Karlsruhe | aktualisiert | Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt. Nicht der Bund, sonder die Länder seien für die Durchsetzung der Familienleistung zuständig, urteilten die Richter. Die Leistung in Höhe von 150 Euro monatlich wird an Eltern gezahlt, die ihr Kleinkind zu Hause betreuen.

Mehr als 455.000 Eltern erhalten derzeit das Betreuungsgeld. Geklagt hatte das Land Hamburg. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) begrüßte das Urteil.

„Das Betreuungsgeld hat gerade Frauen mit kleinen Kindern aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen“, sagte Dreyer der „Bild“ (Mittwoch). „Vor diesem Hintergrund begrüße ich das BVG-Urteil. Es ist klar und deutlich. Das nun eingesparte Betreuungsgeld sollte in den Ausbau und die Qualität von Kita- und Betreuungsplätze investiert werden. Das nützt den Kindern und ihren Eltern am allermeisten.“

CSU-Chef Seehofer will Betreuungsgeld in Bayern weiter zahlen

CSU-Chef Horst Seehofer will das umstrittene Betreuungsgeld in Bayern weiter auszahlen. Die Leistung sei von größter Bedeutung für viele Eltern in Bayern, sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag, nachdem das Bundesverfassungsgericht die sogenannte „Herdprämie“ für verfassungswidrig erklärt hatte. Es wäre ein Schaden für die Familien, wenn der „Markenkern der bayerischen Familienpolitik“ aufgegeben würde, so der CSU-Chef weiter.

Deshalb werde Bayern die Zahlungen übernehmen. Er rief den Bund dazu auf, die bisher für die Leistung aufgewandten Mittel den Ländern zur Verfügung zu stellen. Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist nicht der Bund, sondern die Länder für die Durchsetzung der Familienleistung zuständig.

Der Bund hätte es daher nicht einführen dürfen. Bereits vor der Entscheidung hatte Seehofer betont, in Bayern am Betreuungsgeld festhalten zu wollen. Die Leistung in Höhe von 150 Euro monatlich wird an Eltern gezahlt, die ihr Kleinkind zu Hause betreuen.

SPD will Ländern weiter Betreuungsgeld-Mittel zahlen

Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat sich offen dafür gezeigt, den Ländern weiter die nun frei werdenden Betreuungsgeld-Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn Länder und Kommunen die nun frei werdenden Mittel im Sinne „realer“ Wahlfreiheit für Eltern und für Investitionen in die Kinderbetreuung „sinnvoll einsetzen können, ist das gut“, sagte Stegner dem „Handelsblatt“. Mit Blick auf Bayern fügte er hinzu: „Wenn das CSU-regierte Bayern das weiterhin für seine gestrige Familienpolitik nutzen will, ist das eben so.“

Mit der SPD werde es jedenfalls „definitiv keinen zweiten Versuch einer bundesweiten Fernhalteprämie“ geben. Stegner reagierte auf den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der erklärt hatte, das es das Betreuungsgeld für bayerische Familien in jedem Fall auch in Zukunft geben werde, das Geld dafür aber der Bund den Ländern zur Verfügung stellen müsse. „Nun ist der Bund in der Pflicht, den Ländern die bisher für das Betreuungsgeld eingesetzten Mittel in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen“, sagte der CSU-Chef.

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Gesine Lötzsch (Linkspartei), lobte die Abschaffung der „Herdprämie“ als gute Nachricht für alle Frauen und Kinder. „Frauen werden nicht länger mit Geld bedrängt, um ein überholtes CSU-Familienbild zu konservieren“, sagte Lötzsch dem „Handelsblatt“. Kinder bekämen nun die Chance, gemeinsam mit anderen Kindern zu spielen und zu lernen.

„Die frei werdenden Mittel sollten zur Verbesserung der Situation von Alleinerziehenden genutzt werden“, forderte die Politikerin.

Betreuungsgeld: Schwesig sichert Familien Übergangslösung zu

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld betroffenen Familien eine Übergangslösung zugesichert. Sie werde nach einer Möglichkeit suchen, damit Familien, die die Leistung bereits erhielten, es bis zum Ende bekämen, erklärte Schwesig am Dienstag. „Über die weitere Umsetzung werde ich mich mit den Regierungsfraktionen am 13. August beraten.“

Die Familienministerin forderte, die frei werdenden Mittel für eine verbesserte Kinderbetreuung eingesetzt werden. „Das Geld darf nicht im Haushalt des Bundesfinanzministeriums versickern“, betonte die SPD-Politikerin. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht das 2013 eingeführte Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt.

„Die Entscheidung zeigt: Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg und hat keine Zukunft“, sagte Schwesig.

Die Begründung des Gerichtes zum Urteil zum Betreuungsgeld

Dem Bundesgesetzgeber fehlt die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden. Die §§ 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, die einen Anspruch auf Betreuungsgeld begründen, sind daher nichtig. Sie können zwar der öffentlichen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zugeordnet werden, auf die sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Ausübung dieser Kompetenz durch den Bund liegen jedoch nicht vor. Das Urteil ist einstimmig ergangen.

Autor: dts