Der Bleiberg und Natur in Köln-Ostheim.

Köln | Es war der Bürger Tim Scheuch, der report-K im Juli 2012 auf einen Kölner Umweltskandal aufmerksam machte: Zwischen Altem Deutzer Postweg und dem gerade entstehenden Waldbadviertel auf dem „Millionenacker“ in Köln Ostheim lag ein unsanierter ehemaliger Schießplatz mit Tonnen von Blei. Report-K griff den Hinweis auf und berichtete umfassend. Durch die Berichterstattung entschied sich die Kölner Politik zur Sanierung. 10 Jahre danach traf Chefredakteur Andi Goral den Bürger Tim Scheuch und beide blickten auf eine echte Großstadtoase.

Bürger Tim Scheuch im Juni 2023 vor dem Bleiberg

Die rechtsrheinische Großstadtoase

Es ist einer dieser herrlichen Sommerabende am Montag im rechtsrheinischen Köln. Familien gehen mit ihren Kindern spazieren und der Kies auf dem Weg knirscht unter den Sohlen und Rädern. Auf den Bänken sitzen Menschen in der Abendsonne. Ein Paar stellte seine E-Bikes ab und lümmelt auf den Sonnenliegen, um die letzten Sonnenstrahlen einzufangen. Überall blüht es, Bienen und Hummeln surren herum. Über uns kreist ein Bussard, zwei Tauben fliegen schnell vorbei. Fotomotive, wie sie eher aus Bergischem oder Eifel bekannt sind. Es duftet nach Natur und wer die Augen für einen Moment schließt bekommt nur dann mit, dass er sich mitten in der viertgrößten Stadt Deutschlands neben Autobahnen und Schienen befindet, wenn ein Flieger am Köln Bonn Airport startet. Nennen wir es Großstadtoase im Miniaturformat mit Anschluss Richtung Vingster Badesee und Gremberger Wäldchen.

Meterdick war der Boden mit Tontaubenscheiben kontaminiert und die Scheiben hingen teilweise in den Bäumen im Jahr 2012.

Und im Jahr 2012?

Im Jahr 2012 war dort Wald, den die Stadt teilweise rodete, um die Zufahrt zum Waldbadviertel herzustellen. Große Maschinen wühlten sich durch den Boden und planierten die Straße vom Kreisverkehr in Richtung Millionenacker. Eine ganz normale Erschließungsmaßnahme auf den ersten Blick. Der Kölner Tim Scheuch blickte genauer hin. Denn dort wo die Baumaschinen mit ihren Ketten den Boden zerpflügten war einstmals ein Schießplatz. Das war nicht zu erkennen, denn die Anlagen, wie etwa die Tontaubenschießanlage war bereits abgebaut. Aber auf den zweiten Blick auch im Fichtenwald waren die giftigen Reste des Schießplatzes überall zu finden und verteilt. Der war von 1955 bis 2006 über 50 Jahre lang in Betrieb. Der Wald und die Wiesenflächen waren mit Bleischrott, das dort verschossen wurde übersät. Leere Patronenhülsen und giftige Tontaubenscheiben bis zu einem Meter tief fanden sich dort. Das Problem giftigen Bleischrots und alter Schießplätze war in der Bundesrepublik schon lange bekannt. Nach dem report-K-Bericht beschäftigte sich die Kölner Politik mit dem Problem und forderte die Sanierung.

Und so präsentiert sich die gleiche Stelle 2023.

Für die Anwohner:innen des Waldbadviertels sicherer Naturgenuss

Es folgte die Sanierung und der Gutachter der das Gelände bewertete kam auf 60 Tonnen Bleischrot der entsorgt werden musste. Report-K schätzte damals auf rund 35 Tonnen. Dieser Bleischrot befindet sich immer noch an Ort und Stelle, aber nicht verteilt auf Wanderwegen, sondern in einem Bleiberg, der sicher eingezäunt und fachgerecht saniert wurde. Auf den blickt, wer sich auf der Bank niederlässt. Wer also heute die Großstadtoase nutzt, der kann diese sicher genießen. Eine gute Entscheidung der Stadt Köln. Die hat aber nicht nur saniert, den Weg angelegt, die Bänke und Sonnenliegen eingerichtet, sondern auch jede Menge neuer Bäume gesetzt. Teilweise, wie eine Linde bei den Sonnenbänken leiden diese Jungbäume unter Wassermangel und würden sicher besser gedeihen, wenn sie einen Wassersack bekämen.

Was da alles wächst…

Auf dem Bleihügel findet sich eine Art Magerwiese, denn dort findet sich leicht rötliche Erde, die wohl von einem Acker aus der Voreifel stammt, so mutmaßt Tim Scheuch, der mit seinem Fernglas die Entwicklung der Pflanzen auf dem ehemaligen Ostheimer Schießplatz beobachtet. Dieser Ackerboden dürfte ordentlich gespritzt worden sein, denn zum Start wuchs dort immer noch Getreide und Futterklee. Heute ändert sich der Bewuchs. Wildkräuter wie wilder Oregano finden sich dort oder die Karde. Es findet sich dort auch Steinklee. Scheuch erzählt, dass er beobachtet habe, dass ein Imker sechs Bienenvölker in der Nähe platzierte, so üppig wächst es in Köln-Ostheim. Im Sommerabendlicht changieren die Farben der Gräser und der Blüten.

Bei den Jungbäumen finden sich Buchen, Eichen, Schlehe, Kirsche, Pfaffenhütchen, Wildapfel oder Hartriegel. Auch die Robinie mogelt sich darunter. Denn neben dem Bleihügel stehen einige mächtige Robinien, die ihren Samen mit dem Wind streuen. Königskerzen stehen am Wegrand und leuchten Gelb. Und jede Menge wilde Karden, die in diesem Jahr aufgrund der Trockenheit spät blüht. Vor allem die Hummeln lieben die Karde, aber auch die Bienen. Scheuch geht davon aus, dass sich mittlerweile mehrere Hummelarten am Standort befinden. Eigentlich ein Thema für Forschung. Welche Tier- und Pflanzenarten leben nun auf dem ehemaligen Schießplatz? Die Ostheimer haben dieses Freizeitangebot super angenommen und vor allem ist es jetzt für sie sicher. Die Stadt hat vieles richtig gemacht hier und macht es weiterhin. Positiv sei, dass die Stadt die Mahd mitnehme und so die Magerwiese auf dem Bleiberg fördere. Nur die Mahd erfolge manchmal zu früh, dies könnte noch besser auf die Pflanzen vor Ort, die sich jetzt ansiedelten abgestimmt sein, so Scheuch und nennt ein Beispiel: Werde die wilde Karde spät im Sommer geschnitten, so sei dies für die Hummelvölker von Bedeutung und wie viel Königinnen ein Hummelvolk für das Folgejahr produziere. Scheuch regt an, diese Pflanzen daher nicht in der Blüte zu schneiden.

Bürgerschaftliches Engagement

Vor 10 Jahren war nicht absehbar, welches ökologische Kleinod zur Naherholung für die Kölner:innen im Waldbadviertel sich hier entwickelt. Ohne das bürgerschaftliche Engagement, öffentliche Debatte, Entscheidungen in der Politik und gute Umsetzung durch die Stadtverwaltung ist es fraglich, ob Kölner:innen diesen Ort so sicher hätten nutzen können. Ein gelungenes Beispiel für die Stadt Köln und ihre Bürger:innen, dank des Bürgers Tim Scheuch.

So berichtete report-K 2012:

ag