Berlin | Als Reaktion auf die Öffnung der türkischen Grenzen zur Europäischen Union hat der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen ins Spiel gebracht. Eine Situation wie im Herbst 2015 dürfe sich nicht wiederholen: „Das war unser Versprechen an die Bevölkerung, und wir müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Wort zu halten“, sagte Frei der „Welt“ (Montagsausgabe). „In letzter Konsequenz und in aller Klarheit heißt das auch: lückenlose Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen.“ Die SPD fordert einen „nationalen Kraftakt“ für die Integration von Flüchtlingen. 

Frei forderte europaweit grenzpolizeiliche Unterstützung für Griechenland und humanitäre Hilfe für die Grenzregion. „Die Lage besorgt zu beobachten, reicht nicht“, warnte der CDU-Politiker. „Wenn unter den in der Türkei lebenden Flüchtlingen und Migranten der Eindruck entsteht, dass die Grenze nach Europa offen ist oder nicht geschlossen werden kann, werden sich noch viel mehr Menschen auf den Weg machen.“

JU-Chef Tilman Kuban warnte ebenfalls vor der Wiederholung „einer Situation wie 2015“. Die Europäer müssten zusammenstehen und Griechenland dabei unterstützen, die EU-Außengrenzen zu schützen. „Deutschland ist verpflichtet, konkrete personelle und finanzielle Hilfe zu leisten“, so Kuban.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse das Thema „umgehend zur Chefsache erklären“ und einen Zeitplan für Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten vorlegen, forderte unterdessen der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle. Es räche sich, dass die Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems blockiert haben. „Wir sind auf einen neuerlichen Ansturm von Flüchtlingen nicht hinreichend vorbereitet.“

SPD will „nationalen Kraftakt“ für Integration von Flüchtlingen

Die SPD will wieder mehr Geld in die Flüchtlingshilfe stecken. Der im Sommer 2019 zwischen Bund und Ländern vereinbarte schrittweise Rückzug des Bundes aus der Finanzierung sei „der falsche Weg“, heißt es in einem Positionspapier mit dem Titel „Ein nationaler Pakt für das Zusammenleben in Deutschland“. Die Führungsgremien der SPD wollen am Montag über das Papier beraten, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

Es gewinnt durch die Ankündigung Ankaras vom Wochenende, die Grenzen für Flüchtlinge in Richtung der EU zu öffnen, weitere aktuelle Bedeutung. Außerdem hat Regierungschefin Angela Merkel (CDU) für diesen Montag zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt eingeladen. Im vergangenen Jahr unterstützte der Bund die Länder bei den Flüchtlingskosten noch mit etwa 4,7 Milliarden Euro.

Dieser Betrag soll auf 3,35 Milliarden Euro in diesem Jahr und 3,15 Milliarden Euro 2021 sinken. Finanzminister Olaf Scholz hatte damit argumentiert, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kämen. Ende 2019 sollten mehrere Regelungen der Kostenübernahme für Flüchtlinge auslaufen.

In dem Positionspapier, das unter Federführung des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) entstanden ist, heißt es nun: „Integration braucht einen langen Atem.“ Zugleich müsse sich Deutschland „schon heute auf die Ankunft und Betreuung weiterer Flüchtlinge in den kommenden Jahren einstellen“. Die nach der Flüchtlingskrise 2015 geschaffenen Strukturen müssten erhalten bleiben, dazu sei ein „langfristiger nationaler Kraftakt erforderlich“.

„Es gilt es als völlig unstrittig, dass Integration frühestens nach zehn Jahren gelingt, die Zuwandernden seit 2015 also noch eine Wegstrecke vor sich haben“, heißt es weiter in dem Papier. Derzeit versuchten die Länder, die zurückgefahrene Bundeshilfen teilweise zu kompensieren. „Eine Dauerlösung ist das nicht.“ Schuldenbremse und wirtschaftliche Unsicherheit begrenzten die finanziellen Möglichkeiten. Das Positionspapier befasst sich zudem mit dem Kampf gegen Rassismus und Extremismus. Es nimmt die Forderung nach einem Demokratiefördergesetz auf, mit dem es möglich sein soll, Projekte und Programme, die die Demokratie stärken, dauerhaft zu finanzieren. Gegen Hass und Hetze im Internet soll entschiedener vorgegangen werden.

Autor: dts