Ein Gepard-Panzer im Januar 1973 bei Tests der US-Armee. | Foto: gemeinfrei

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Russland sieht sich nicht im Krieg mit der NATO, will aber Waffenlieferungen angreifen sobald sich diese Waffen auf dem Territorium der Ukraine befinden. EU-Gasziele sind laut Berechnungsmodell kaum erreichbar. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Die militärische Lage am 29. April

10:20 Uhr > Die ukrainischen Streitkräfte stellen sich auf den Vorstoß der russischen Einheiten in der Ostukraine flexibler auf und setzen anstatt auf statische Stellungen auf eine mobilere Verteidigung. Sie verlagern mechanisierte Reserveeinheiten, um den russischen Vorstoßversuchen zu begegnen. Diese haben gestern westlich von Sewerodonezk begrenzte Vorstöße gemacht und sind südlich von Izyum stecken geblieben. Die konzentrierten Artillerieangriffe ermöglichen den russischen Truppen kleinere Vorstöße, aber die Ukrainer halten ihre Stellungen. Begrenzte ukrainische Gegenangriffe rund um die Stadt Charkiw könnten die russischen Streitkräfte zusätzlich dazu zwingen, für die Izyum-Achse vorgesehene Einheiten zu verlegen, um diese Positionen zu halten.

In Mariupol gehen Militärexperten davon aus, dass die russischen Militärs eine Truppe hinterlassen werden, die gerade so groß ist, um die ukrainischen Stellungen im Azovstal-Industriekomplex zu blockieren und Partisanenaktionen zu verhindern. Der ukrainische Geheimdienst warnt weiterhin davor, dass russische Angriffe unter falscher Flagge in Transnistrien darauf abzielen, Transnistrien in irgendeiner Form in den Krieg hineinzuziehen und Moldawien zu zwingen, seine pro-europäische Politik aufzugeben.


Russland nimmt Waffenlieferungen aus dem Westen ins Visier

9:47 Uhr > Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat der NATO vorgeworfen, ein Ende der „Spezialoperation“ in der Ukraine durch Waffenlieferungen und politische Vereinbarungen zu erschweren. Dem arabischen Sender Al-Arabija sagte Lawrow, Russland kenne die Routen, die der Westen für Waffenlieferungen benutzen wolle. „Sobald diese Waffen ukrainisches Territorium erreichen, sind sie Freiwild für unsere Spezialoperation“, sagte er.

Dennoch betrachte Lawrow Russland nicht im Krieg mit der NATO. Allerdings glaube die NATO, mit Russland im Krieg zu stehen, sagte der russische Außenminister weiter. Derweil bestätigte John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin, dass die USA ukrainische Truppen in Deutschland ausbildet. Unter anderem gehe es um Training an Haubitzen und weiteren Waffensystemen, die die Ukraine als Unterstützung im Kampf gegen Russland erhalten habe.


Lindner schließt Gas-Zahlungen mit Rubel aus

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schließt eine Zahlung russischer Gaslieferungen mit Rubel kategorisch aus: Auf die Frage, ob Deutschland im Notfall Gaslieferungen mit Rubel bezahlen und damit auf Putins Forderungen eingehen werde, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben): „Nein. Wir lassen uns nicht erpressen.“ Lindner hob hervor, die Bundesregierung wolle schnellstmöglich unabhängig werden und unternehme alles, um nicht erpressbar zu sein.

Die Gaslieferungen würden auf Basis der Verträge weiter in Euro und Dollar gezahlt. In der Debatte um eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine mit Kampfpanzern wie dem Leopard mahnte der FDP-Chef eine enge Abstimmung mit Frankreich und den USA an: „Wir müssen im Gleichklang mit unseren Partnern handeln. Wir haben es mit der Atommacht Russland zu tun, deshalb ist es unerlässlich, uns insbesondere mit Frankreich und den USA als Atommächten abzustimmen.“ Gegenwärtig gebe es keinen Verbündeten, der Kampfpanzer liefere.


EU-Gasziele sind laut Berechnungsmodell kaum erreichbar

Die Ziele der EU, ihre Erdgasimporte aus Russland zu kürzen und zugleich die Speicher bis zum Winter deutlich aufzufüllen, lassen sich nur erreichen, wenn Europas Industrie wochenlang das Gas abgedreht wird. Zu diesem Ergebnis kommt ein Berechnungsmodell des Forschungszentrums Jülich, über das „der Spiegel“ berichtet. Demnach müssten europaweit mehr als 300 Terawattstunden Erdgas (rund 30 Millionen Kubikmeter) in diesem Jahr eingespart werden, um die Vorgaben von EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans zu erfüllen.

Diese Menge entspricht ungefähr einem Drittel des jährlichen Verbrauchs von ganz Deutschland. Timmermans hatte erklärt, dass die EU-Mitgliedstaaten bis Jahresende auf zwei Drittel ihrer Gaslieferungen aus Russland verzichten und diese aus anderen Quellen ersetzen würden. Zugleich sollen die Staaten ihre Speicher bis zum November auf mindestens 80 Prozent der Maximalkapazität befüllen – um notfalls auch ohne russisches Gas über den nächsten Winter zu kommen. Beide Ziele zugleich lassen sich laut den Modellberechnungen des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse aber nur mit erheblichen Abriegelungen der Industrie verwirklichen. Demzufolge müsste sämtlichen Stahlhütten, Chemiefabriken oder Zementwerken in der EU von jetzt an bis Ende Juli das Gas abgedreht werden – und dazu den Gaskraftwerken fast den gesamten Juli lang.

Nur so ließe sich das Zwischenziel der EU erreichen, die Speicher bis zum 1. August zu 63 Prozent zu füllen. Im Oktober wären laut Modell dann weitere Kappungen für die Industrie notwendig, um den 80-Prozent-Pegel bis zum 1. November zu erreichen. All dies gilt selbst unter der optimistischen Annahme, dass sich die Einfuhren von Flüssigerdgas (LNG) und Pipelinegas aus anderen Staaten noch einmal deutlich steigern ließen. „Wenn die Speicher entsprechend der geplanten Vorgaben aufgefüllt und zugleich die Lieferungen aus Russland derart stark gekürzt werden sollen, geht das nur mit deutlichen Einschränkungen für die Industrie und die Kraftwerke“, sagte Jochen Linßen, Professor am Forschungszentrum Jülich, dem „Spiegel“. Der deutsche Notfallplan Gas und die europäische SoS-Verordnung sehen vor, dass „geschützte“ Kunden wie Privathaushalte oder soziale Dienste wie Krankenhäuser vorrangig versorgt werden müssen. Einsparen ließe sich also nur bei den Unternehmen, die Gas für Ihre Produktion oder als Brennstoff für Kraftwerke benötigen. Wirtschaftsvertreter fordern, notfalls private Endverbraucher abzuschalten.

Eon-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley etwa mahnte diese Woche an, die Industrie müsse vorrangig versorgt werden.