Die Übersichtsaufnahme zeigt den Parteitag des Bündnis Sarah Wagenknecht am 27. Januar 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | In Berlin hat am Samstagvormittag der Gründungsparteitag des sogenannten „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“, kurz „BSW“, begonnen. Neben der Wahl des Parteivorstandes steht auch eine Generaldebatte und Beschlussfassung zum Europawahlprogramm sowie die Wahl der entsprechenden Kandidatenliste auf dem Programm.

Insgesamt haben Wagenknecht und ihre Mitstreiter knapp 10 Stunden eingeplant. Als Redner sind Daniela Dahn, Amira Mohamed Ali, Shervin Haghsheno, Ralph Suikat, Christian Leye, Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi und Thomas Geisel angekündigt, das Schlusswort soll Ex-SPD- und Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine halten.

In machen Umfragen wird dem BSW ein bundesweites Wählerpotential von 20 Prozent und mehr vorhergesagt, manche Umfrageinstitute sehen aber auch eine deutlich geringere Zustimmungsrate unter der 5-Prozent-Hürde – die bei der Europawahl allerdings nicht gilt.

Eine erst am Vortag bekannt gewordene Analyse der Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ einen „Anti-Establishment-Kurs der Mitte“ einschlage und damit Gefahr laufe, eine ideologisch zu heterogene Wählerschaft anzuziehen, „die sie längerfristig kaum an die Partei binden kann“.

Wagenknecht jedenfalls scheint sich derzeit über mangelnden Zulauf nicht beklagen zu können und geht dabei betont vorsichtig vor: zum Gründungsparteitag sind nur ausgewählte Mitglieder eingeladen, später soll es eine Art Probemitgliedschaft geben.

Mohamed Ali auf dem Gründungsparteitag des BSW am 27. Januar 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Mohamed Ali spürt „hohe Erwartungen“ an BSW

Die Parteivorsitzende des neu gegründeten „Bündnisses Sahra Wagenknecht“, Amira Mohamed Ali, spürt hohe Erwartungen der Wähler an die neue Partei. „Aus den zahlreichen Zuschriften, die mich von Menschen aus ganz Deutschland täglich erreichen, weiß ich, wie hoch die Erwartungen an unsere Partei sind“, sagte sie am Samstag in Berlin auf dem Gründungsparteitag des BSW.

Sie wisse auch, wie groß die Sorgen vor wirtschaftlichem Abstieg und Kriegen seien, fügte sie hinzu. „Es ist an uns, all diesen Menschen wieder Hoffnung zu geben: Wir sind das Bündnis, wir sind die Partei, auf die so viele Menschen in unserem Land so lange gewartet haben.“

Vor allem wolle man kein Teil der „abgehobenen, selbstgerechten Politblase“ sein, in der man sich ständig die Finger „wund twittere“ und dabei die Sorgen der Menschen aus den Augen verliere, so Mohamed Ali.

Man werde die eigene Politik nicht nach den „Vorgaben der mächtigsten Konzerne und Lobbys“ ausrichten. Zudem werde man bei „Gegenwind nicht einknicken“ und sich das Programm nicht durch „Meinungsmache diktieren lassen“, sagte die Parteivorsitzende.

Sarah Wagenknecht auf dem Gründungsparteitag des BSW am 27. Januar 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Wagenknecht: BSW ist keine „Linke 2.0“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat auf dem Gründungsparteitag ihres „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ihre ehemalige Partei scharf kritisiert. „Wir sind keine Linke 2.0“, sagte sie am Samstag in Berlin.

Das müsse auch für den Umgang untereinander innerhalb der Partei gelten. „Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden und nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen“, fügte sie hinzu.

Weiter rief sie dazu auf, Strukturen zu schaffen, in denen sich nicht die „Rücksichtslosesten“ durchsetzten, sondern die „Talentiertesten“. „Lasst uns pfleglich miteinander umgehen“, so Wagenknecht.

Die BSW-Chefin hob dabei vor allem die verschiedenen Hintergründe der Parteimitglieder hervor. Diese gelte es, als Stärke zu begreifen, sagte Wagenknecht.

Gleichzeitig teilte sie gegen die Ampel-Regierung aus: Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses wurde als „Marie-Agnes Strack-Rheinmetall“ bezeichnet – dafür gab es donnernden Applaus. Über Grünen-Chefin Ricarda Lang machte sich Wagenknecht mit ihren Anhängern lustig, weil die kürzlich in einem Interview gezeigt hatte, dass sie die durchschnittliche Renten-Höhe in Deutschland nicht kannte.

Wagenknecht-Partei: Benda und Rabieh in Vorstand gewählt   

Friederike Benda und Amid Rabieh sind als stellvertretende Parteivorsitzende in den Vorstand des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ gewählt worden. Auf dem Gründungsparteitag in Berlin bekam Benda laut Angaben der Partei am Samstag 96,0 Prozent der Stimmen, Rabieh kam auf 93,9 Prozent.

Beide waren wie viele in der neuen Partei zuvor Mitglieder der Linkspartei. Benda arbeitete unter anderem für deren Fraktion im Deutschen Bundestag als Referentin für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe.

Rabieh war im Landesvorstand der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen gewesen. Zuvor war er vor allem in der Kommunalpolitik in Bochum aktiv gewesen.

Geisel wird von Wagenknecht-Partei abgestraft 

Düsseldorfs früherer Oberbürgermeister und Ex-SPD-Politiker Thomas Geisel ist auf dem Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei BSW von den Teilnehmern regelrecht abgestraft worden.

Bei der Wahl des erweiterten Parteivorstandes bekam Geisel mit 66,1 Prozent Zustimmung das mit Abstand schlechteste Ergebnis von 14 Kandidaten. Die größte Zustimmung erreichte der Publizist und Islamwissenschaftler Michael Lüders, der 97,6 Prozent erreichte, gefolgt von dem politisch bislang kaum bekannten Stefan Roth (96,8), der „Landesbeauftragter“ der Partei für Brandenburg sein soll, und der Bundestagsabgeordneten Zaklin Nastic (95,8 Prozent).

Erst dahinter folgte auf dem vierten Platz der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi (95,5 Prozent). De Masi und Geisel sind das designierte Spitzenduo des BSW bei der Europawahl.

Christian Leye auf dem Gründungsparteitag des BSW am 27. Januar 2024. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Leye: BSW bereit für Regierungsverantwortung 

Christian Leye, Generalsekretär des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW), denkt, dass seine Partei bereit zum Regieren ist. „Ich denke, dass wir grundsätzlich bereit sind, auch Regierungsverantwortung zu übernehmen, das auch müssen, aber nicht bereit sind, uns zu verbiegen, nur damit wir Leute in Ministerposten heben“, sagte er am Rande des Gründungsparteitags in Berlin dem TV-Sender Phoenix.

Das BSW wolle eine Politik mit klarer Kante machen, die wieder das aufgreife, was viele Menschen in der Bevölkerung auch spürten. „Natürlich wollen wir das auch in einer Regierung umsetzen, aber nicht um jeden Preis. Eine Regierung ist kein Selbstzweck“, so Leye weiter.

Für die anstehenden Landtagswahlen stehe zwar noch kein Programm fest, die Inhalte seien aber bereits klar: soziale Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Vernunft. „Das sind die Sachen, mit denen wir ein politisches Angebot unterbreiten und da sehen wir auch eine Lücke im Parteiensystem“, sagte Leye.