu den Stammgästen des Summerjam gehört seit vielen Jahren der sizilianische Reggae-Musiker Alborosie. „Das ist ein Festival, bei dem man dabei sein und sich zeigen muss. Es ist eine sehr gute Plattform für Reggae.“ Zu seiner Musik ist er über einen Radiosong Bob Marleys gekommen „Ich wusste sofort das ist meine Musik. Sie entspricht meinem Spirit.“ Unterstützt wird er in Köln von der Sängerin Ikaya, die zum ersten Mal in Köln ist: „Das ist großartig hier, ich freue mich schon, wenn ich im Winter nach Deutschland zurückkomme.“

Autor: Stephan Eppinger
Foto: Die Fans feierten ihre Stars beim Summerjam Festival am Fühlinger See